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Sudan: Internationale Waffenlieferungen befeuern den Krieg – Politik

by Marko Florentino
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Immer neue Fronten brechen auf im Krieg um den Sudan. Zuletzt verschärften sich Kämpfe im Südosten, in der Region Sennar. Für alle Sudanesinnen und Sudanesen, die zwischen den Fronten Hilfe ersehnen, sind das schlechte Nachrichten, weil die Gewalt Versorgungsrouten für Lebensmittelkonvois blockiert. Die Eskalation zeigt, dass die Kommandeure der großen Kriegsparteien – auf der einen Seite die sudanesischen Streitkräfte (SAF), auf der anderen die Miliz Rapid Support Forces (RSF) – auch nach 15 Monaten Krieg immer noch auf die Macht der Waffen setzen.

Sie verspüren keinen großen Drang zu verhandeln, auch wenn die USA nun hoffen, dass sie beide Seiten zu Gesprächen für eine Waffenruhe in die Schweiz an einen Tisch bringen können. Frühere Versuche in Saudi-Arabien, ein Ende der Kämpfe im Sudan auszuhandeln, sind wiederholt gescheitert.

Waffen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, China, Russland, Jemen und Serbien

Zentral für die gegeneinander kämpfenden Armeen ist der militärische Nachschub, den die Menschenrechtsorganisation Amnesty International nun in einer neuen Studie analysiert. Sie hat dafür vor allem umfangreiche Handelsdaten vergangener Jahre untersucht, die Militärexporte in den Sudan dokumentieren. Und sie hat diese Informationen dann mit Fotos und Videos von Waffen in dem afrikanischen Staat abgeglichen. So konnte sie militärisches Gerät aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, China, Russland, Jemen und Serbien verifizieren, das von den Kriegsparteien im Sudan eingesetzt wird.

Überwiegend handelt es sich um Kleinwaffen, aber auch Lieferungen gepanzerter Fahrzeuge und Drohnen sind laut Amnesty belegbar. Schwere Waffen sind nicht im Bericht enthalten. „Dafür finden sich bisher keine Belege“, sagt Rüstungsexperte Mathias John von Amnesty Deutschland. Er weist aber darauf hin, dass der Sudan ohnehin über eigene Waffenfabriken verfügt, Artilleriegeschütze und Panzer produziert.

Experten fordern die Ausweitung des Waffenembargos auf den gesamten Sudan

Zugleich deutet der Bericht auf ein großes Defizit der Internationalen Gemeinschaft hin. Sie ist nicht in der Lage, Waffenlieferungen in sudanesische Kriegsgebiete zu unterbinden. „Wir brauchen dringend eine Ausweitung des Waffenembargos auf den gesamten Sudan, und auch eines, das dann durchgesetzt und kontrolliert wird“, sagt Afrika-Koordinatorin Franziska Ulm-Düsterhöft von Amnesty Deutschland.

Seit zwanzig Jahren gibt es ein solches Embargo nur für die Kriegsregion Darfur. Aber es hat sich als wirkungslos erwiesen – vielleicht, weil in andere Regionen des Sudan Rüstungsgüter immer noch exportiert werden dürfen; sie können dann von dort weiter transportiert werden. Und auch die Nachbarn unternehmen wenig gegen verbotene Waffentransfers in die umkämpften Weiten von Darfur.

„Der Bericht dokumentiert, wie internationale Waffenlieferungen diesen Konflikt erst möglich machen und anheizen“, sagt Ulm-Düsterhöft. Und nichts weist derzeit darauf hin, dass der Bedarf an militärischem Gerät auf den Schlachtfeldern nachlässt. Im Gegenteil: Die Ausweitung der Kämpfe dürfte die Nachfrage weiter steigern. Denn die Generäle der verfeindeten Kriegsparteien, Abdel Fattah al-Burhan und Mohammed Hamdan Daglo alias Hemeti, glauben, sie könnten militärisch die Oberhand gewinnen. Nach Einschätzung eines ehemaligen hochrangigen UN-Experten „haben die beiden Armeen keinerlei Interesse daran, ihre Kämpfe einzustellen, solange der Nachschub an Waffen gesichert ist“.

