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Bundestagswahl: Die Grünen landen hart – Politik

by Marko Florentino
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Soll man sich jetzt freuen? Die Grünen scheinen sich selbst nicht so sicher zu sein. Anders als üblich kommen Robert Habeck und Annalena Baerbock bei der Wahlparty schon vor 18 Uhr auf die Bühne. „Egal, was heute passiert, das war fantastisch“, ruft Habeck seinen Wahlkämpfern zu. Die wirken eher ermattet. Als wenige Minuten später die erste Prognose von 13,5 Prozent über die Leinwand im Festsaal Kreuzberg flimmert, sind die Gesichter der Grünen-Spitzen wie versteinert. Das Ergebnis ist alles, aber nicht fantastisch. Die Grünen klatschen trotzdem – was sollen sie auch anderes tun. Im Laufe des Abends sackt die Partei dann immer weiter ab, irgendwann pendeln sich die Hochrechnungen von ARD und ZDF bei etwa zwölf Prozent ein.

Mit teils zuversichtlichen, teils versteinerten Gesichtern wartet die Grünen-Parteiführung am Sonntag auf das Wahlergebnis. (Foto: Federico Gambarini/dpa)

Die Schwelle, ab der das Wahlergebnis als Erfolg zu werten wäre, hatten die Grünen in den vergangenen Wochen in weiser Voraussicht sukzessive nach unten korrigiert. Chancen aufs Kanzleramt rechnete man sich in der Parteizentrale nie wirklich aus, auch wenn man „Bündniskanzler“ aufs Münchner Siegestor projizieren ließ. Aber 17, 18 Prozent, hieß es anfangs, das sei schon drin. Später gab man als inoffizielles Ziel aus: Hauptsache, vor der SPD. Noch später hieß es, das Ergebnis von 2021, jene 14,8 Prozent von Annalena Baerbock, seien ja eigentlich schon ein Erfolg. Nun hat die Partei selbst das deutlich verfehlt.

Damit schwindet im Laufe des Abends zunächst auch die Hoffnung auf eine Regierungsbeteiligung – bis zu dem Moment, in dem die Hochrechnungen das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) doch wieder knapp im Bundestag sehen. Ohne einen Einzug von FDP oder BSW wäre für die CDU von Friedrich Merz eine schwarz-rote Koalition mit der SPD möglich – und wahrscheinlich. Mit dem BSW im Bundestag hingegen bräuchte Merz plötzlich einen zweiten Koalitionspartner. Auch am späten Abend ist noch vieles unsicher. Klar hingegen ist: Dem Grünen-Kanzlerkandidaten ist es nicht gelungen, seine Partei als starken Koalitionspartner für die kommende Legislatur zu positionieren. „Das war genau der Wahlkampf, den ich führen wollte“, beteuert Habeck dennoch. Aber war es auch der Wahlkampf, den er hätte führen sollen?

Es lief gut – bis es nicht mehr gut lief

Aus Sicht der Grünen hatte er eigentlich vielversprechend begonnen. Als die Ampelkoalition platzte, hatten sie sich mit neuen Parteichefs und betonter Aufbruchstimmung gerade von 9,5 auf elf Prozent hochgekämpft. Im Dezember setzte sich Habeck so medienwirksam wie möglich an Dutzende Küchentische, er gab den Zuhörer, den „Menschen“. Das Ziel: Erst die Kernwählerschaft mobilisieren, dann ausgreifen in andere Lager. Als Potenzial hatte er jene Unionswähler ausgemacht, die nach den Merkel-Jahren mit Merz fremdeln: die vermeintliche „Merkel-Lücke“.

Und tatsächlich ging es aufwärts. Anfang Januar standen die Grünen im „Politbarometer“ erstmals bei 15 Prozent und überholten sogar die SPD, bei den Beliebtheitswerten lagen Habeck und Merz gleichauf. Zehntausende Menschen traten in die Partei ein. Wo Habeck hinkam, waren die Hallen voll.

Den Anfang einer ganzen Reihe von strategischen Fehlern machte der Wirtschaftsminister höchstselbst. In der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ präsentierte er die Idee, künftig Sozialabgaben auf Kapitalerträge zu erheben. Das Problem: Bei den Grünen existierte nicht der Ansatz eines Konzepts dafür. Elf Tage sollte es dauern, bis Parteichef Felix Banaszak das Thema einfangen konnte.

