Julia Wiens, Chefin der Versicherungsaufsicht bei der Bafin, fand deutliche Worte. Die Behörde hat bei bislang 13 Lebensversicherern die Kosten und die Zahl der Kündigungen durch Kunden untersucht, weitere sollen folgen. „Was wir da bislang herausgefunden haben, gefällt uns überhaupt nicht“, sagte Wiens bei einer Fachtagung. Wiens war bis Ende 2023 Vorstandsmitglied des Versicherers Baloise.
Nicht alle fondsgebundenen Lebensversicherungen schafften einen „angemessenen Kundennutzen“, sagte Wiens. „Hier müssen mehrere Unternehmen dringend nachbessern.“
In manchen Fällen seien die Kosten viel zu hoch. Bei diesen Gesellschaften liegen die Effektivkosten für Kundinnen und Kunden, die vorzeitig kündigen, bei vier Prozent der insgesamt eingezahlten Beiträge. Das müsse man erst einmal durch die Kapitalanlagen verdienen, so Wiens. „Mal Hand aufs Herz: Welche Rendite erzielen die Fonds in Ihren Produkten? Oder anders gefragt: Würden Sie solche Produkte guten Freunden empfehlen?“, fragte sie die Versicherer im Publikum.
Die vorzeitige Kündigung ist nicht die Ausnahme: Nach 40 Jahren haben 70 Prozent aller Kunden ihre Lebensversicherung gekündigt, so die Bafin – und dabei entsprechend draufgezahlt.
Bei den Kosten stören die Behörde auch die Rückvergütungen: Fondsgesellschaften zahlen eine zusätzliche Provision an Vertriebe aus, damit vor allem Verträge mit ihren Fonds verkauft werden. Die Kunden tragen auch diese Kosten. Bekannt wurde das Vorgehen bei dem Großvertrieb DVAG, der Policen der Generali verkauft.
Inzwischen hat sich die Generali auf Druck der Bafin bereiterklärt, Kunden aus den Jahren 2021 bis 2023 einen Teil der Kosten zu erstatten. Im Juli 2024 wurde bekannt, dass die zu Talanx gehörende Targo Lebensversicherung drei Lebensversicherungsangebote vom Markt genommen hat. Hintergrund waren zu hohe Kündigungsquoten, die der Bafin aufgefallen waren. Solche Praktiken, die einseitig zu Lasten Versicherten gehen, hält sie für nicht akzeptabel. „Wenn ein angemessener Kundennutzen fehlt, wenn ein Produkt also nicht den Bedürfnissen des Zielmarkts entspricht, dann ist das ein Missstand, wie er im Buche steht.“
Die Bafin werde die Missstände beseitigen. „Wir haben verschiedene Möglichkeiten einzugreifen: Wir können beispielsweise den Vertrieb von Produkten oder den Vertrieb über bestimmte Vertriebsgesellschaften untersagen“, erklärte Wiens. „Wir können aber auch Maßnahmen gegenüber einzelnen Vorstandsmitgliedern verhängen, wenn deren fachliche Eignung angesichts von Missständen in Frage steht.“ Diese können von einem missbilligenden Schreiben über eine Verwarnung der Führungskraft bis zu ihrer Abberufung führen, konkretisierte Wiens.
Die Aufsicht erwarte zudem, dass die Versicherer auch den Umgang mit bereits abgeschlossenen und stornierten Verträgen prüfen. „Hier sehen wir übrigens ebenso die Aktionärinnen und Aktionäre der Lebensversicherer in der Pflicht“, sagte Wiens. „Denn sie haben in der Vergangenheit ja auch vom Vertrieb der Produkte mit fehlendem Kundennutzen profitiert.“