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2. Bundesliga: Schalke-Trainer Geraerts muss gehen – das Unheil kommt mit Ansage – Sport

by Marko Florentino
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Auf dem Tisch standen Cola und Apfelschorle, doch die Teilnehmer der Zusammenkunft sahen aus, als benötigten sie eher ein paar doppelte Bergmannsschnäpse. Die Spitzen des FC Schalke 04 hatten sich nach der schockierenden 3:5-Niederlage gegen Darmstadt 98 spontan im Konferenzzimmer hinter der Westtribüne versammelt, die Passanten im anliegenden Treppenhaus durften bei der Sondertagung live zuschauen – niemand hatte sich die Mühe gemacht, die Vorhänge zuzuziehen.

So konnte man den verzweifelt schimpfenden und gestikulierenden Aufsichtsrat Youri Mulder sehen, mit Schalke Uefa-Cup-Gewinner 1997, während der seit Clemens Tönnies’ Rückzug tonangebende Ratsvorsitzende Axel Hefer mit leerem Blick an seiner Cola nippte, und der Vorstandschef Matthias Tillmann nervös durch den Raum wanderte. Am anderen Ende des Tisches: Die finanzgewaltige Christina Rühl-Hamers, die manche Schalker als letzte Bastion der Vernunft im Verein betrachten, andere Schalker hingegen wegen ihrer sparsamen Investitionspolitik verächtlich „Buchhalterin“ rufen.

War dieses Treffen, das kaum eine Viertelstunde nach dem Abpfiff stattfand, schon jenes „intensive Gespräch“, von dem anderntags in der Pressemitteilung anlässlich der Trennung von Trainer Karel Geraerts, 42, und Sportdirektor Marc Wilmots, 55, die Rede war? Fest steht: Ganz von vorn musste die Debatte nicht beginnen, Geraerts’ Anstellung galt längst als bedroht – obwohl von ihm keineswegs der schnelle Aufstieg verlangt wurde. Die Rückkehr in die erste Liga steht beim S04 in dieser Saison nicht auf der Tagesordnung, ein substanzieller Neuaufbau ist das Ziel.

Geraerts hat es nie geschafft, seinem Team wirklich Stabilität zu geben

Der Niederländer Mulder, als Ex-Fußballer der Sportexperte im Aufsichtsrat, hatte Geraerts im vorigen Jahr als Nachfolger für Thomas Reis ins Gespräch gebracht. Nach seiner erfolgreichen Arbeit beim Klub Union Saint-Gilloise kam der Belgier mit der Empfehlung einer Auszeichnung als Trainer des Jahres nach Gelsenkirchen. Dort stellte man ihm nun ein ungutes Zeugnis aus: Nicht der Trend mit drei Niederlagen in der zweiten Liga hätte vorrangig zur Trennung geführt, sondern „die negative Gesamtentwicklung“ und die spielerische Stagnation.

Die 3:5-Niederlage gegen Darmstadt nach einer glänzenden ersten Halbzeit mitsamt 3:0-Führung hat ihren dramatischen Effekt beigetragen. Doch wer später von einem verrückten Spiel sprach, hat Schalke 04 nicht verstanden. Geraerts hat es nie geschafft, seinem Team Stabilität zu geben, auch ein 3:0 stand daher grundsätzlich unter Vorbehalt, und so brauchte man keine übersinnlichen Fähigkeiten, sondern bloß etwas Sachverstand und Schalke-Erfahrung, um das Unheil zu ahnen.

Kaum in Worte zu fassen: Kenan Karaman und Schalke verspielen eine 3:0-Führung. (Foto: Tim Rehbein/dpa)

Als zum Beispiel der Schiedsrichter beim Stand von 3:3 am Bildschirm ein mögliches Handspiel des Schalker Verteidigers Derek Murkin prüfte und letztlich von einem Elfmeter absah, wussten echte Kenner zu prophezeien, dass das 3:4 trotzdem gleich fallen würde – denn es gab ja noch einen Eckstoß für die Darmstädter. Und der führte, wie versprochen, gegen eine panisch aufgescheuchte Schalker Deckung umgehend zum dritten Treffer des schwedischen Angreifers Isac Lidberg (87. Minute).

