Table of Contents
Eigentlich soll es um die Inhalte gehen – aber jetzt geht es erst einmal um die Bilder. Die sind im Wahlkampf schließlich auch wichtig. Deshalb halten Friedrich Merz und Markus Söder zunächst einmal eine Papp-Attrappe ihres gemeinsamen Wahlprogramms in die Kameras. Am Morgen haben CDU und CSU die 79 Seiten in einer gemeinsamen Präsidiumssitzung beschlossen, jetzt stehen die beiden Vorsitzenden einträchtig vor einer blauen CDU-CSU-Wand in einem Hotel in Berlin-Mitte und versprechen dieses und jenes, vor allem aber einen „Politikwechsel“. Der steht im Titel des Wahlprogramms, das laut Merz der „Gegenentwurf“ zur gescheiterten Ampel sein soll. Auch Söder verspricht eine „grundlegenden Umkehr“. Was Richtung und Charakter dieses Wahlkampfs angeht, ist man sich in der Union an diesem Tag offenbar vollkommen einig.
Dabei war es in den vergangenen Wochen keineswegs immer so weit her mit der Einigkeit zwischen CDU und CSU. Der öffentliche Streit über eine mögliche schwarz-grüne Koalition nach der Bundestagswahl hat den Unionsparteien schon im Vorwahlkampf viel Schwung genommen. Dass Merz dann sogar in einer Talkshow leichtfertig den Eindruck erweckte, Robert Habeck könne auch in einer CDU-geführten Regierung Wirtschaftsminister sein, löste in der CSU erst recht Unmut aus. Und schließlich sagte Merz auch noch, er rechne damit, dass die SPD es schaffen werde, die 20-Prozent-Marke zu überspringen. Das hat in München ebenfalls niemand verstanden.
Die CSU hat sich in Sachen Migration durchgesetzt
Andererseits: Bei der Erstellung des gemeinsamen Wahlprogramms war von Differenzen zwischen den beiden Schwesterparteien in der Tat fast nichts zu spüren gewesen. Was allerdings auch daran liegen dürfte, dass die CSU mit dem Ergebnis ziemlich zufrieden sein kann. 2018, in der großen Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel, hatten Differenzen zwischen CDU und CSU in der Migrationspolitik die gemeinsame Unionsfraktion fast gesprengt. Damals ging es vor allem um Zurückweisungen an der Grenze, die die CSU wollte – Merkel aber vehement ablehnte. Jetzt haben CDU und CSU sich auf ein Wahlprogramm verständigt, das an manchen Stellen über die CSU-Forderungen von damals sogar hinausgeht.
„Wir kontrollieren die deutschen Staatsgrenzen und setzen konsequente Zurückweisungen an der Grenze durch“, heißt es darin jetzt. Asylverfahren und Rückführungen müssten beschleunigt werden; dazu will die Union weitere Länder zu sicheren Herkunftsländern erklären und wieder nach Syrien und Afghanistan abschieben. Sozialleistungen für Ausreisepflichtige sollen „am Grundsatz Bett, Brot und Seife“ ausgerichtet werden. Außerdem will die Union das europäische Asylrecht ändern. „Jeder, der in Europa Asyl beantragt, soll in einen sicheren Drittstaat überführt werden, dort sein Verfahren durchlaufen und dort bei Bedarf Schutz finden.“ Beim Thema Migration hat sich in der Union nachträglich Horst Seehofer gegen Angela Merkel durchgesetzt.
Kein Wunder also, dass Söder am Dienstagmittag in Sachen Migration zu Merz sagt: „Ein großer Dank an dich persönlich.“ Dieses Mal gebe es „aus den Herzen raus“ eine gemeinsame, klare Linie von CDU und CSU. Das sei eine andere, neue CDU, die jetzt antrete, das sei „Law and Order“ und „die harte Linie“.
:Aktuelle Umfragen zur Bundestagswahl 2025
Am 23. Februar 2025 wählt Deutschland einen neuen Bundestag. In den Umfragen liegen derzeit CDU und CSU vorne, die Ampelparteien sind weit abgeschlagen. Die aktuellen Umfragen zur Wahl im Überblick mit Grafik.
