Es war die immer gleiche Frage und es kam die immer gleiche Antwort. Hält Airbus wirklich an dem Ziel fest, 2035 ein mit Wasserstoff angetriebenes Flugzeug auf den Markt zu bringen? Die Antwort bislang: ja. In letzter Zeit allerdings hatte Airbus-Chef Guillaume Faury seiner Antwort immer noch eine Warnung beigefügt. Die Infrastruktur, um massenweise grünen Wasserstoff zu produzieren und dann an Flughäfen zu verteilen, komme viel zu langsam voran und drohe, den Wechsel zu einem nachhaltigeren Treibstoff für Flugzeuge zu verzögern.
Dass etwas im Busch war, hat sich also abgezeichnet. Nun hat Airbus gegenüber der französischen Gewerkschaft Force Ouvrière, die einen Teil der Airbus-Mitarbeiter vertritt, erstmals eingeräumt, dass sich das Wasserstoff-Projekt massiv verzögern wird, nämlich um bis zu zehn Jahre. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung in dem Bereich werden demnach um 25 Prozent gekürzt, wichtige Tests verschoben.
In einer Stellungnahme erklärte sich Airbus zu den Gründen, ohne aber einen neuen Zeitplan zu nennen. „Wasserstoff hat das Potenzial, eine transformative Energiequelle für die Luftfahrt zu sein. Wir erkennen aber, dass die Entwicklung eines Wasserstoff-Ökoystems inklusive Infrastruktur, Produktion, Verteilung und eines regulatorischen Rahmens eine riesige Herausforderung ist, die weltweiter Zusammenarbeit und Unterstützung bedarf.“ Jüngste Entwicklungen würden andeuten, dass der Fortschritt bei Schlüsselthemen, vor allem der Verfügbarkeit von Wasserstoff, produziert mit erneuerbaren Energiequellen, langsamer sei als erwartet.
Airbus betonte trotzdem, man halte an dem Ziel fest, „ein kommerziell erfolgreiches, vollelektrisches und von Wasserstoff angetriebenes Flugzeug auf den Markt zu bringen. Dieses Vorhaben orientiert sich an unserem Ziel, die Dekarbonisierung der Luftfahrt anzuführen und die langfristigen Nachhaltigkeitsziele der Industrie zu unterstützen.“

Die Luftfahrtbranche hat sich vorgenommen, bis 2050 klimaneutral zu sein, ein Ziel, das auf mindestens ebenso viel Skepsis stößt wie das nun verschobene Wasserstoff-Flugzeug aus dem sogenannten „ZEROe“-Projekt. Airbus hatte in den vergangenen Jahren versucht, eine Führungsrolle in der Transformation der Luftfahrt hin zu einer nachhaltigeren Industrie einzunehmen. Dass der Zeitplan nun nicht zu halten ist, ist für den Konzern, aber auch für die Branche ein zwar erwarteter, aber doch schwerer Rückschlag.
Der Konkurrent Boeing ist schon länger sehr skeptisch
Allerdings gingen Institutionen wie der Airline-Verband International Air Transport Association (IATA) in ihren Prognosen immer schon davon aus, dass Wasserstoff für die Klimaziele des Jahres 2050 wie Elektroflugzeuge eine eher untergeordnete Rolle spielen würden. Auch Airbus sah das Potenzial der Technologie vor allem für die zweite Hälfte des Jahrhunderts. Konkurrent Boeing war von vorneherein deutlich skeptischer. Nun dürfte Wasserstoff in diesem Zeitrahmen praktisch gar keinen Beitrag leisten.
Die Fluggesellschaften setzen kurz- und mittelfristig vor allem auf den Einsatz von nachhaltig produzierten und synthetischen Flugbenzin, das sie ohne große technischen Änderungen in den heutigen Flugzeugen einsetzen können. Die sogenannten Sustainable Aviation Fuels (SAF) sollen etwa zwei Drittel des Beitrags zur Klimaneutralität leisten, den Rest werden der Industrie zufolge Instrumente wie CO₂-Kompensation, effizientere Flugzeuge und Flugsicherung beisteuern. Bei SAF bestehen aber im Prinzip die gleichen strukturellen Probleme wie beim Wasserstoff: Niemand weiß, wie in so kurzer Zeit eine so große Menge an nachhaltigem Treibstoff produziert werden kann und wer die enormen zusätzlichen Kosten dafür tragen soll.
Die Nachfrage nach Flugreisen steigt wieder deutlich
Der Kohlendioxid-Ausstoß der zivilen Luftfahrt ist in den vergangenen Jahren nach der Corona-Pandemie wieder deutlich gestiegen statt gesunken. Die Branche ist wegen der hohen Nachfrage nach Flugreisen schnell gewachsen. Der technische Fortschritt war nicht schnell genug, um die Emissionen zu reduzieren. Wegen gestörter Lieferketten und der Krise bei Boeing haben sich viele Fluggesellschaften auch dafür entschieden, ältere und ineffiziente Maschinen deutlich länger weiterzufliegen als geplant.
Im Rahmen des ZEROe-Projekts wollte Airbus zunächst ein Regionalflugzeug mit etwa 100 Sitzen bauen. Die Maschine wäre damit deutlich kleiner gewesen als die Boeing 737 und der Airbus A320neo, die in ihren Standardversionen Platz für etwa 180 Passagiere haben und auf eine viel größere Reichweite kommen.
Mit der Entscheidung, die Wasserstoff-Forschung bis auf Weiteres abzubremsen, erhöht sich der Druck, anderswo schnellere Fortschritte zu machen. Allerdings haben Airbus und Boeing zuletzt auch die Aussichten auf konventionelle Nachfolger der 737– und A320neo-Baureihen gedämpft – diese werden wohl nach heutigem Stand erst Ende der 2030er-Jahre angeboten, wenn die Triebwerksindustrie eine neue Motorengeneration entwickelt hat.