Auch der Ausgleich kam für die leidgeprüften 60 000 im wie immer ausverkauften Haus mit Ansage. Nicht, weil Darmstadt 98 heftigen Druck ausübte, sondern weil jeder erkennen konnte, dass die verunsicherten Schalker Profis schon noch einen fundamentalen Fehler produzieren würden. Nicht unerwartet bestätigte der verdiente, aber vor der Saison aus guten Gründen in die Reserve verschobene Verteidiger Marcin Kaminski die bösen Ahnungen, indem er sich als letzter Mann beim Versuch des Befreiungsschlags selbst die Beine verknotete. So stand Lidberg auf einmal allein vor dem Tor.

Kurz vor dem Pausenpfiff erlauben sie dem Gegner einen Treffer – wie aus Prinzip

Eine Halbzeit lang hatten die Schalker gut ausgesehen. Ihre in der zweiten Liga höchst vorzeigbare Offensive mit dem stetig besser werdenden Techniker Amin Younes, dem Torjäger Moussa Sylla und dem fußballerisch versierten Kapitän Kenan Karaman sowie den schnellen Außen Tobias Mohr und Christopher Antwi-Adjei beherrschte das Geschehen. Der Stand von 3:0 entsprach dem Kräfteverhältnis zwischen den Teams. Doch auf eines ist Verlass bei den Schalkern: Unmittelbar vor dem Pausenpfiff erlauben sie dem Gegner regelmäßig noch einen Treffer, scheinbar aus Prinzip. So war es beim 1:3 gegen Köln und beim 0:2 in Karlsruhe – und auch diesmal hatte das Tor spielentscheidende Wirkung. Fraser Hornbys verwandelter Handelfmeter reanimierte die bis dahin mit Recht totgesagten Darmstädter.

Dass Geraerts nun gehen muss, resultiert auch aus internen Streitereien und einer Personalwahl, die er aus dem Schmollwinkel traf. In den jüngsten drei Spielen stellte er sechs verschiedene Innenverteidiger auf, beim formstarken KSC hatte er demonstrativ den jungen Argentinier Felipe Sánchez und den ebenso jungen Belgier Martin Wasinski berufen, die prompt überfordert waren. Ihre überraschende Nominierung beruhte vor allem auf einer Trotzreaktion, nachdem der Kaderplaner Ben Manga zuvor öffentlich für Sánchez’ Einsatz geworben hatte. Geraerts empfand das nicht zu Unrecht als Brüskierung. Das Verhalten des Trainers war trotzdem nicht professionell, fand man im Klub.

Muss ebenfalls gehen: Schalkes Sportdirektor Marc Wilmots. (Foto: Christof Koepsel/Getty Images)

Mit dem einflussreichen Strategen und Chefscout Manga, der sich bei Eintracht Frankfurt einen Namen als erfolgreicher Goldschürfer gemacht hat, unterhielt Geraerts schon länger ein ausgeprägtes Nicht-Verhältnis. Manga, 50, hätte den Trainer am liebsten vor der Saison gehen lassen, als dieser noch zögerte, sein Engagement auf Schalke fortzusetzen. Marc Wilmots stützte seinen Landsmann – nun muss er mit ihm das Haus verlassen. Über Wilmots’ Verdienste in den neun Monaten als Sportchef war aber bisher ohnehin noch nicht umfangreich berichtet worden.

Seinen Heldenstatus als Cup-Sieger von 1997 werde Wilmots selbstredend behalten, versicherte der Klub – eine letzte Referenz an die Nostalgie. Im Sommer hatten sich bereits Gerald Asamoah und Mike Büskens aus der Profi-Abteilung verabschieden müssen, was unterstrich, dass Schalke in Kabine und Management eine andere Orientierung anstrebte. Dass jetzt unter Zeit- und Tabellendruck ein noch größerer Umbau gelingen muss, war allerdings nicht erwünscht: Außer einem Coach (vorerst übernimmt U-21-Coach Jakob Fimpel) sucht Schalke nun auch einen neuen sportlichen Leiter. Bis dahin hat Ben Manga das sportliche Sagen.



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