Das polizeiliche Vorgehen gegen Teilnehmer des «Palästina-Kongresses» in Berlin am 14. April hat nun ein Nachspiel. Die Bundespolizei hatte im vergangenen Monat zwei prominenten Rednern die Einreise nach Deutschland verweigert, dem palästinensisch-britischen Arzt Ghassan Abu-Sittah und dem griechischen Linkspolitiker Yanis Varoufakis. An diesem Dienstag hat das Verwaltungsgericht Potsdam die Maßnahmen gegen Abu-Sittah für rechtswidrig erklärt. Das heißt: Deutschland hätte den Mann einreisen lassen müssen.
In dem Beschluss des Gerichts, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, heißt es: Die vorgebrachten Vorwürfe gegen Abu-Sittah seien nicht schwer genug. Der Arzt arbeitet als Rektor der Universität Glasgow, von wo aus er immer wieder zu Nothilfeeinsätzen unter anderem in die Palästinensergebiete reist. Im Oktober und November vergangenen Jahres war er im Auftrag der Organisation «Ärzte ohne Grenzen» auch im Gazastreifen.
Er gratulierte der Hamas zum Gründungsjubiläum
An der Universität Glasgow läuft derweil eine Untersuchung gegen ihn, weil er auf Twitter der Hamas zu ihrem Gründungsjubiläum gratuliert und etwa im Jahr 2022 ein ehrendes Bild eines «Märtyrers» der Al-Aksa-Brigaden gepostet haben soll. Jener «Märtyrer», Nasser Abu Hamid, war nach zwanzig Jahren in israelischer Haft gestorben, wo er für siebenfachen Mord saß.
Das Verwaltungsgericht Potsdam betont in seiner Entscheidung, dass ein Einreiseverbot aufgrund von Sicherheitsbedenken an hohe Hürden geknüpft sei. Sofern der Mediziner Abu-Sittah Verbrechen in Internet-Posts gebilligt habe, müsse man zwar von einem Anfangsverdacht für Propagandadelikte ausgehen. Aber dies seien keine ausreichend «schweren Straftaten», um ein Einreiseverbot zu rechtfertigen.
Das Bundespolizeipräsidium mit Sitz in Potsdam hatte sich auf den Artikel 24 der EU-Verordnung zum sogenannten Schengener Informationssystem gestützt – und dort insbesondere auf einen Passus, wonach man einem EU-Ausländer die Einreise verweigern dürfe, wenn gegen ihn «der begründete Verdacht besteht, dass er eine schwere Straftat — wozu auch terroristische Straftaten gehören — begangen hat, oder wenn konkrete Hinweise vorliegen, dass er solche Taten im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats plant».
Der Kongress war von der Polizei aufgelöst worden
Auch für die Planung von Straftaten in Deutschland fehle es an ausreichend «konkreten Hinweisen», wandte nun das Verwaltungsgericht ein und gab dem Eilantrag von Abu-Sittahs Anwalt, Alexander Gorski, somit statt. Die Folge ist, dass die Bundespolizei den Eintrag im Schengener Informationssystem löschen muss. Dagegen könnte die Bundespolizei noch eine Beschwerde einlegen.
Die Entscheidung ist auch deshalb relevant, weil dem Arzt zuletzt auch in Frankreich die Einreise verweigert worden war – unter Verweis auf die Warnungen der deutschen Bundespolizei. Abu-Sittah reist derzeit viel zu Konferenzen, auf denen gegen das Vorgehen der israelischen Armee in Gaza, aber auch allgemein gegen die Politik Israels protestiert wird. Der «Palästina-Kongress» in Berlin war eine solche Konferenz. Sie wurde von der Berliner Polizei damals nach nur zwei Stunden beendet.
Anlass für die Auflösung war, dass ein 86-jähriger Historiker, Salman Abu Sitta, per Videoleitung zugeschaltet wurde. Gegen ihn besteht ein – rechtlich unbestrittenes – Einreise- und politisches Betätigungsverbot, weil er öffentlich den Hamas-Terror lobt, etwa mit den Worten: Wäre er jünger gewesen, hätte er am 7. Oktober mitgemacht.
Wenn das Einreiseverbot für den Arzt Abu-Sittah rechtswidrig war, könnte dies nun für den ehemaligen griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis erst recht gelten. Varoufakis ist EU-Bürger. Gründe der «öffentlichen Sicherheit und Ordnung», wie es im Paragrafen 6 des EU-Freizügigkeitsgesetzes heißt, sprächen gegen eine Einreise – so lautete die offizielle Begründung der Bundespolizei, weshalb man ihn für die Dauer des «Palästina-Kongresses» nicht in Deutschland haben wolle.
Auch Varoufakis klagt nun vor dem Verwaltungsgericht Potsdam. Obwohl er inzwischen wieder frei reisen darf, will er feststellen lassen, dass auch die Maßnahmen gegen ihn rechtswidrig gewesen seien. Bis zu einer Entscheidung kann es aber noch länger dauern.