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Attentat auf Sikh-Aktivisten: Kanada wirft Indien Mord und Erpressung vor – Politik

by Marko Florentino
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Es steht miserabel um die Beziehungen zwischen Kanada und Indien, und Anfang dieser Woche sind sie nochmals schlechter geworden: Ottawa hat sechs hochrangige Diplomaten des Landes verwiesen, darunter auch den indischen Botschafter. Indien hat seinerseits die Sanktion erwidert, sechs kanadische Diplomaten müssen Delhi verlassen. Die gegenseitigen Ausweisungen markieren einen neuen Tiefpunkt, aber die Vorwürfe haben es in sich.

Der Chef der kanadischen Polizei, Mike Duheme, sprach von eindeutigen Beweisen, wie „umfassend Vertreter der indischen Regierung kriminelle Aktivitäten“ in Kanada orchestriert hätten. Gegen 30 Personen seien Verfahren eingeleitet worden, es gehe unter anderem um Mord und Erpressung. Laut Duheme hat die Polizei aufgedeckt, dass das Leben von mehr als einem Dutzend indischstämmigen Sikh-Aktivisten in Kanada „glaubwürdig und unmittelbar bedroht“ sei.

Diplomaten sollen Sikh-Aktivisten ausspioniert haben

In Kanada ist man seit dem 18. Juli 2023 alarmiert, als maskierte Männer in der Nähe von Vancouver den Sikh Hardeep Singh Nijjar erschossen. Er war bekannt als führender Aktivist der sogenannten Khalistan-Bewegung. Diese Kräfte wollen in Indien einen eigenständigen Staat für die religiöse Minderheit der Sikh schaffen. Für Indien war Nijjar ein Terrorist. Insofern ist der Streit um die Sikh-Bewegung in Indien vor allem ein Thema, das die eigene Souveränität und die innere Sicherheit betrifft. Auf dem Subkontinent gilt Kanada als Rückzugsraum für Terroristen. Nirgendwo außerhalb Indiens leben mehr Sikhs, nämlich etwa 770 000.

Kanadas Premier Justin Trudeau hatte bereits vor einem Jahr der indischen Regierung vorgeworfen, für den Mord verantwortlich zu sein. Am Montag sagte Trudeau erneut, dass Kanada es nie tolerieren werde, „dass eine ausländische Regierung kanadische Bürger auf kanadischem Boden“ bedrohe und töte. Laut Washington Post gehen die Behörden in Ottawa davon aus, dass Indien auch für den Tod von Sukhdool Singh verantwortlich ist: Der Sikh war im September 2023 in Winnipeg erschossen worden.

Offenbar sollen die in der Hauptstadt Ottawa ebenso wie in Toronto und Vancouver stationierten Diplomaten Sikh-Aktivisten ausspioniert haben, bevor sie Aufträge an Verbrecher vergaben. Der bei den eigenen Wählern unbeliebte Trudeau, den seit Wochen Mitglieder der eigenen Partei zum Rückzug drängen, sagte in seiner Pressekonferenz auch, dass er Indiens Premier Narendra Modi wenige Tage vorher in Laos mit den Anschuldigungen konfrontiert habe: „Ich sagte ihm, dass die Angelegenheit sehr, sehr ernst genommen werden muss.“ Da Indiens Bereitschaft, mit den kanadischen Behörden zu kooperieren, auch nach dem Gespräch der Regierungschefs nicht zunahm, wurden die Ausweisungen angeordnet. 

Indien sieht sich als Opfer einer „Schmierkampagne“

Die jüngsten Vorwürfe Kanadas gegen seine Diplomaten nannte die Regierung in Delhi eine „Schmierkampagne“. Es wird vermutet, Trudeau wolle damit in Kanadas Sikh-Gemeinde politisch punkten. So teilte das indische Außenministerium mit: „Die Trudeau-Regierung hat wissentlich Raum geschaffen für gewalttätige Extremisten und Terroristen, die indische Diplomaten und Leiter von indischen Gemeinden in Kanada bedrängen und einschüchtern.“

In Indien ist das Thema stark emotional aufgeladen, was mit der Geschichte des Konflikts um die Sikh zu tun hat. In Erinnerung ist vielen noch der Air-India-Flug 182 am 23. Juni 1985 von Montreal nach Delhi, auf dem eine Boeing 747 vor der irischen Küste von einer Bombe im Gepäckraum zerrissen wurde. Alle 329 Menschen an Bord starben. Mutmaßliche Sikh-Extremisten wurden damals in Kanada verhaftet, doch nur einer zu einer Haftstrafe verurteilt. Die Anklage gegen den mutmaßlichen Drahtzieher war offenbar zu dünn, er kam frei, wurde später in Indien erschossen. Zwei weitere Verdächtige wurden wegen Mangels an Beweisen freigesprochen.

Der Anschlag der Sikh-Extremisten auf das Flugzeug gilt als Vergeltung für den Sturm der indischen Armee auf den Goldenen Tempel in Punjab, das zentrale Heiligtum der religiösen Sikh-Gemeinde. Angeordnet hatte ihn 1984 die damalige Premierministerin Indira Gandhi, um militante Sikhs zu besiegen. Am 31. Oktober 1984 wurde Gandhi von ihren eigenen Sikh-Bodyguards ermordet – aus Rache für den Angriff auf den Tempel. Viele Inder haben diesen traumatischen Moment nicht vergessen.

Die kanadischen Vorwürfe sorgten für Unruhe, auch weil die indische Presse Hinweise publiziert, wonach Ottawa in enger Absprache mit Washington vorgehen soll. Der Indian Express zitiert einen hochrangigen Beamten, der im Schutze der Anonymität die jüngsten Gesprächsrunden zur Klärung des Streits als „Hinterhalt von sowohl Amerikanern als auch Kanadiern“ beschreibt.

2023 sollte ein mutmaßlicher Auftragskiller einen weiteren Sikh-Aktivisten in New York ermorden, ein Plan, der fehlschlug. Ankläger in Manhattan gehen davon aus, dass ein Vertreter des indischen Staates die Tat in Auftrag gegeben hat, ein brisanter Vorwurf für den indischen Staat, der in den vergangenen Jahren aus strategischen Gründen näher an die USA herangerückt ist. Delhi sucht potente Partner in der Rivalität mit China. Der Fall in New York dürfte die Beziehungen Indiens zu den USA weiter belasten.



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