Table of Contents
Der Widerstand gegen das Gesetz äußerte sich in Form eines Lastwagens, der kraftvoll die Absperrung um das Parlament niederriss und den Demonstranten Tür und Tor öffnete. Tausende Menschen strömten in den Regierungskomplex, machten mit beim heftigen Protest am vergangenen Freitag in Suchumi, der Hauptstadt von Abchasien. Sie genügten für eine brachiale Wende. Eingeschüchtert gab der Präsident seinen Rücktritt bekannt, das umstrittene Abkommen mit Moskau tritt fürs Erste nicht in Kraft, demnächst soll es Neuwahlen geben. Ein kleines Gebiet düpiert das mächtige Russland.
Abchasien hat knapp 250 000 Einwohner, liegt an der Schwarzmeerküste und gehört völkerrechtlich zu Georgien. Doch die Regierung in Tiflis hat schon seit Jahrzehnten keine Kontrolle mehr über die abtrünnige Region, die von Russland unterstützt wird. Seit dem Fünf-Tage-Krieg gegen Russland im August 2008 hat Georgiens Regierung den Einfluss auf Abchasien vollständig verloren. Moskau erkannte das Gebiet als unabhängigen Staat an, was außer Russland nur noch Nauru, Nicaragua, Venezuela und Syrien gemacht haben.
Das Gesetz sollte russischen Investoren große Vorteile verschaffen
Praktisch allerdings ist Abchasien vollständig abhängig von Russland: Abchasische Beamte werden aus dem russischen Haushalt bezahlt, für die Energieversorgung fühlt sich Russland zuständig und Tausende russische Soldaten sichern Moskaus Dominanz militärisch ab. Doch ein Investitionsabkommen mit Russland ging der abchasischen Opposition jetzt zu weit. Sie stellte sich quer.
Im Oktober hatte Abchasiens Präsident Aslan Bschania einen Vertrag in Moskau unterzeichnet, der russische Investitionen in dem Schwarzmeergebiet besonders lukrativ machen würde. Acht Jahre lang sollten Investoren von Zöllen sowie einem Teil der Steuern befreit werden. Und sie sollten bevorzugt werden bei der Versorgung mit Energie und der Anbindung an die Infrastruktur. Fehlte nur noch die Ratifizierung im Parlament von Suchumi; sie war für die vergangene Woche geplant.
Viele Abchasen sehen in dem Investitionsabkommen jedoch die Gefahr, dass die abchasischen Geschäftsleute mit den russischen unter diesen Umständen nicht mehr mithalten können, dass sich die Grundstückspreise, ja das gesamte Leben deutlich verteuern würden. Dagegen liefen sie Sturm. So heftig, dass das russische Außenministerium seine Bürger vor Reisen nach Abchasien gewarnt hat.
Palmen, Meer, subtropisches Klima: Abchasien lockt russische Touristen
Abchasien ist ein eher armes, aber landschaftlich extrem anziehendes Gebiet direkt an der Schwarzmeerküste. Palmen, Meer, subtropisches Klima, grüne Gebirgslandschaft. Als es die Sowjetunion noch gab, war die Stadt Suchumi ein Hotspot der Region. Seitdem Georgien die Kontrolle verloren hat, hat es stattdessen Batumi modernisiert und zum glitzernden Urlaubsort ausgebaut. Auf den großen blauen Straßenwegweisern steht Suchumi allerdings nach wie vor, Georgien gibt das Gebiet nicht auf, auch wenn es ihm versperrt ist.
Für russische Touristen dagegen ist Suchumi durch den Krieg gegen die Ukraine noch einmal deutlich aufgewertet worden. So viele visafreie und gut erreichbare Urlaubsgebiete gibt es für sie nicht mehr. Die russische Nachrichtenagentur Interfax berichtete im Juni zu Beginn der Saison, dass Abchasien mit der Türkei um Platz eins der beliebtesten Auslandsziele konkurriere. In der russischen Logik wird Abchasien als eigenes Urlaubsland geführt. Fast 1,7 Millionen „organisierte russische Touristen“ wurden für das Jahr 2024 geschätzt.
Russland baut in Abchasien eine Militärbasis
Das hat für die abchasische Bevölkerung nicht nur Vorteile. Viele fühlen sich erdrückt und verdrängt. Schon im Sommer gab es Proteste gegen ein sogenanntes Apartmentgesetz, das Ausländern das Recht geben sollte, Immobilien in Abchasien zu kaufen. Die ausländischen Interessenten kamen natürlich vor allem aus Russland. Die Gegner des Gesetzes befürchteten einen Ausverkauf abchasischer Grundstücke. Der Entwurf wurde mit dem Protest zurückgezogen.
Moskau schäumte, drohte im Herbst mit höheren Energiepreisen und stoppte eine Zeit lang die Überweisungen an die abchasischen Behörden. Wenige Wochen später unterschrieben beide Seiten das Investitionsabkommen, das durch den Protest der vergangenen Tage erst einmal zurückgestellt wird.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow sprach von einer Krisenlage in Abchasien und zeigte sich beunruhigt. Zugleich weiß er, dass weder die bisherige Führung in Suchumi noch die Opposition einen Bruch mit Moskau wollen. Sie könnten ihn sich auch nicht leisten. Russland wird seinen Einfluss in Abchasien ohnehin weiter vergrößern. Derzeit baut es an der abchasischen Küste einen Marinestützpunkt aus, nachdem die Ukraine immer wieder die Basis der Schwarzmeerflotte auf der Krim angegriffen hat. Angekündigt hatte das Projekt der jetzt entmachtete Präsident Bschania. Sein Nachfolger wird daran nichts ändern.