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Wen hat Biden begnadigt und warum?
Wenige Stunden vor der Amtsübergabe hat Joe Biden einige der bekanntesten Gegner seines Nachfolgers Donald Trump begnadigt. Darunter sind Anthony Fauci, Immunologe und Berater des Weißen Hauses während der Corona-Pandemie, General Mark Milley, ehemaliger Generalstabschef der US-Streitkräfte, sowie die Republikanerin Liz Cheney. Auch die Mitglieder des überparteilichen Sonderausschusses, der zum Sturm auf das Kapitol ermittelte, wurden von Biden begnadigt. Zudem sollen Mitglieder der Capitol Police, die vor dem Ausschuss ausgesagt hatten, straffrei bleiben.
Minuten vor Trumps Amtseid begnadigte Biden dann auch noch einige Mitglieder seiner Familie. Diese sei „unablässigen Angriffen und Drohungen ausgesetzt, die einzig und allein darauf abzielen, mir zu schaden – die schlimmste Form der Parteipolitik“, hieß es in einer Mitteilung. „Leider habe ich keinen Grund zu glauben, dass diese Angriffe aufhören werden.“ Genannt wurden der Bruder des Präsidenten, James B. Biden, dessen Frau Sara Jones Biden, Valerie Biden Owens – die Schwester des Präsidenten – und ihr Mann John T. Owens sowie Francis W. Biden, ein weiterer Bruder von Joe Biden.
Das Besondere an allen diesen Begnadigungen: Biden spricht die betroffenen Personen präventiv von einer möglichen Strafverfolgung frei – obwohl gegen sie überhaupt nicht ermittelt wird.
Anthony Fauci war während der Corona-Pandemie führender Berater im Weißen Haus – sowohl in der Trump-Regierung als auch unter Biden. Er wollte Ansteckungen möglichst verhindern und sprach sich für Impfungen aus. Beides macht ihn bis heute zum Ziel der Rechten. Republikaner werfen ihm vor, Untersuchungen zum Ursprung der Pandemie verhindert zu haben. Fauci bestreitet das. Einige behaupten sogar, Fauci sei für den Ausbruch der Pandemie mitverantwortlich. Einen Beleg dafür gibt es nicht.

Der ehemalige Generalstabschef der US-Armee, Mark Milley, war von 2019 bis 2023 im Amt, diente also auch während der ersten Trump-Regierung. Als solcher geriet er immer wieder mit Trump aneinander. Als dieser erwog, wegen der Proteste nach der Ermordung des Afroamerikaners George Floyd durch einen Polizisten das Militär im Inneren einzusetzen, stellte Milley sich gegen den Präsidenten.

Auch wegen seiner Rolle beim Sturm auf das Kapitol ist Milley bei den Trump-Anhängern verhasst. Er warnte bereits vor dem 6. Januar 2021 vor möglichen Ausschreitungen und sprach dabei von einem „Reichstag“-Moment. Eine Anspielung auf den Reichstagsbrand von 1933, in dessen Folge die Nationalsozialisten die Grundrechte außer Kraft setzten. Nach dem Sturm auf das Kapitol setzte er sich hinter den Kulissen dafür ein, Trumps Befehlsgewalt über die US-Atomwaffen einzuschränken.
Die Republikanerin Liz Cheney gehört zu den wenigen „Never-Trumpern“ bei den Republikanern, also denen, die Trump konsequent ablehnen. Sie stimmte im zweiten Amtsenthebungsverfahren als eine von wenigen Republikanern dafür, Trump aus dem Weißen Haus zu entfernen. Zudem war sie Teil des überparteilichen Sonderuntersuchungsausschusses im Repräsentantenhaus. Trump hatte ihr wiederholt mit Strafverfolgung gedroht, sollte er wieder ins Amt kommen. Im Wahlkampf 2024 gab Cheney bekannt, dass sie Kamala Harris unterstütze.

