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Abgeordnete fordern Konsequenzen aus Anschlag – Politik

by Marko Florentino
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Es ist ein Rätsel, über das sich die Innenpolitiker des Bundestages am Montag beugen, ein Rätsel mit vielen Unbekannten. Wie konnte es zu dem tödlichen Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg kommen – obwohl der Tatverdächtige polizeibekannt war, obwohl er aus seiner Gesinnung keinen Hehl machte, obwohl es Hinweise ausländischer Dienste gab? Geprägt vom laufenden Wahlkampf hat die politische Ursachenforschung begonnen. „Jeder Stein muss umgedreht werden, auf Länder- und auf Bundesebene“, sagt der SPD-Innenpolitiker Sebastian Hartmann. Schon aus Verantwortung gegenüber den fünf Todesopfern, deren Angehörigen und den Schwerverletzten, die für den Rest ihres Lebens gezeichnet sind. Vorwürfe von Behördenversagen stehen im Raum, von „Verantwortungsdiffusion“ ist die Rede.

Sowohl der Innenausschuss des Bundestages als auch das Parlamentarische Kontrollgremium, das die Geheimdienste überwacht, waren am Montag zu Sondersitzungen zusammengetreten. Im Zentrum standen jeweils mögliche Versäumnisse der Sicherheitsbehörden und die Frage, ob und wie die Todesfahrt des aus Saudi-Arabien stammenden Tatverdächtigen hätte verhindert werden können. Der 50-jährige Arzt war am 20. Dezember mit einem Mietwagen durch die Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg gerast. Dabei tötete er fünf Menschen und verletzte 230 weitere zum Teil schwer.

Taleb al-A. war im Laufe der Jahre wiederholt im Visier von Justiz, Polizei und anderen Behörden

In Sachsen-Anhalt nahm die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg Ermittlungen auf, nicht nur gegen den Tatverdächtigen Taleb al-A. Ihr liegen nach Angaben eines Sprechers mindestens drei Strafanzeigen gegen Verantwortliche der Stadt, der Polizei und der Gesellschaft zur Durchführung der Magdeburger Weihnachtsmärkte vor. Unter anderem gehe es dabei um den Vorwurf der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen. Neben der Frage, wieso der Weihnachtsmarkt nicht ausreichend geschützt gewesen ist, drehte sich die politische Diskussion vor allem darum, ob die Behörden Hinweisen auf eine mögliche Gewalttat durch Taleb al-A. keine ausreichende Aufmerksamkeit geschenkt haben.

Es habe so viele Hinweise gegeben, dass die Alarmlampen hätten angehen müssen, sagt etwa der FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle. Die Frage sei, warum sich die Gefahr trotzdem nicht habe abwehren lassen – und „ob sich nicht in Deutschland zu viele Sicherheitsbehörden auf zu vielen Ebenen gegenseitig auf den Füßen stehen“. Mit dem Ergebnis, dass jede einzelne Behörde am Ende sagen könne, der Fehler habe sicher woanders gelegen. Doch viel schlauer werden die Abgeordneten auch während der Sitzung nicht. „Wir alle suchen die Lücke, in der das System versagt hat“, sagt am Schluss der AfD-Abgeordnete Gottfried Curio. Dazu zählten auch Lücken bei der Umsetzung des Sicherheitskonzepts der Veranstaltung, die dem Tatverdächtigen erst die Zufahrt erlaubt hätten.

Taleb al-A., der 2006 als Student nach Deutschland gekommen war, geriet im Laufe der Jahre wiederholt ins Visier von Justiz, Polizei und anderen Behörden. 2014 verurteilte ihn das Amtsgericht Rostock zu einer Geldstrafe wegen der „Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten“. Als vehementer Islam-Gegner mit teils wirren Äußerungen galt er eher als Querulant – und fiel damit durch die üblichen Raster. Zwar konfrontierte ihn die Polizei mehrfach mit „Gefährderansprachen“, entsprechend eingestuft wurde er jedoch nicht. „Solche Täter passen in kein Täterprofil“, sagt auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nach der Sitzung des Innenausschusses. Gerade deshalb komme es darauf an, aus dem Anschlag die richtigen Konsequenzen zu ziehen. Noch aber liefen die Ermittlungen.

Stärker als ohnehin schon rückt nun auch das Thema Abschiebungen als Wahlkampfthema in den Vordergrund. „Wer eine zweite Straftat begeht, der muss in Deutschland seinen Aufenthaltsstatus verlieren. Und zwar zwingend“, forderte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann am Montag im Deutschlandfunk. Hier soll es nach dem Willen der CDU durch Änderungen im Aufenthaltsgesetz keinen Spielraum für Verwaltungsgerichte geben. Linnemann räumte ein, dass dies erst in einem weiteren Schritt auch zu vermehrten Abschiebungen führen werde.

Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz forderte grundsätzlich eine entschiedenere Migrationspolitik. Die Zahl der in Deutschland lebenden Flüchtlinge sei zu hoch, kritisierte er.  „So geht es nicht mehr weiter. Und deswegen muss man jetzt konsequenter in der Einwanderungs- und Migrationsdebatte sagen: Wir brauchen einen Politikwechsel auch in der Einwanderungspolitik“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.  Ähnlich äußerte sich Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD): „Die Willkommenskultur muss durch eine realistische Aufgeschlossenheit ersetzt werden.“

Andere warnen davor, nun von dem konkreten Fall in Magdeburg abzulenken. „Das wird der Verantwortung, die wir als Politikerinnen und Politiker haben, nicht gerecht“, sagte Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz am Rande der Innenausschuss-Sitzung. „Wir müssen verstehen, was hier falsch gelaufen ist.“ Und am Ende müsse irgendwer auch die politische Verantwortung für das Versagen übernehmen, schon der Dimension des Anschlags wegen. „Auf welcher Ebene das passiert, dem will ich nicht vorweggreifen“, sagte von Notz.

Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version hieß es, der AfD-Abgeordnete Gottfried Curio sitze dem Innenausschuss des Bundestages vor. Tatsächlich ist er Obmann der AfD-Fraktion im Ausschuss. Wir haben die entsprechende Stelle korrigiert.



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