Beim Thema Rente, das im Wahlkampf ebenfalls eine große Rolle spielen dürfte, gibt sich die Union in ihrem Wahlprogramm dagegen eher defensiv. Offensichtlich wollen CDU und CSU auf diesem Gebiet von der SPD, die ihren Rentenwahlkampf längst begonnen hat, nicht so leicht angegriffen werden können. In ihrem Grundsatzprogramm hatte die CDU noch eine Kopplung des Renteneintrittsalters an die Entwicklung der Lebenserwartung vorgeschlagen. In ihrem gemeinsamen Wahlprogramm versichern die beiden Unionsparteien jetzt dagegen: „Wir halten an der bestehenden gesetzlichen Regelung zum Renteneintrittsalter fest.“
„Es bleibt beim Renteneintrittsalter“, sagt Merz bei seinem Auftritt mit Söder. Statt das Rentenalter anzuheben, will die Union das Arbeiten im Rentenalter steuerlich so attraktiv zu machen, dass viele sich freiwillig dafür entscheiden. Außerdem soll es für Sechs- bis 18-Jährige zehn Euro monatlich zum Aufbau einer kapitalgedeckten, privaten Altersvorsorge geben – die Union nennt das „Frühstart-Rente“.
Ein Schwerpunkt im Wahlkampf der Union wird die Wirtschaftspolitik sein. Auch am Dienstag spricht Merz gleich zu Beginn vom Kapitalabfluss aus Deutschland und der gesunkenen Wettbewerbsfähigkeit. „Ohne eine gute Wirtschaft läuft nichts“, so Merz. Für mehr Wachstum wolle die Union „die arbeitende Mitte“ steuerlich entlasten, damit „mehr Netto vom Brutto“ bleibt. Auch für die Wirtschaft seien Steuern und Abgaben zu hoch, sagt Merz, betont aber, dass die Unternehmensteuern „nur schrittweise“ gesenkt werden könnten; das Ziel seien höchstens 25 Prozent Steuerbelastung.
Allerdings verraten CDU und CSU nicht wirklich, wie sie ihre Versprechungen in der Wirtschafts- und Steuerpolitik finanzieren wollen – eine nicht unerhebliche Angriffsfläche im Wahlkampf, schließlich könnten die Versprechungen laut ersten Schätzungen von Ökonomen bis zu 100 Milliarden Euro kosten. Die Union verweist lediglich auf Einsparungen durch ihren härteren Kurs in der Migration und beim Bürgergeld – und darauf, dass die versprochenen Steuersenkungen in Stufen umgesetzt würden, nicht auf einen Schlag.
„Wir als Union sind die helle Seite der Macht.“
Außerdem gehen CDU und CSU davon aus, dass ihre Wirtschaftspolitik ein Wachstum anstoßen werde, das dann wiederum zu höheren Steuereinnahmen führt. Söder verspricht sogar „ein neues Wirtschaftswunder statt grüner Rezession“. Dass der CSU-Chef es sich und den Seinen durchaus zutraut, das ein oder andere Wunder zu bewirken, dürfte niemanden überraschen. Für zwei Parteien aber, die vor allem in Abgrenzung zu SPD und Grünen als haushalts- und finanzpolitisch solide wahrgenommen werden wollen, ist das Ganze trotzdem eine eher luftige Art der Gegenfinanzierung. Merz bringt derlei Kritik allerdings nicht aus dem Takt. „Flüchtlinge: 50 Milliarden. Bürgergeld: 50 Milliarden“, rechnet Merz vor, als er zu den Finanzierungslücken im Wahlprogramm befragt wird. Da könne man einen „beachtlichen Teil“ einsparen. Schon 100 000 Bürgergeldempfänger mehr im Arbeitsmarkt bedeuteten zwei bis drei Milliarden weniger Ausgaben plus höhere Einnahmen.
Und Söder? Der hatte seine Sicht der Dinge schon zuvor zusammengefasst, am Ende seiner Rede und ganz ohne Zahlen: „Im Grunde genommen: Wir als Union sind die helle Seite der Macht.“