In der Zwischenzeit war ein neues Problem hinzugekommen: der Fall Stefan Gelbhaar. Mehrere Frauen erhoben teils schwere Vorwürfe gegen den Bundestagsabgeordneten. Der verlor erst seinen Platz auf der Berliner Landesliste, anschließend seine Chance auf das Direktmandat – und dann stellte sich heraus, dass ein Teil der Vorwürfe unter falscher Identität eingereicht und mutmaßlich erfunden worden war. Der Fall wurde zur parteiinternen Affäre.

Die Suche nach der „Merkel-Lücke“ blieb erfolglos

Schließlich rückte auch noch ein Thema oben auf die Wahlkampf-Agenda, über das die Grünen eigentlich auf keinen Fall sprechen wollten: die Asylpolitik. CDU-Chef Friedrich Merz nahm den tödlichen Angriff eines Afghanen auf eine Kita-Gruppe in Aschaffenburg zum Anlass, zwei Anträge für eine härtere Migrationspolitik durch den Bundestag zu bringen. Einer sah Zurückweisungen auch von Asylsuchenden an deutschen Grenzen vor – undenkbar für die Grünen. Sie stimmten dagegen, genau wie die SPD, doch dank FDP und AfD kam eine Mehrheit zustande. Aus Sicht von Grünen und SPD ein Tabubruch.

Die Abstimmung hinterließ einen Riss in der demokratischen Mitte. Doch führende Grüne vermieden es, sich offen gegen Merz zu stellen. Das Ziel: koalitionsfähig bleiben. Habeck legte einen eigenen Zehn-Punkte-Plan für eine „Sicherheitsoffensive“ vor. In Teilen der Partei kam der gar nicht gut an, doch außer der Grünen Jugend traute sich niemand, das mitten im Wahlkampf offen zu sagen. Auch die Wähler überzeugte der Kurs offenbar nicht: In den Umfragen lagen die Grünen wie einbetoniert bei zwölf bis 14 Prozent. Die Suche nach der großen „Merkel-Lücke“ blieb erfolglos.

Die Linken hingegen sprachen aus, was viele im linken Flügel der Grünen dachten. Sie setzten an zum großen Anti-rechts- und Anti-Merz-Wahlkampf – und gewannen immer mehr Stimmen. Das Team um Robert Habeck wurde nervös. Eigentlich war die Devise, keinen Wahlkampf gegen die anderen Parteien im linken Lager zu machen. Schließlich hatten die Parteistrategen Habeck ja als den zuversichtlichen, vermittelnden, aber bloß nicht aggressiven Bündnis-Robert positioniert. Also probierten es die Grünen mit mehr sozialpolitischen Akzenten, Habeck stellte eine „Zukunftsagenda“ vor, in der das Thema Klima plötzlich wieder ganz oben stand.

Die Partei wird viele Fragen zu klären haben, inhaltlicher und personeller Natur

Die Wende in den Umfragen klappte trotzdem nicht. Daran konnten auch die diversen TV-Sendungen und Social-Media-Formate, in denen Habeck nun einen großen Teil seiner Zeit verbrachte, nichts ändern. Also schaltete er doch noch auf Angriff, auch gegen links. Habeck überlegte sich die Formulierung „Kraft für Veränderung in Verantwortung“ – das sei es, was das Land jetzt brauche. Jegliche Art von Kraft spricht er der SPD in ihrer aktuellen Verfassung ab. Jegliche Art von Veränderung sei mit der Union nicht zu machen. Und Verantwortung lehne die Linke nun mal kategorisch ab und wolle in der Opposition bleiben, im Gegensatz zu ihm.

Die Grünen stehen nun vor einer Grundsatzentscheidung. Sollte es wirklich für eine schwarz-rote Koalition reichen, wird sich die Partei in der Opposition wiederfinden und viele Fragen zu klären haben – inhaltlicher und personeller Natur. Sollte es hingegen auf eine Kenia-Koalition hinauslaufen, stehen die Grünen vor nicht minder großen Herausforderungen. Die Differenzen insbesondere in der Asylpolitik sind groß, die innerparteilichen Vorbehalte einem erneuten Dreierbündnis gegenüber ebenfalls – und Markus Söder hat ja auch noch ein Wörtchen mitzureden.



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