Im Committee Room 14 soll es eng zugegangen sein am Mittwochnachmittag, das berichten die, die dabei waren. Eng im wörtlichen Sinn, der Raum im Londoner Parlamentsgebäude war voll, es war schließlich die vorletzte Runde im monatelangen Wettbewerb der Tory-Kandidaten um die Nachfolge des Noch-Parteichefs Rishi Sunak. Von ursprünglich sechs wurde das Feld nun auf zwei reduziert: Kemi Badenoch und Robert Jenrick. Wie es allerdings dazu kam, das bestätigte mal wieder den derzeitigen Ruf der Tories, den Michael Gove, Ex-Minister und neuer Chefredakteur des konservativen Magazins The Spectator, nach diesem seltsamen Tag im Raum 14 „banter party“ nannte. „Banter“ ist ein umgangssprachliches Wort für Scherz.
Beim Parteitag in Birmingham vor Kurzem waren es noch vier Kandidaten, Badenoch, Jenrick, dazu der Ex-Innenminister James Cleverly und Tom Tugendhat. Cleverly und Tugendhat gelten als Vertreter der gemäßigten konservativen Mitte, Badenoch und Jenrick positionieren sich klar am rechten Flügel. Laut von der Partei festgelegtem Verfahren sollten die Abgeordneten in Westminster das Viererfeld in zwei Wahlgängen diese Woche auf zwei reduzieren, ehe die rund 170 000 Mitglieder bis Ende Oktober den neuen Chef oder die neue Chefin wählen. Am 2. November soll das Ergebnis der Wahl verkündet werden.
Offenbar ging die Taktik des Manns der Mitte nicht auf
Im ersten Wahlgang am Montag noch lag Cleverly – der die viertägige Kandidatenkür in Birmingham als eine Art strahlender Sieger verlassen hatte – deutlich vorn, Tugendhat schied erwartungsgemäß aus. In der zweiten und letzten Runde für die Abgeordneten folgte dann eine Überraschung, mit der niemand gerechnet hatte: Badenoch und Jenrick siegten, Cleverly schied aus. Warum, dazu gibt es mehrere Theorien, womöglich stimmten mehrere Cleverly-Unterstützer taktisch für Badenoch, um den ungeliebten Jenrick rauszuwerfen. Wie auch immer, die Taktik ging nicht auf.
Die Mitglieder der Tories haben nun statt des moderaten Cleverly die Wahl zwischen rechts und rechter. Zwischen der 44-jährigen Badenoch, die in Birmingham sagte, sie halte die Hilfen des Staates beim Mutterschutz für übertrieben, und dem 42-jährigen Jenrick, der bei jeder Gelegenheit betont, das Vereinigte Königreich müsse die Europäische Menschenrechtskonvention kündigen und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verlassen, um Flüchtlinge rigoros abschieben zu können.
Cleverly bat die Partei in einem ersten Statement um Einigkeit, ganz egal, wer den Vorsitz übernehme; aber ob die Abgeordneten und vor allem die Wähler der Tories seiner Bitte folgen, darf man bezweifeln. Badenoch wie auch Jenrick verfolgen bisher den Weg, die oft grenzüberschreitende Rhetorik des rechten Reform-UK-Chefs Nigel Farage zu kopieren, um die abgewanderten Wähler am rechten Rand zurückzugewinnen – in praktisch allen Umfragen aber zeigt sich, dass die Mehrheit der konservativen Wähler mit dieser Rhetorik fremdelt. Die Zeitung Times zitierte am Mittwoch einen offensichtlich frustrierten Tory-Abgeordneten mit den Worten, es sei jetzt „wahrscheinlich“, dass es in spätestens 18 Monaten den nächsten „leadership contest“ gebe, weil es weder mit Badenoch noch mit Jenrick lange gut gehen könne.
Labour dagegen betrachtet die Ereignisse in Raum 14 eher als hilfreich, die Partei fürchtete am meisten den staatsmännischen Cleverly als Oppositionschef. Ein Labour-Abgeordneter sagte der Times in scherzhafter Anspielung auf den seit Wochen anhaltenden sogenannten „Freebie-Skandal“ um Zuwendungen für Labour-Minister: „Womöglich müssen wir das als Spende deklarieren.“