Als der Siemens-Manager Jochen Eickholt vor zwei Jahren Chef des schwer angeschlagenen Windkraft-Unternehmens Siemens Gamesa wurde, da war der Konzernmutter Siemens Energy kein Superlativ stark genug. Eickholt, der schon mit harter Hand die Bahnsparte von Siemens saniert hatte, wurde als Retter in der Not begrüßt. Ein knüppelharter Knochen, sagten sie, einer, der keine Gefangenen macht, der durchgreift, ohne Rücksicht auf Befindlichkeiten, der die seit langem andauernden Technik- und Kostenprobleme bei der spanischen Tochter endlich in den Griff bekommt.
Immerhin sorgte das Gamesa-Desaster bei Siemens Energy im vergangenen Jahr für einen Rekordverlust von 4,6 Milliarden Euro – bei einem Unternehmen, das im Dax notiert ist, ist das schon eine Ansage.
Jetzt teilte Siemens Energy überraschend mit: Der 62-Jährige wird abgelöst, Ende September scheidet er ganz aus dem Unternehmen aus. In gegenseitigem Einvernehmen, heißt es aus dem Unternehmen. Es sei eine Frage der «individuellen Lebensplanung».
«Schwieriges Umfeld»
Vor einem Jahr konnte man dem Industrie-Sanierer bei der Arbeit zuhören. In Cuxhaven, da, wo die Siemens-Energy-Tochter Gamesa moderne Windkraftturbinen für die Energiewende baut, saß Eickholt an einem sehr stürmisch-norddeutschen Tag in einem Konferenzraum und erklärte kühl, warum der Windanlagenbauer seit Jahren Probleme hat, obwohl doch alle von der Energiewende reden und das Geschäft eigentlich florieren müsste. «Windkraftanlagenbauer wie Siemens Gamesa leben gerade in einem schwierigen Umfeld», sagte er, und das werde nicht «von heute auf morgen» vorbei sein. Hoher Kosten- und Preisdruck, Lieferkettenprobleme, die harte Konkurrenz aus Fernost, die Siemens-Gamesa-Krise ist auch eine branchenweite Krise. Allerdings, so der Eindruck damals: Hier sprach ein Sanierer, der erst dann gehen würde, wenn das Elend der deutsch-spanischen Windkrafttochter abgehakt ist.
War er am Ende doch zu hart? Oder nicht hart genug? Es sei «nur fair zu betonen, dass die Ursachen für die Qualitätsprobleme nicht in seine CEO-Amtszeit fallen», kommentierte Siemens-Energy-Chef Christian Bruch Eickholts Amtszeit. Nachfolger des Sanierers wird im August der Siemens-Energy-Vorstand Vinod Philip – es wird dann der vierte Chefwechsel bei Siemens Gamesa in vier Jahren sein.
Jedes Mal, wenn in den vergangenen Jahren ein Chefwechsel anstand, war dies mit neuen strategischen Ansagen verbunden. Die neue Strategie sieht nun so aus: Statt sich vom kriselnden, sogenannten «Onshore-Geschäft» mit Windturbinen zu trennen, will man sich beim Verkauf von Land-Windkrafträdern künftig nur noch auf profitable Märkte und Produkte konzentrieren – vor allem Deutschland und die USA. Ob und wie viele Arbeitsplätze das kosten wird, verrät das Unternehmen noch nicht. Gleichzeitig soll das Offshore-Geschäft mit Windkraftanlagen auf dem Meer weiter ausgebaut werden. Hier könnten dann auch neue Stellen entstehen. Das Ziel: Gamesa soll auf diese Weise ab 2026 wieder Gewinne machen.
Am Ende waren die Investoren dann doch zufrieden
Und weil Aktienkurse ja meistens nicht nur eine Frage von Umsatz und Gewinn sind, sondern dazu auch die entsprechende Kommunikation zur richtigen Zeit gehört, geschah am Mittwoch etwas durchaus Kurioses. Insgesamt schrieb der Konzern – vor allem wegen seiner klassischen Geschäfte mit Kraftwerkstechnik und Stromnetzen – zuletzt Gewinne und hob seine Jahresprognose an, dazu stellte das Unternehmen am Mittwoch einen neuen Sanierungsplan für Gamesa in Aussicht. Dass der Aktienkurs bis zum Mittag dann über elf Prozent anstieg, hatte man womöglich nicht einmal in der Konzernzentrale für möglich gehalten.