Biden rechtfertigte die Begnadigungen mit „außergewöhnlichen Umständen“. Er befürchte politisch motivierte Verfahren. „Selbst wenn die betreffenden Personen nichts Unrechtes getan haben – sondern tatsächlich das Richtige getan haben – und letztlich entlastet werden, kann allein die Tatsache, dass gegen sie ermittelt oder sie strafrechtlich verfolgt werden, ihren Ruf und ihre Finanzen irreparabel schädigen“, schrieb er in einer Mitteilung, die er auch auf der Plattform X verbreitet. Die USA schuldeten den Begnadigten Dankbarkeit.
Hatten die Begnadigten wirklich eine Strafverfolgung zu befürchten?
Wirklich klar ist das nicht. Fest steht allerdings: Trump und seine Anhänger haben den Betroffenen wiederholt gedroht – nicht nur mit Strafverfolgung. In den sozialen Medien kündigte Trump mehrfach an, die Republikanerin Cheney sowie die Mitglieder des Sonderausschusses verfolgen lassen zu wollen. Über General Milley sagte Trump, dieser habe die Hinrichtung verdient. Steve Bannon, der ehemalige Berater von Trump (der 2021 selbst begnadigt wurde), kündigte am Wahlabend an, man werde auch gegen Fauci vorgehen. Fauci verdiene „harte römische Gerechtigkeit“, sagte er. Was genau er mit der Drohung meinte, ist unklar.
Sind präventive Begnadigungen üblich?
In der Tat kommen präventive Begnadigungen in den USA immer wieder vor. Häufig werden Personen begnadigt, bevor das Strafmaß nach einer Verurteilung bekannt gegeben wird. Ein prominentes Beispiel für einen solchen Schritt ist Hunter Biden. Im Dezember entschied sich US-Präsident Biden dazu, seinen Sohn zu begnadigen, der sich wegen verschiedener Steuervergehen schuldig bekannt hatte. Außerdem wurde er wegen Verstößen gegen das Waffenrecht verurteilt. Zum Zeitpunkt der Begnadigung war das Strafmaß noch nicht bekannt. Biden rechtfertigte seinen Schritt damit, dass Hunter vor allem deswegen im Fadenkreuz der Ermittler stand, weil er sein Sohn sei. Zuvor hatte der Präsident einen solchen Schritt immer ausgeschlossen. Auch Trump machte von der Möglichkeit einer solchen präventiven Begnadigung mehrfach Gebrauch.
Dass Personen allerdings begnadigt werden, obwohl nicht mal ein Verfahren gegen sie läuft, ist dagegen eher selten. Abraham Lincoln machte davon im 19. Jahrhundert zu Zeiten des Bürgerkrieges Gebrauch. Um die Einheiten der damaligen Konföderierten Staaten zu schwächen, garantierte er desertierenden Soldaten Straffreiheit. Auch der ehemalige Präsident Richard Nixon wurde präventiv durch seinen Nachfolger Gerald Ford begnadigt. Nach der Watergate-Affäre war Nixon zurückgetreten, jedoch nicht angeklagt worden.
Welche Befugnisse hat ein Präsident bei Begnadigungen?
US-Präsidenten haben weitreichende Macht beim Aussprechen von Begnadigungen. Geregelt sind sie in Artikel II der US-Verfassung. Der Supreme Court hat die Befugnisse so ausgelegt, dass Präsidenten Begnadigungen, Amnestien, Strafaufschübe oder auch Strafumwandlungen aussprechen können.
Eingeschränkt werden die Kompetenzen insbesondere durch den Föderalismus in den USA. Präsidenten dürfen nur in Fällen Begnadigungen aussprechen, die das Recht des Bundes betreffen. In Angelegenheiten von Städten und Bundesstaaten dürfen sie sich nicht einmischen. Ebenso schließt Artikel II der Verfassung aus, bei Amtsenthebungen tätig zu werden. Präsidenten dürfen also Vorgänger, die von einem Impeachment betroffen waren, nicht wieder einsetzen. Ungeklärt und rechtlich heikel ist indes die Frage, ob sich Präsidenten auch selbst begnadigen können.
Wie sind die Reaktionen auf Bidens Ankündigung?
Anthony Fauci und Mark Milley zeigten sich erleichtert und dankbar. Fauci betonte, er habe sich nichts zuschulden kommen lassen. Jedoch bedeute allein die Androhung von strafrechtlicher Verfolgung „für mich und meine Familie unermessliches und unerträgliches Leid“, teilte er mit. Milley verwies auf seinen langjährigen Dienst für die USA. „Die Zeit, die mir der Herr noch gewährt“, wolle er nicht damit verbringen, sich gegen unbegründete Anschuldigungen zu wehren.
Allerdings sind nicht alle Begnadigten begeistert von Bidens Entscheidung. Adam Kinzinger, republikanisches Mitglied im Sonderausschuss zum Sturm auf das Kapitol, sagte, die Begnadigung käme einem Schuldeingeständnis gleich. „Ich habe mich keiner Sache schuldig gemacht, außer dem amerikanischen Volk die Wahrheit zu sagen und dabei Donald Trump in Verlegenheit zu bringen“, sagte er.