Am Sonntagvormittag wurde der kanadisch-amerikanische Anti-Walfang-Aktivist Paul Watson in der grönländischen Hauptstadt Nuuk festgenommen. Watson war dort mit dem Flaggschiff seiner Captain Paul Watson Foundation (CPWF) und 25 Crewmitgliedern angelandet, um aufzutanken, und wurde sofort nach der Landung von dänischen Polizeibeamten in Gewahrsam genommen. Das Schiff ist nach Angaben der CPWF in den Nordpazifik unterwegs, um dort das japanische Walfangschiff Kangei Maru aufzuspüren, das ihrer Meinung nach illegalerweise wieder Jagd auf Wale in internationalen Gewässern betreiben will. Watson wurde noch am selben Tag dem zuständigen Bezirksgericht vorgeführt, das darüber entscheiden soll, ob er an Japan ausgeliefert werden darf. Er sitzt nun bis auf Weiteres im Arrest in Nuuk.
Watson ist Gründer der CPWF und der Organisation Sea Shepherd Conservation Society, aus der er im Streit 2022 ausgeschieden ist. Er kämpft seit 1975 gegen den internationalen Wal- und Robbenfang, seine Organisation hat sich der „Verteidigung des Meereslebens durch eine einzigartige Strategie aggressiver Gewaltlosigkeit und Maßnahmen gegen illegale Aktivitäten, die das Meeresleben ausbeuten“, verschrieben. Diese Aggressivität findet sich zuweilen in ihren Mitteln wieder. So rammte Watson Walfänger, bewarf ihre Schiffe mit stinkender Buttersäure, um den Verkauf des Fangs zu verhindern, oder beschoss sie mit einer Wasserkanone, um sie beim illegalen Haifang zu stören – so geschehen in Costa Rica 2002.
In Japan drohen Watson bis zu 15 Jahre Haft, befürchten Mitstreiter
Festgenommen wurde Watson aufgrund einer von Japan erlassenen Red Notice, also einem Ersuchen, den Aufenthaltsort einer bestimmten Person zu ermitteln, diese vorläufig festzunehmen und anschließend auszuliefern.
Lockhart MacLean, Leiter der Schiffsoperation der CPWF, sagte im Facetime-Interview mit der SZ aus der Kajüte der John Paul DeJoria, dem Aktionsschiff der CPWF. Japan habe diese neue Red Notice wohl im März ausgegeben, basierend auf „jahrzehntealten Vorwürfen“. Watson hatte zwischen 2005 und 2015 immer wieder versucht, japanische Schiffe in antarktischen Gewässern am Walfang zu hindern. Schon damals hatte das Land eine Red Notice gegen ihn erwirkt. Die aber war 2014 für nichtig erklärt worden. „Nicht Watson hat damals illegal gehandelt“, sagt MacLean. „Sondern Japan: Der Internationale Gerichtshof hat das japanische Walfangprogramm 2014 für illegal erklärt.“
Seit 1986 verbietet ein Moratorium der Internationalen Walfangkommission (IWC) die kommerzielle Jagd auf Wale. Japan stellte den Walfang danach nicht ein, sondern behauptete dem IWC gegenüber, nur noch „zu wissenschaftlichen Zwecken“ Jagd auf Wale zu machen, was weiterhin erlaubt war – sowohl in der Antarktis als auch im Nordpazifik. Laut der Tierschutzorganisation Pro Wildlife haben die Japaner zwischen 1986 und 2018 mehr als 17 000 Wale getötet und die allermeisten zu Lebensmitteln verarbeitet.
2012 wurde Watson aufgrund eines Auslieferungsbefehls aus Costa Rica in Deutschland festgenommen, kam aber auf Kaution frei. Als er erfuhr, dass auch Japan nach ihm sucht, weil er angeblich bei seinen Einsätzen in der Antarktis das Leben japanischer Walfänger gefährdet habe, floh er aus Deutschland und blieb auf hoher See, bis der IGH die japanische Red Notice einkassierte. Seitdem lebte er unter anderem in Frankreich und den Vereinigten Staaten.
Lockhart MacLean war am Sonntag im Gerichtssaal anwesend. Er wundert sich darüber, dass Dänemark „für Watsons Verhaftung extra 14 Polizisten und eine Staatsanwältin nach Nuuk einfliegen ließ“. In einem Pressetext der CPWF bat Lockhart MacLean „die dänische Regierung inständig, Kapitän Watson freizulassen und nicht auf diese politisch motivierte Forderung einzugehen“.
Paul Watson hat Einspruch gegen seine Verhaftung eingelegt. Nun hat das nächsthöhere Gericht vier bis fünf Tage Zeit, um darüber zu befinden. Spätestens am 15. August muss das dänische Justizministerium entscheiden, ob Watson an Japan ausgeliefert wird. Dort, so MacLean, drohen ihm „mindestens 15 Jahre Haft“.