Auf den ersten Blick sieht alles ganz einfach aus, wenn an diesem Freitag Stellen in der irischen Verfassung geändert werden sollen, die als sexistisch wahrgenommen werden. In Artikel 41 sind unter anderem die Definition der Familie und die Rolle der Frau ausformuliert; der Staat verpflichte sich, steht da zum Beispiel, «die Institution der Ehe zu schützen, auf die die Familie gründet». Oder: «Der Staat erkennt an, dass die Frau durch ihr Leben zu Hause dem Staat eine Stütze ist, ohne die das Gemeinwohl nicht erreicht werden kann.» Und weiter: «Der Staat soll daher dafür sorgen, dass Mütter nicht durch wirtschaftliche Not gezwungen werden, unter Vernachlässigung ihrer häuslichen Pflichten zu arbeiten.»
Mit anderen Worten: In seiner Verfassung regelt der Staat, dass es für Mütter in Ordnung ist, sich ausschließlich um Haushalt und Kinder zu kümmern – in einer Formulierung, die klingt, als erwarte der Staat genau das von ihnen. Die Verfassung wurde im Jahr 1937 verabschiedet, im selben Jahr, in dem in Irland Scheidung verboten wurde, und zwei Jahre nachdem Verhütung per Gesetz als Straftat festgelegt worden war.
Die Regierung will Stellen in Artikel 41 ändern
Selbst im streng katholischen Irland ist die Gesellschaft im Jahr 2024 längst in einer anderen Realität angekommen. 70 Prozent der irischen Frauen gehen einer Arbeit außerhalb der Familie nach, 40 Prozent der Kinder wurden ohne vorherige Eheschließung geboren. Die irische Regierung möchte die entsprechenden Stellen in Artikel 41 deshalb ändern, und zwar per Referendum. Rund 3,5 Millionen Wahlberechtigte dürfen an diesem Freitag abstimmen. Das Problem ist nur, dass auf den zweiten Blick eben doch alles komplizierter ist.
In den vergangenen Wochen äußerten sich alle möglichen Frauenrechtler und Frauenrechtlerinnen sowie Politiker und Politikerinnen in Irland zu Wort, kaum jemand zweifelte an, dass ein Referendum zur Frage, ob diese beiden Passagen ersatzlos gestrichen werden sollen, problemlos durchgegangen wäre. Die irische Regierung schlägt stattdessen allerdings Alternativen vor, über die seitdem gestritten wird.
Die Stelle, in der es um den Zusammenhang zwischen Ehe und Familie geht, soll um den Zusatz «anhaltende Beziehungen» ergänzt werden; die beiden Sätze, in denen die «häuslichen Pflichten der Frau» thematisiert werden, sollen gestrichen werden. Stattdessen soll dort nun stehen: «Der Staat erkennt an, dass die Fürsorge der Familienmitglieder füreinander aufgrund der zwischen ihnen bestehenden Bindungen der Gesellschaft eine Stütze ist, ohne die das Gemeinwohl nicht erreicht werden kann, und bemüht sich, diese Fürsorge zu fördern.» In irischen Medien werden die Alternativen als «geschlechtsloser Wortsalat» bezeichnet.
Die Sprache sei «bizarr» und «beleidigend», sagt eine Politikprofessorin
Die bisher verwendete Sprache in der Verfassung sei natürlich «bizarr» und «beleidigend», sagte Theresa Reidy, irische Politikprofessorin, dem Magazin Politico. Gleichzeitig aber habe das keinerlei Auswirkungen auf die Art, wie sich die irische Gesellschaft entwickelt hat, die Passagen seien auch nie in einem Gericht verwendet worden oder politisch instrumentalisiert, «egal ob auf liberaler oder konservativer Seite». Genau das aber fürchten Gegner des Referendums: dass der neue Text zu Schwierigkeiten führen könnte, die es bisher gar nicht gab.
Einer der Wortführer der «Vote No»-Bewegung ist der frühere Justizminister Michael McDowell, der davor warnt, dass die Bezeichnung «anhaltende Beziehung» zu «Chaos in den Familiengerichten» führen könnte, wenn Ex-Freundinnen Rechte einfordern, die bisher erst mit der Ehe galten, darunter Staatsangehörigkeit, Steuervorteile oder Erbschaftsansprüche. Andere Gegner sorgen sich, dass Mütter, die bewusst zu Hause bleiben möchten, um sich um die Familie zu kümmern, es künftig schwerer haben könnten, und wiederum anderen gehen die Änderungen nicht weit genug.
Er erkenne die Argumente dagegen an, sagte der irische Regierungschef Leo Varadkar kurz vor Öffnung der Wahllokale. Ein Nein aber heiße auch, dass die alte, sexistische Formulierung bekräftigt würde, «und das wäre ein Rückschritt». Die Ergebnisse werden für Samstagnachmittag erwartet.