Einmal im Jahr macht der FSV Mainz 05 seinem Ruf als Karnevalsverein alle Ehre, wenn der sogenannte Fastnachtsspieltag in einem kunterbunten Rahmen zelebriert wird. Ein beträchtlicher Teil des Publikums kommt kostümiert in die Arena, in der vor Anpfiff noch mehr Stimmungslieder erklingen, Büttenredner auftreten und die Spieler in einem vierfarbigen Sondertrikot auflaufen. Ungünstig nur, wenn es an einem solchen Feiertag einen Stimmungsdämpfer setzt.
Nach der 0:1-Niederlage gegen Werder Bremen am Samstag wächst die Gefahr, dass die gewöhnlich froh gelaunten Nullfünfer am Saisonende nach ununterbrochenen 15 Bundesliga-Jahren absteigen. Zu viel läuft gerade schief bei den Rheinhessen, die so vergeblich an der Wende werkeln wie ein beim Wasserrohrbruch gerufener Klempner, der seinen Werkzeugkasten vergessen hat. Auf dem Platz sieht das so aus, dass sich diese Mannschaft zwar wehrt – aber anders als vor drei Jahren bei einer sagenhaften Aufholjagd unter Bo Svensson fehlt ein richtiger Plan. Vor allem mangelt es an Torgefahr.
«Viel Leidenschaft, viele Bemühungen. Aber zu wenig, um zu siegen, zu hektisch und zu ungenau. Heute sollte ein Startschuss sein im Kampf um den Klassenerhalt, der ging daneben», sagte Sportdirektor Martin Schmidt ernüchtert. Trainer Jan Siewert fasste sich kurz: «Die extreme Wut im Bauch werde ich in Mut umwandeln.» Die nächste Chance für sein erschreckend abschlussschwaches Ensemble komme schließlich «sehr schnell»: Das Nachholspiel gegen Union Berlin am kommenden Mittwoch (18.30 Uhr) entscheidet darüber, ob sich vor dem närrischen Treiben der Kater in diesem Klub verschlimmert. Siewert bestätigte, dass es eigentlich vorerst nur noch darum gehen könne, den Relegationsplatz zu erreichen: «Stand jetzt stehen wir da, wo wir stehen. Wir müssen der Realität ins Auge sehen.»
Mainz trifft einfach nicht – trotz 23:6 Torschüssen und 11:1 Ecken
Nichts illustrierte die triste Gegenwart anschaulicher als das kuriose Gegentor nach nicht einmal zwei Minuten. Da hatte der Mainzer Anthony Caci seinen Mitspieler Tom Krauß im eigenen Strafraum übereifrig angeschossen, und Bremens Nationalstürmer Marvin Ducksch traf gekonnt aus der Drehung. Der Moderator und Werder-Fan Arnd Zeigler hat für solche Aktionen in seiner beliebten TV-Sendung «Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs» mal die Rubrik «Kack-Tor» erfunden – diese Begrifflichkeit bemühte nun auch der Mainzer Zugang Nadiem Amiri. Natürlich hatte Mainz noch fast die gesamte Spielzeit zur Verfügung gehabt, um wenigstens den Ausgleich zu erzielen. Doch das im Abschluss zu harmlose Team schaffte keinen Treffer, trotz 23:6 Torschüssen, 11:1 Ecken und 60 Prozent Ballbesitz.
«Wir waren klar die bessere Mannschaft. Ich habe jetzt am eigenen Leib erfahren, dass es in dieser Saison mehr Glück braucht», meinte Amiri, der gerade erst aus Leverkusen zur Mannschaft gestoßen war. Der Mittelfeldspieler gefiel auf Anhieb als spielstarker Antreiber, dem das grundsätzliche Hemmnis im neuen Umfeld nicht verborgen blieb: «Ich denke, ich konnte der Mannschaft etwas mitgeben. Man merkt, dass viele Spieler die eine oder andere Blockade haben.» Mit Amiri stand auch der aus Frankfurt geholte Jessic Ngankam sofort in der Startelf, der weitgehend unauffällig blieb und wie seine Sturmkollegen Ludovic Ajorque oder Karim Onisiwo eine Ausgleichschance vergab. Verdient wäre ein Punktgewinn gegen merkwürdig passive Gäste allemal gewesen.
Drei Punkte trotz schlechter Leistung: Werder freut sich über «dreckigen Sieg»
Bei Werder Bremen wunderten sie sich selbst, dass ihnen die schlechteste Leistung des Jahres den dritten Erfolg in Serie einbrachte. Zwei unüberwindbare Innenverteidiger (Anthony Jung, Marco Friedl) und ein überzeugender Torhüter (Michael Zetterer) genügten als Garanten eines «dreckigen Sieges» (Ducksch), den Trainer Ole Werner gerne mitnahm: «Wir haben nicht unseren besten Fußball gespielt, sind aber als Gruppe in der Organisation und Kommunikation stabil geblieben.»
Und weil «eine Menge Glück» (Werner) dazukam, jubelte der stattlich angereiste Werder-Anhang ausgelassen, der anfangs ein riesiges Banner zum 125-jährigen Vereinsjubiläum gespannt hatte. Gründungsdatum des aktuell bestplatzierten Nordvereins ist der 4. Februar 1899, zelebriert wird das Ganze erst beim Heimspiel gegen den 1. FC Heidenheim und mit einer grün-weißen Party in der Alten Werft am kommenden Samstag. Gelingt im Weserstadion gar der vierte Dreier hintereinander, dürfte die Stimmung in Bremen mindestens genauso gut sein wie in jeder Karnevalshochburg.