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Ausstellung Obersalzberg: Albert Speer als Lieblingsnazi der Nachkriegsdeutschen – Bayern

by Marko Florentino
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Ob er in dieser Zeit je den Namen Auschwitz gehört habe? Der Mann, der all die Jahre Teil des engsten Kreises um Adolf Hitler war, der dessen Stararchitekt und ab 1942 Rüstungsminister des NS-Regimes gewesen ist, durfte damit rechnen, dass ihm der Zeithistoriker und Großpublizist Joachim Fest diese Frage stellen würde. Und Albert Speer hatte ja auch schon viel länger Zeit gehabt, sich Antworten zurechtzulegen, nachdem ihn die Alliierten als Kriegsverbrecher zu 20 Jahren Haft verurteilt hatten. Den Namen Auschwitz, so antwortete er also 1969 im Interview mit Fest, habe er «nicht direkt gehört». Und die Deutschen waren zufrieden: Wenn schon Speer nichts gewusst habe – wie dann wir?

Speers Leugnen und Lügen, sein stetes Beschönigen und sein dauerndes «Ach, hätte ich nur nachgefragt!» haben lange nachgewirkt in Deutschland. Sogar in der 1999 eröffneten Dokumentation Obersalzberg war ein Abschnitt der alten Dauerausstellung mit jener «merkwürdigen Leere» überschrieben, die laut Speer einst am Obersalzberg geherrscht habe. Demnach habe Hitler hier lange zu schlafen gepflegt und dafür nachts alle umso ausdauernder mit seinen Monologen gelangweilt. Dass der Obersalzberg kein idyllisches Feriendomizil war, sondern ein Ort, an dem Menschheitsverbrechen geplant und angeordnet wurden, hatte aber schon jene alte Dauerausstellung gezeigt. Erst recht tut es die jetzige im Neubau der Dokumentation, der im vergangenen Herbst eröffnet wurde. Dort ist seit Freitag unter dem Titel «Albert Speer in der Bundesrepublik. Vom Umgang mit deutscher Vergangenheit» nun die erste Sonderausstellung zu sehen.

Martina Christmeier und Alexander Schmidt haben sie 2017 für das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände in Nürnberg konzipiert, sie beruht auf den Recherchen von Magnus Brechtken. Der stellvertretende Leiter des Münchner Instituts für Zeitgeschichte, das inhaltlich auch die Dokumentation Obersalzberg verantwortet, hat ebenfalls 2017 die erste wissenschaftliche Biografie Speers vorgelegt. Am Donnerstag hat er die Ausstellung am Obersalzberg mit einem Vortrag eröffnet.

Sie fügt sich nahezu perfekt zur Dauerausstellung, auch weil der stellvertretende Doku-Leiter Albert Feiber die deutschlandweit schon an einer Handvoll Orten gezeigte Speer-Schau um viele Details zum Obersalzberg ergänzt hat. Hier im «Führersperrgebiet» hatte Speer, der schon seit 1931 NSDAP-Mitglied war und stets die Nähe Hitlers gesucht hat, spätestens seit 1938 seinen ständigen Wohnsitz. Das Haus hatte zuvor einer jüdischen Familie gehört. Bei den meisten Berchtesgadenern heißt es trotzdem noch «Speer-Haus» – zu Unrecht, wie sein heutiger Bewohner betont, der Unternehmer und Grünen-Lokalpolitiker Bartl Wimmer.

Bis in die Neunzigerjahre wollte man hier den Obersalzberg und damit ganz Berchtesgaden als unbelastetes und unschuldiges Ferienidyll wahrnehmen und dargestellt wissen. Auch den Berchtesgadenern kam Speer also gerade recht mit seinen schöngefärbten Schilderungen, in denen er sich selbst als Technokraten inszenierte, dem Hitlers Anwesenheit zwar eher lästig gewesen sei, der sich aber von dessen Aura habe verführen lassen.

Albert Speer: Kurator Alexander Schmidt hat schon vor sieben Jahren in Nürnberg dazu aufgerufen, die alten Speer-Bücher aus den Regalen zu holen. Mehrere Stapel davon sind nun Teil der Sonderausstellung am Obersalzberg.

Kurator Alexander Schmidt hat schon vor sieben Jahren in Nürnberg dazu aufgerufen, die alten Speer-Bücher aus den Regalen zu holen. Mehrere Stapel davon sind nun Teil der Sonderausstellung am Obersalzberg.

(Foto: Matthias Köpf)

Der scheinbar gute Nazi Speer, auch das zeigt die Ausstellung, stieß mit seinen genau kalkulierten Lügen, die er seit der Haftentlassung 1966 wieder und wieder vorgetragen hat, auf ein dankbares Publikum. Das hat dem ohnehin schwerreichen Karrieristen und Erben zu Tausenden die Bücher mit seinen angeblichen Erinnerungen abgekauft. Einige Stapel davon sind nun Teil der Ausstellung. Kurator Alexander Schmidt hatte 2017 dazu aufgerufen, den alten Bestseller aus den Schränken zu holen und dem Nürnberger Dokuzentrum zu überlassen. Ungefähr 300 Stück seien es wohl geworden, sagt Schmidt – etwa ein Drittel dessen, was der gleiche Verlag heute noch pro Jahr an Speer-Büchern absetze.

Nicht nur der Verleger Wolf Jobst Siedler oder Publizisten wie Fest profitierten von Speer. Auch die allermeisten anderen Journalisten und Historiker verließen sich gern auf das, was der ihnen berichtete. Dabei zeigt Brechtken, dass früh Quellen zugänglich gewesen wären, die Speers Lügen widerlegen. Denn Speer hat es sehr wohl gewusst. Für den Ausbau von Auschwitz genehmigte er 13,7 Millionen Reichsmark, erhielt darüber detaillierte und bebilderte Berichte und ließ KZ-Häftlinge zur Zwangsarbeit heranziehen. Aufgedeckt hat vieles aber erst ein junger Doktorand namens Matthias Schmidt. Seine Dissertation erschien 1982, ein Jahr nach Speers Tod. Ein ehemaliger Mitarbeiter Speers hatte ihm Dokumente zugänglich gemacht – aus Enttäuschung über Speers öffentlich so betonte Abkehr vom Nationalsozialismus.



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