Mitte Januar wird der Wahlkampf der einstigen Ampelpartner voraussichtlich eine kurze Unterbrechung finden. Die Koalitionäre von einst haben andere Termine, aufschieben lassen sie sich nicht: Sie müssen über den Atomausstieg von 2023 aussagen, vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss.
So jedenfalls sieht es dessen Terminplanung nun vor. Demnach soll am 15. Januar, einem Mittwoch, neben Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) und Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt (SPD) auch deren einstiger Kabinettskollege Christian Lindner aussagen, der Ex-Finanzminister von der FDP. Tags darauf müssen dann die Spitzen der Restregierung antreten, Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Vizekanzler Robert Habeck von den Grünen. Den krönenden Abschluss will sich der Abschluss nicht nehmen lassen. Viel spricht dafür, dass dies dann doch wieder Wahlkampf wird, vor allem für die Union.
Mit dem Machtwort des Kanzlers
Erst seit sechs Wochen laufen die Vernehmungen im Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestages. Sie sollen klären, inwieweit die Entscheidungen rund um den Atomausstieg 2022 von politischen Interessen beeinflusst waren. Seinerzeit stand die Abschaltung der drei verbliebenen Atomkraftwerke an, gleichzeitig führte Russlands Einmarsch in der Ukraine und der folgende Stopp von Gaslieferungen zur Energiekrise. Die Ampel stritt darüber, ob und für wie lange die Laufzeiten der noch in Betrieb befindlichen Atomkraftwerke verlängert werden könnten. Vor allem die FDP trat dafür ein, die Meiler möglichst lange laufen zu lassen, die Grünen waren zurückhaltend. Am Ende setzte Kanzler Scholz eine Laufzeitverlängerung um dreieinhalb Monate per Machtwort durch.
Die Opposition wähnt dahinter parteipolitisches Kalkül: Den Grünen sei der Atomausstieg wichtiger gewesen als das Wohl des Landes. Harte Belege für diese Sichtweise fehlen bis heute. Die Union wollte sie im Ausschuss aber weiter untermauern. Am deutlichsten gestützt wurde sie in den bisher zwölf Sitzungen des Ausschusses durch die Aussage des ehemaligen wissenschaftlich-technischen Geschäftsführers der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit, Uwe Stoll. Er bezeichnete einen gemeinsamen Vermerk von Umwelt- und Wirtschaftsministerium vom 7. März 2022, wonach ein Weiterbetrieb aus Sicherheitsgründen nicht mehr vertretbar gewesen sei, als „fehlerhaft“ und vor allem politisch motiviert. Andere Zeugen traten dem Verdacht entgegen, es habe Denkverbote gegeben oder fachliche Argumente seien nicht gehört worden.
Ursprünglich war geplant, die Entscheidungsfindung der Ampel-Regierung gründlich aufzuarbeiten, mehr als 300 Zeugen sollten aussagen. Damit hätte sich der Ausschuss in die heiße Phase des Wahlkampfes gezogen, selbst wenn die Ampel nicht vorzeitig zerbrochen wäre. Jetzt sind für die nächsten Wochen noch 28 Zeugen geladen, vor allem Führungspersonal. Neben den Chefs aus den Energiekonzernen soll kurz vor Weihnachten auch Habecks einstiger Staatssekretär Patrick Graichen vernommen werden. Er war im Frühjahr 2023 über die sogenannte Trauzeugenaffäre gestürzt.
Man werde nun die Beweisaufnahme „ordentlich abschließen“, sagt Jakob Blankenburg, der SPD-Obmann im Gremium. Allerdings habe die Union den Ausschuss von Anfang an aus wahltaktischen Gründen betrieben. „Hieran hat sich durch die vorgezogene Neuwahl nichts geändert.“ Andreas Lenz, für die CSU Obmann im Ausschuss, sieht vor allem ein Interesse an Aufklärung. „Natürlich fallen die Vorladungen in die Zeit vor der Wahl“, sagt er. Ohne Ampel-Aus wäre das nicht anders gewesen. „Aber es liegt ja immer am jeweiligen Minister, ob die Vorwürfe entkräftet werden können oder eben nicht.“