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Afrikanische Schweinepest in Baden-Württemberg – Politik

by Marko Florentino
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Es kommt immer wieder vor, dass Ralph Steffen eine Leiche bergen muss. Dann ruft die Polizei bei ihm an, Herr Steffen, da liegt ein totes Tier an der L600, einer Landstraße südlich von Heidelberg. Bisher waren solche Einsätze Routine für den Kreisjägermeister, der Fall immer klar: ein Wildunfall. Doch normal ist in diesen Tagen nichts. Wenn Steffen einen Kadaver von der Straße ziehen muss, rückt er mit einem mulmigen Gefühl aus, mit „Bauchschmerzen“. Was hat das Tier getötet? Ein Auto? Oder etwas Schlimmeres?

Vor knapp einer Woche wurde bei einem toten Wildschwein in der Nähe von Hemsbach (Rhein-Neckar-Kreis) die Afrikanische Schweinepest nachgewiesen, kurz: ASP. Das Virus löst bei Schweinen sehr hohes Fieber und innere Blutungen aus, erkrankte Tiere sterben fast immer. Es war der erste Fall der Seuche bei einem Wildschwein in Baden-Württemberg. Seitdem herrscht Aufregung unter den Jägern. Ralph Steffen von der Heidelberger Jägervereinigung sagt am Telefon: „Wir sind hier an der Front.“

Infiziert sich ein Hausschwein, muss der ganze Bestand gekeult werden

Die Afrikanische Schweinepest ist 2020 in Deutschland angekommen, eingeschleppt über Polen. Dort grassiert die Seuche schon länger. Meistens erkranken Wildschweine, mehr als 5900 nachgewiesene Fälle gab es bislang in Deutschland. Sehr viel seltener erwischt es Hausschweine, was für die betroffenen Landwirte allerdings nur ein schwacher Trost ist. Denn sobald ein Tier infiziert ist, müssen alle gekeult werden. Die wirtschaftlichen Folgen sind groß, weil es um die Existenz geht, wenn plötzlich der gesamte Bestand geschlachtet werden muss. Das Virus beeinflusst auch die große Wirtschaftspolitik: Seit 2020 darf aus Deutschland zum Beispiel kein Schweinefleisch mehr nach China exportiert werden, wegen der Schweinepest.

Es steht also einiges auf dem Spiel. Deshalb mobilisieren sie gerade in Baden-Württemberg alle Kräfte, um die Ausbreitung einzudämmen. Ein Problem ist, dass das Virus in Kadavern viele Wochen überlebt. Und dass Wildschweine alles fressen, auch ihre toten Artgenossen. Daher fliegen Experten die Felder mit Drohnen ab und suchen verendete Tiere.

Um den Fundort bei Hemsbach wurden Sicherheitszonen eingerichtet. In der inneren Zone, einem 15-Kilometer-Radius, herrscht Jagdverbot, um die Wildschweine nicht aufzuschrecken. Außerhalb gibt es eine Pufferzone, hier sollen Jäger wie Ralph Steffen umso intensiver jagen. Das Ziel: Kranke Tiere sollen keine Artgenossen mehr finden, die sie anstecken können. Es geht darum, Kontakte zu vermeiden. „Ein bisschen wie bei Corona“, sagt Steffen, „nur dass man dem Schwein keine Maske aufsetzen kann.“

Dass die ASP nun auch in Baden-Württembergs Wäldern angekommen ist, hat ihn nicht wirklich überrascht. Seit Juni häufen sich die Fälle im benachbarten Hessen, da sei es nur eine Frage der Zeit gewesen, sagt er. In Hessen blieb die Seuche allerdings nicht auf die Wildschweine begrenzt. Auch acht Hausschweine haben sich in unterschiedlichen hessischen Betrieben infiziert, hinzu kommt ein krankes Mastschwein in Mecklenburg-Vorpommern. Allein bei einem Landwirt in Stockstadt mussten 1100 Tiere notgeschlachtet werden.

Es gibt nur Theorien, wie das Virus vom Wald in den Stall kommt

Neun infizierte Hausschweine, das klingt erst mal überschaubar, für deutsche Verhältnisse sind das aber ungewöhnlich viele. Seit 2020 gab es bislang erst 17 registrierte Infektionen bei Hausschweinen, mal waren es vier in einem Jahr, mal nur ein einziges. „Wir sehen einen Sommer-Peak“, sagt Carola Sauter-Louis, die am Friedrich-Loeffler-Institut in Greifswald den Fachbereich Epidemiologie leitet. So etwas habe es in Deutschland noch nicht gegeben, „in anderen europäischen Ländern beobachten wir diese Saisonalität allerdings regelmäßig“.

Wie das Virus vom Wildschwein in den Schweinestall gelangt, dazu gibt es bislang nur Theorien. Denkbar ist, dass Mücken das infizierte Blut vom Wildschweinkadaver im Wald in den Stall transportieren. Experten halten aber für wahrscheinlicher, dass der Mensch eine Rolle spielt. Zum Beispiel, wenn er mit dreckigen Schuhen in den Stall geht.

Die Frage ist nun, ob sich Virus eindämmen lässt. In Baden-Württemberg stellen sie gerade viele Kilometer Elektrozaun auf, suchen nach Kadavern, nehmen Proben. Ob das erfolgreich ist? „Eine Prognose ist sehr schwierig“, sagt Sauter-Louis. Aber es gebe positive Erfahrungen aus Ländern wie Brandenburg oder Sachsen, die schon länger mit der Seuche zu tun haben: „Die Bekämpfungsmaßnahmen haben gezeigt, dass es mit großer Anstrengung gelingt, die ASP in Gebieten zu eliminieren – oder zumindest stark zurückzudrängen.“

Die Population der Wildschweine schwankt von Region zu Region

Was in keinem Fall schaden kann, sind Jäger, die sich nun besonders fleißig auf die Wildschweinjagd begeben. Das tun sie im Rhein-Neckar-Kreis auf jeden Fall, versichert der Kreisjägermeister Ralph Steffen. Allerdings schwanken die Wildschweinpopulationen von Ort zu Ort erheblich. Bei ihm, in Gaiberg und Heidelberg, sei der Bestand „an der Untergrenze“. Weil sie ja wussten, dass die Schweinepest früher oder später auftaucht. In anderen Ecken, in Lampertheim oder Sandhofen, gebe es „wahnsinnig viele“ Wildschweine. „Aber nicht, weil die Jäger so faul sind“, betont Steffen, sondern weil die Bedingungen für die Jagd so kompliziert seien. Es gebe dort zum Beispiel große Getreideschläge, in denen sich die Tiere verstecken können.

Außerdem sind dort viele Menschen im Wald unterwegs, Mountainbiker, Geocacher. Auch nachts. Die Jagd werde immer anspruchsvoller, sagt Steffen. „Manchmal hast du eine Sau schon im Fadenkreuz drin, dann hörst du ein Klappern, weil von rechts ein Mountainbiker kommt – und das Tier ist weg.“ Die Stunden im Hochsitz: umsonst. Wenn ein Jäger Glück hat, schießt er in einer Nacht ein, vielleicht zwei Wildschweine, sagt Steffen. Und wenn er Pech hat, keines.



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