Es ist dieses Gefühl, das man spürt, wenn man am späten Nachmittag als Erster zum Training kommt. Oder wenn man früher in den Schulferien gleich nach dem Frühstück auf den Bolzplatz ging. Diese Ruhe, noch niemand da. Dieser Geruch, ein bisschen Rasen, ein bisschen Kabine. Diese Wärme, die Sonne scheint, die Welt in Ordnung. Nachher, am Abend, wird gepöbelt, geschwitzt, gegrätscht – aber in diesem Moment ist all das hier eine einzige Idylle.
Wer selbst nicht Fußball spielt oder gespielt hat, wird dieses Gefühl vielleicht nicht kennen. Wer es aber doch tut oder zumindest getan hat, der wird es empfinden, wenn er dieses fußballherzerwärmende Fotobuch mit dem wortwitzigen Titel «Fränkischer Schweiß» aufschlägt und durchblättert.
Zu sehen auf 130 Bildern sind, anders als der Name befürchten lässt, keine abgesonderten Körperflüssigkeiten von körperlich ertüchtigten Nordbayern, sondern Eigen- und Besonderheiten von Fußballplätzen in der Fränkischen Schweiz. Was man trotzdem als Nischenthema bezeichnen darf.
Der Mann, der die Nische besetzt hat, heißt Jürgen Rank, geboren 1970 und sozialisiert in Bayreuth. Einer Stadt also, in der der berühmteste Wagner kein ehemaliger Fußballer (Sandro) oder unregelmäßiger Fußball-Kolumnist ist (Franz Josef), sondern ein Komponist (Richard). Wie also kommt es, dass aus der Nicht-Fußballhochburg Bayreuth der Fotograf und Autor dieses Fußballliebhaber-Werks stammt?
Die Begeisterung sei ihm in die Wiege gelegt worden, sagt Rank im SZ-Gespräch. Benannt worden sei er, Jürgen, von seinem Vater, einem glühenden Frankfurt-Fan, nach der Eintracht-Legende Jürgen Grabowski. Sein Opa habe zudem ein Haus gleich neben dem Hans-Walter-Wild-Stadion der Spielvereinigung Bayreuth gehabt. Und fotografieren, das tue er auch schon lange.
«Fränkischer Schweiß» ist das zweite Buch von Rank, der hauptberuflich bei Adidas Fußballtrikots gestaltet, früher Handball gespielt hat und 2001 ein Museum zu Ehren der Spielvereinigung Bayreuth gründete. In seinem Erstlingswerk «Der Grund ist Fußball» porträtierte er die großen Stadien dieser Welt, jetzt die kleinen Plätze in Oberfranken. Er mache da keinen Unterschied, ob es das Old Trafford in Manchester – auch bekannt als Theatre of Dreams – oder der Platz in Neideck sei. «Was außen drum herum ist, ist natürlich immer anders», sagt er, «aber in der Mitte hast du immer ein Spielfeld.» So einfach kann’s sein.
Einen Unterschied zu Sportanlagen anderswo in der Republik oder im Ausland hat er dann aber doch ausgemacht. Im Frankenland ist die Brauereidichte außerordentlich hoch, fast jedes Vereinsheim schenke ein anderes Bier aus – wie auch auf einigen seiner Fotos zu sehen ist.
Menschen findet man dagegen in dem Buch nicht, weil Rank die Plätze bei seinen Fototouren im Sommer 2022 erstens vorzugsweise morgens besuchte und zweitens vorher nie Bescheid gab. «Sonst hätten die noch extra den Rasen gemäht oder das Vereinsheim geputzt», sagt er. «Aber ich wollte die Plätze für sich sprechen lassen.» Und so sei er auch fast nie Menschen begegnet, höchstens mal einem Platzwart. Einer habe von ihm wissen wollen, was er denn hier suche – es gebe doch gar nichts zu sehen.
Bei der Durchschau des Buches muss man dem Platzwart widersprechen: war dann doch viel zu sehen. Fußballplätze vor Burgen, Fußballplätze vor Schlössern, Fußballplätze im Wald, Fußballplätze am Hang. Dazu verrostete Flutlichtmasten, Torwände, von denen die Farbe abblättert, Felder, die verwachsen mit der Natur. Und in Frakturschrift verfasste Appelle wie jener auf einer Tafel in Donndorf-Eckersdorf: «Ruhe und Ordnung sind das erste Gebot für jeden Spieler und Sportplatzbesucher.» Noch Fragen?
Die Qualität der ein-, zwei-, dreisätzigen Erklärtexte in dem Buch kann mit jener der Fotos nicht mithalten, was aber kein allzu großes Problem ist, da es sich ja ausweislich des Untertitels um «eine fotografische Reise zu den wundervollen Fußballorten der Fränkischen Schweiz» handelt – und um keine verschriftlichte. Entsprechend nehmen die Bilder den allergrößten Platz ein. Und die sind unbedingt sehenswert.
«Fränkischer Schweiß» ist im Verlag Heinz Späthling erschienen und kostet 19,90 Euro.