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Nach Anschlag: Verdi erwägt Verzicht auf Kundgebungen – Politik

by Marko Florentino
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Frank Werneke war Hals über Kopf in ein Flugzeug gestiegen, am Donnerstagabend dann stand der Verdi-Chef am Ort des Anschlags in der Münchner Innenstadt. Dort also, wo am Vormittag ein 24-jähriger Afghane in einen Demonstrationszug seiner Gewerkschaft gefahren war und mindestens 36 Menschen verletzt hatte, viele von ihnen schwer. „Wir sind tief erschüttert“, sagte Werneke, er sprach den Opfern und Angehörigen seine Anteilnahme aus, dankte den Helfern, bald danach war die improvisierte Pressekonferenz vorbei. Der Anschlag selbst aber wird noch lange nachwirken, bei den Betroffenen, im Sicherheitsgefühl vieler Menschen, in den politischen Diskussionen. Auch die Gewerkschaften wird er noch lange beschäftigen.

Die islamistisch motivierte Tat trifft die Arbeitnehmerbewegung im Kern. Nie zuvor in der deutschen Nachkriegsgeschichte hat es bei einer Gewerkschaftsveranstaltung ein solches Gewaltverbrechen gegeben. Dennoch verwahren sich Gewerkschafter dagegen, Anschläge von einzelnen Asylsuchenden politisch auszuschlachten. Der Deutsche Gewerkschaftsbund und die IG Metall etwa kritisieren seit Langem die migrationsfeindliche Rhetorik der AfD. Verdi-Chef Werneke sagte am Donnerstagabend, unter den Opfern von München seien auch Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter mit Migrationsgeschichte. „Wir müssen alle dafür kämpfen, dass dieses Land lebenswert, vielfältig und plural bleibt.“

In den Gewerkschaftszentralen herrscht am Tag nach dem Anschlag große Betroffenheit; überall zu hören ist die Sorge um die Schwer- und Schwerstverletzten, unter ihnen ein Kind. Zugleich denken die Mitarbeiter dort nun darüber nach, wie sie künftig noch zu Warnstreiks und Kundgebungen aufrufen können.

Für die Gewerkschaften sind solche Veranstaltungen enorm wichtig: Die Arbeitnehmer sollen sich dort zusammenschließen, sich bestärken und anschließend unentschlossene Kolleginnen und Kollegen von der gemeinsamen Sache überzeugen. Ohne die Kundgebungen und Märsche, bei denen sich die Teilnehmer gegenseitig ihrer Solidarität versichern, würden viele Streiks an Schwung verlieren – und die Gewerkschaften damit an Verhandlungsmacht einbüßen.

„Wir werden künftig sicherlich nicht auf Streikkundgebungen verzichten“, sagt Verdi-Chef Werneke am Freitag der Süddeutschen Zeitung. Zu hören ist jedoch, dass mehrere Gewerkschaften nun ihre Sicherheitskonzepte überprüfen; es gibt sogar die Erwägung, zumindest in den nächsten Wochen zwar zu Warnstreiks aufzurufen, aber angesichts der Häufung der Anschläge in den vergangenen Wochen zumindest erst einmal auf größere Versammlungen und Umzüge zu verzichten. Manche Gewerkschafter fürchten, dass viele Beschäftigte nun aus Angst vor neuen Zwischenfällen nicht mehr an solchen Veranstaltungen teilnehmen könnten.

„Wir brauchen dringend mehr Polizistinnen und Polizisten.“

Besonders dringlich stellen sich derlei Fragen gerade bei Verdi und beim Deutschen Beamtenbund. Beide Gewerkschaften verhandeln in diesen Wochen für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen, es geht dort um die Gehälter von etwa 2,6 Millionen Beschäftigten. Am Montag sollen die Gespräche in Potsdam weitergehen. Normalerweise versammeln sich zu diesem Termin dort Dutzende Beschäftigte und verleihen den Gehaltsforderungen Nachdruck, oft mit einem Trillerpfeifenkonzert und Transparenten mit eindeutigen Parolen. Parallel gibt es zur Unterstützung weitere Kundgebungen im ganzen Land. Doch scheint es nach den Münchner Ereignissen kaum möglich zu sein, dass das am Montag stattfinden kann, als wäre nichts vorgefallen. Stattdessen laden Verdi und Beamtenbund für Montag in Potsdam zu einer Veranstaltung ein, bei der die Anteilnahme mit den Opfern im Mittelpunkt stehen soll. Zugleich betont Verdi, die Tarifrunde nicht aussetzen zu wollen.

Damit Kundgebungen künftig wieder bedenkenlos möglich sind, müsse die Sicherheit im öffentlichen Raum erhöht werden, fordern mehrere Gewerkschafter. „Wir müssen mehr dagegen tun, dass sich Menschen im Internet radikalisieren“, sagt Verdi-Chef Werneke. Salafistische Hetzportale etwa müssten konsequent verboten werden. Der Chef der Gewerkschaft der Polizei, Jochen Kopelke, dringt auf einen Sicherheitsgipfel von Bund und Ländern. „Wir brauchen dringend mehr Polizistinnen und Polizisten. Uns geht die Kraft im Vollzug von Polizeimaßnahmen aus.“ Darüber hinaus brauche es mehr Befugnisse für die Sicherheitsbehörden, Datenschutzhürden müssten abgebaut werden.



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