Den Ausschlag gegeben hat am Ende wohl die Macht der Masse. Seit Montag ist Bundeskanzler Olaf Scholz auf der Videoplattform Tiktok präsent, was er über den vergleichsweise traditionellen Kanal X, vormals Twitter, bekannt gegeben hat. «Ich werde nicht tanzen. Versprochen», schrieb Scholz.
Nach dessen Amtsantritt hatte Regierungssprecher Steffen Hebestreit noch in Aussicht gestellt, den Kanzler auf Tiktok zum Tanzen zu bringen. Um die Menschen wirklich zu erreichen, müsse man dahin gehen, «wo sie sich aufhalten und informieren», sagte Hebestreit nun, und das sei eben zunehmend Tiktok. Jeden Monat werde die Plattform von 21 Millionen – insbesondere jüngeren – Menschen in Deutschland genutzt und damit von einem Viertel der Bevölkerung. Das seien Menschen, die über traditionelle Medien kaum noch zu erreichen seien.
Tiktok steht im Verdacht, unter dem Einfluss Pekings zu stehen
Bei den 14- bis 25-Jährigen war Tiktok nach einer Umfrage des Marktforschungsinstituts Appinio von Ende 2022 die meistgenutzte App. Ähnlich wie bereits auf Instagram, wo zwei Millionen Menschen dem Kanal «Bundeskanzler» folgen, oder X, wo der Kanzler 900 000 Follower hat, wird das Social-Media-Team des Bundespresseamts unter @TeamBundeskanzler künftig auf Tiktok versuchen, Nutzerinnen und Nutzer mit zur Plattform passenden Inhalten anzusprechen – vornehmlich also mit kurzen Clips.
Politisch ist die Entscheidung nicht ohne Brisanz. Tiktok gehört dem chinesischen Unternehmen Bytedance und steht im Verdacht, unter dem Einfluss der kommunistischen Führung in Peking zu stehen und es mit Datenschutz und Fake-Prävention nicht so genau zu nehmen. Gerade erst hat das Repräsentantenhaus in den USA in seltener Eintracht von Republikanern und Demokraten den Versuch gestartet, bei Tiktok einen Eigentümerwechsel zu erzwingen.
Die AfD hat Tiktok schon lange für sich entdeckt
Man nehme die Diskussionen rund um Tiktok sehr ernst, betonte Hebestreit. Auf einer Plattform aktiv zu sein, bedeute nicht, sich mit der Geschäfts- und Datenschutzpraxis des Unternehmens einverstanden zu erklären. Tiktok stehe in der Pflicht, nationale und europäische Regeln zum Datenschutz, zum Schutz von Minderjährigen und zur Bekämpfung illegaler Inhalte umzusetzen. «Tiktok muss konsequent gegen Verbreitung von Falschinformationen und Manipulationen auf seiner Plattform vorgehen», forderte der Regierungssprecher.
Andere haben Tiktok als Kanal für politische Inhalte lange vor der Bundesregierung für sich entdeckt – mit besonderem Erfolg die AfD. Sie erreicht mit eingängigen Clips zu Themen wie Migration Hunderttausende. Es sei «ein bisschen schräg», die Entscheidung, Scholz auf Tiktok zu präsentieren, «mit der AfD direkt in Verbindung zu bringen», behauptete Hebestreit.
Grundsätzlich sei es aber so, dass auf Tiktok bundespolitische Themen immer wichtiger würden. Nicht selten seien die «Inhalte irreführend oder objektiv falsch». Auch auf Tiktok gebe es aber ein Bedürfnis nach verlässlichen Informationen. «Dazu wollen wir mit unserer Präsenz einen Beitrag leisten», sagte er. Bespielt werden soll der Account aber nicht von den üblichen Diensthandys, sondern von einem Telefon, das nur diesem Zweck dient – aus Sicherheitsgründen.