Eins vorweg: Es wäre durchaus möglich, eine EM mit 32 Teams auszurichten. Auf dem Kontinent Europa liegen – rechnet man Armenien, Aserbaidschan und Georgien dazu – 50 Staaten, der Kontinentalverband Uefa hat 55 Mitglieder. Die Differenz ergibt sich durch die Besonderheit des Vereinigten Königreichs, das nicht mit einer, sondern mit fünf Fußballmannschaften antritt, nämlich mit England, Schottland, Wales, Nordirland und … na? … ohne zu googeln? Südlicher. Die mit dem Felsen. Richtig: Gibraltar. Zudem dürfen die Färöer mitmachen, obwohl sie kein souveräner Staat sind, mutmaßlich auch, um Österreich zu ärgern. Außerdem spielen Zypern und Israel, obgleich geografisch in Asien gelegen, in Europa mit. Monaco und der Vatikan haben dagegen keine eigenen Nationalmannschaften, obwohl einer von beiden Staaten einen privilegierten Zugang zum Fußballgott haben könnte.
Ein Turnier mit 32 Teams hätte den großen Vorteil, dass der Modus klar und einfach wäre. Es gäbe, wie aus Weltmeisterschaften bekannt, acht Gruppen à vier Mannschaften, und die ersten beiden jeder Tabelle kämen ins Achtelfinale. Alle anderen scheiden aus. Die Zahl 32 – Nichtmathematiker bitte den Satz überspringen – ist eben eine Zweierpotenz und daher wunderbar symmetrisch.
Nun hat sich die Uefa aber seit 2016 für ein Turnier mit 24 Mannschaften entschieden, und die Zahl bringt Herausforderungen mit sich. Etwa, wie man aus 24 Teams 16 für die K.-o.-Phase auswählt. Der Verband hat sich für eine Regelung entschieden, wonach aus sechs Vierergruppen die vier besten Gruppendritten ebenfalls das Achtelfinale erreichen sollen. Um sie zu ermitteln, werden alle Gruppendritten in einer gesonderten Rangliste, der „Tabelle der Gruppendritten“, geführt, und das bringt nun während des abschließenden Gruppenspieltags einige Kuriosa hervor.
Der Modus führt zu wirklich problematischen Konstellationen
So ist es zum Beispiel der Fall, dass Mitglieder der Gruppe A einen handfesten Nachteil haben, weil sie schlicht zuerst spielen und deswegen nicht wissen, wie viele Punkte und Tore ihnen reichen werden (bei Gleichstand entscheidet zwischen den Gruppendritten die Tordifferenz, ist diese auch gleich, werden gelbe und rote Karten gezählt). Mitglieder anderer Gruppen können sich dagegen vor dem Spiel ausrechnen, was fürs Weiterkommen notwendig ist und gegebenenfalls ihre Taktik anpassen.
Das führt zu wirklich problematischen Konstellationen wie nun etwa in der Gruppe E, wo die Slowakei und Rumänien vor ihrem Spiel bereits wissen, dass ein Unentschieden beiden Nationen einen Verbleib im Turnier garantieren wird. Beide kämen auf vier Punkte und lägen damit mindestens in der Tabelle der Gruppendritten vor Ungarn (drei Punkte) und Kroatien (zwei Punkte). Beide Teams beteuern zwar, einen ehrenhaften Wettstreit anzustreben, aber sollte es zum Beispiel in der 60. Minute weiter 0:0 stehen, kann ihnen eigentlich niemand etwas vorwerfen, wenn sie kein Risiko im Angriff mehr eingehen wollen. Dafür wäre noch nicht mal eine mutwillige Absprache notwendig, es wäre einfach für beide die sinnvollste Taktik.

Meinung Fußball-WM 2026
:Weltereignis an der roten Linie
48 Teilnehmer, 104 Spiele: Das beschlossene Format für die kommende WM trägt Züge von Gigantomanie. Doch es gibt auch plausible Argumente für die Erweiterung – solange sich die Fifa an anderer Stelle weiterhin beschränkt.
Das berühmteste Nichtspiel der Fußballgeschichte ist natürlich die „Schande von Gijon“, als sich Deutschland und Österreich bei der WM 1982 nach der deutschen 1:0-Führung den Ball zuschoben, in dem Wissen, dass so nur die Algerier ausscheiden werden. Als Reaktion darauf werden seither die abschließenden Gruppenspiele parallel angesetzt, um solche Situationen zu verhindern, und aus diesem Grund verzichtet auch der Weltverband Fifa bei der kommenden WM in den USA, die mit 48 Teams ausgespielt werden wird, auf Dreiergruppen. Im Modus der Uefa sind diese Situationen, die in der Spieltheorie „Positivsummenspiel“ genannt werden, weil es in einem Wettstreit keinen Verlierer geben muss, aber wieder möglich. Es ist logistisch nämlich unmöglich, alle abschließenden Gruppenspiele gleichzeitig auszutragen. Abgesehen davon, dass das Fernsehen da auch nicht mitmachen würde.
Die Regelung mit den Gruppendritten bringt zudem weitere Unregelmäßigkeiten mit sich, etwa, dass einige Gruppensieger, wie zum Beispiel Deutschland, im Achtelfinale auf einen Gruppenzweiten treffen, andere Gruppensieger, wie zum Beispiel Spanien, auf einen mutmaßlich schwächeren Gruppendritten. Dem versucht die Uefa mit anderen wettbewerbsrelevanten Faktoren zu begegnen, etwa dadurch, dass Deutschland am kommenden Samstag zwei Tage mehr Regenerationszeit gehabt haben wird als der Gegner.
Außerdem ist es durch die Regelung möglich, mit minimalem Aufwand ins Achtelfinale zu kommen. Der berühmteste Gruppendritte der EM-Geschichte ist deswegen Portugal. Die Portugiesen gewannen 2016 kein einziges Gruppenspiel, spielten gegen Ungarn, Österreich und Island dreimal unentschieden und zogen so mit drei Punkten als drittbester Gruppendritter ins Achtelfinale ein. Am Ende wurden sie Europameister.