Als stärkster Unterstützer der RSF gelten die Vereinigten Arabischen Emirate. Eine enge Allianz unterhält der Golfstaat mit Milizenführer Hemeti, streitet allerdings ab, für Waffenlieferungen verantwortlich zu sein. UN-Experten sehen das anders. Sie haben schon im Januar über „glaubhafte Hinweise“ berichtet, wonach die UAE mehrmals pro Woche mittels Flügen nach Tschad Waffen an die RSF geliefert hätten. Der Amnesty-Report listet nun Videoaufnahmen von gepanzerten Infanteriefahrzeugen auf, die laut den Auswertungen aus den Emiraten stammen. Die dortigen Hersteller weisen kategorisch zurück, Fahrzeuge in den Sudan exportiert zu haben.

Schreckschusspistolen können leicht in tödliche Waffen umgebaut werden

Weniger bekannt war bislang, wie umfangreich offenbar die Geschäftsbeziehungen türkischer Rüstungsfirmen in den Sudan sind, vor allem als Ausrüster der Armee SAF. Im Umlauf sind unterschiedliche Fabrikate, etwa das türkische Sturmgewehr BRG 55. Diese Geschäfte sind nicht illegal, solange es kein umfassendes Embargo für den Sudan gibt und solange die Türkei nicht dem Vertrag über den Waffenhandel (ATT) beitritt, was ein Hemmnis wäre. Der Vertrag regelt in Artikel 6, dass Länder Waffen nicht an Staaten liefern dürfen, wenn bekannt ist, dass das Gerät dort für Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen eingesetzt wird.

Allerdings zeigen Videos diese türkischen Waffen nun in Händen von RSF-Kämpfern in Darfur – ein Bruch des bestehenden Embargos für die Region. Die RSF hat immer wieder Waffen aus Beständen der SAF erbeutet. Wie genau sie an die türkischen Gewehre gekommen sind, ist unklar.

Auffällig ist der vordergründig harmlos erscheinende massenhafte Export von Schreckschusswaffen und Platzpatronen aus der Türkei in den Sudan. Experten glauben, dass sie dort umgerüstet werden. „Schreckschusspistolen in scharfe tödliche Waffen umzubauen, ist nicht kompliziert“, sagt Mathias John von Amnesty.

Von Amnesty verifiziert: Eine Aufnahme von RSF-Kämpfern mit serbischen Sturmgewehren, Typ „Zastava M05E1“, unterwegs in Sennar, Südostsudan. (Foto: privat)

Aus dem Bürgerkriegsland Jemen stammen laut Amnesty leicht modifizierte G3-Gewehre, die nun im Sudan zirkulieren, wobei unklar ist, wo sie eigentlich produziert wurden. Das G3 ist das meistverbreitete Schnellfeuergewehr der Welt, ein düsteres Erbe deutscher Exportpolitik. Zahlreiche Länder erhielten einst Lizenzen zur Herstellung der Waffe, darunter Saudi-Arabien und Iran. Deutschland lieferte in den 60er-Jahren auch selbst G3-Gewehre in den Sudan.

Von Amnesty dokumentiert sind außerdem verschiedene Waffentypen aus Russland, darunter Scharfschützengewehre des Typs Tigr DMR und halbautomatische Saiga MK. Interessant ist, dass Russland offenbar vermehrt Gewehre exportiert, die eigentlich für den zivilen Bereich vorgesehen sind, etwa als Jagdwaffen. Aus chinesischer Herkunft stammen wiederum Mörsergranaten, großkalibrige Scharfschützengewehre, die leichte Panzerungen durchbrechen, und auch sogenannte Drohnen-Jammer, also Geräte, die das Steuerungssystem der Fluggeräte stören.

China ist dem Waffenhandelsvertrag ATT beigetreten und damit auch an den Artikel 6 gebunden, der Exporte in Länder verbietet, in denen schwerste Verbrechen geschehen. Genauso wie Serbien. Von dort stammt das Sturmgewehr Zastava M05E1, das ebenfalls im Sudan zum Einsatz kommt. Nachzuweisen durch Fotos von RSF-Kämpfern in der Region Sennar, wo gerade wieder heftig gekämpft wird.



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