Home » Bundeswehr: Mehr Geld, aber Personalnot bleibt – Politik

Bundeswehr: Mehr Geld, aber Personalnot bleibt – Politik

by Marko Florentino
0 comments


Am Ende ging es schnell. Für die Streitkräfte müsse es kurzfristig mehr geben, sagte Friedrich Merz. „Whatever it takes“, was immer nötig sei. Geld scheint keine Rolle mehr zu spielen. CSU-Chef Markus Söder umschrieb das mit „no limit“, keine Grenze nach oben. Die Spitzen von Union und SPD zeigten sich nach dem dritten Sondierungsgespräch am Dienstagabend einig: Angesichts der wachsenden Bedrohungslage müsse die Bundesrepublik nun „sehr schnell sehr große Anstrengungen“ unternehmen, um die Verteidigungsfähigkeit des Landes zu stärken, so CDU-Chef Merz.

Künftig sollen Verteidigungsausgaben weitgehend von der Schuldenbremse ausgenommen werden. Seitdem US-Präsident Donald Trump auf Russlands Machthaber Wladimir Putin zugeht und die Ukraine zu einem Friedensabkommen zwingen will, könnte auch Europa viel verlieren – vor allem an Sicherheit. Um diese zu schützen, müsse die Bundesrepublik künftig leichter in ihre Verteidigung investieren können. Die dafür nötigen Entscheidungen müssten jetzt getroffen werden, so Merz.

Die Rüstungsindustrie zeigt sich nach der Verkündung von Union und SPD erleichtert

Seit Langem beklagt die Rüstungsindustrie, dass die Bundeswehr zu langsam und zu wenig bestellt – und zudem meist nach sogenannten Goldrandlösungen sucht – also die Rüstungsaufträge durch neue Nachforderungen immer teurer werden lässt. Wenn der alte Bundestag dem Antrag von Union und SPD zustimmt, die Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben teilweise zu lockern, könnte sich das ändern. Denn dann wären auch langfristige Verpflichtungen möglich.

Waffensysteme, so stellt es jedenfalls die Industrie dar, könnten dann viel leichter wie am Fließband produziert werden. Kapazitäten könnten schnell hochgefahren und knappe Ressourcen eingelagert werden, um Engpässe in der Lieferkette zu umgehen, heißt es beim Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie. „Die Entscheidung wirkt wie ein Befreiungsschlag“, schreibt deren Hauptgeschäftsführer, Hans Christoph Atzpodien, in einer Pressemitteilung. Jetzt sei es wichtiger denn je, dass die Bundeswehr endlich aus dem „Modus der Mangelverwaltung“ herauskomme.

Mit der neuen Bedrohungslage würden auch die Ausgaben der Nato steigen. Dies werde eine Welle von Aufträgen auch für die deutsche Rüstungsindustrie auslösen. „Die Industrie braucht jetzt klare Ansagen, von welchen Produkten man wie viel in welcher Zeit als Output erwartet“, fordert Atzpodien. Um möglichst schnell liefern zu können, verlangt der Verband mehr Pragmatismus: Statt über den volkswirtschaftlichen Schaden durch den Einbruch der Autokonjunktur zu jammern, solle man versuchen, Produktionsanlagen, aber auch Fachkräfte aus der Automobilbranche in den Rüstungsbereich zu verlagern, schlägt Atzpodien vor.

Dass der Bundeswehr Ausrüstung und Munition fehlen, ist kein Geheimnis. Das Heer sei „blank“, hatte Heeresinspekteur Alfons Mais bereits kurz nach dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 festgestellt. Daran hat sich seither wenig geändert. Im Gegenteil: Die Truppe hat viel Material an die Ukraine abgegeben. Nach Regierungsangaben hat Deutschland seit Beginn des russischen Angriffskrieges allein aus Bundeswehrbeständen Rüstungsgüter mit einem geschätzten Beschaffungswert von rund 5,2 Milliarden Euro an die Ukraine abgegeben. So wurden 140 Schützenpanzer Marder, sechs Flugabwehrsysteme Iris-T SLM, 25 Panzerhaubitzen 2000, 900 bewaffnete Drohnen HF-1 und vieles mehr an die Ukraine geliefert.

Darüber hinaus führen neue U-Boote, Kampfflugzeuge, Panzer und Luftverteidigungssysteme zu höheren Wartungs- und Instandhaltungskosten, zudem muss schnell viel Munition beschafft werden. Ganz zu schweigen von den Fähigkeitslücken, die bei einem möglichen US-Rückzug aus Europa entstehen könnten, etwa bei der Satellitenaufklärung.

Mit der Finanzierung ist das wichtigste Problem noch nicht gelöst: Der Bundeswehr fehlt es weiterhin an Personal

Angesichts der neuen Bedrohungslage scheint Deutschland und Europa die Zeit davonzulaufen. Die Militärplaner gehen davon aus, dass Putin bereits 2029 in der Lage wäre, Nato-Gebiet anzugreifen. Was also sind die Prioritäten für die Investitionen in die Truppe? „Wir brauchen einen Fahrplan für die nächsten zehn Jahre“, sagte der bisherige (und vielleicht auch künftige) Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) Mitte Januar der Süddeutschen Zeitung. Darin müsse genau stehen, welche Waffensysteme, Drohnen oder Technologien gebraucht würden.

Die Frage der Finanzierung ist seit Dienstagabend vorerst geklärt. Das vielleicht größte Problem der Truppe ist damit aber noch nicht gelöst: Der Bundeswehr fehlt es nach wie vor an Personal. Die besten Waffensysteme nützen wenig, wenn es zu wenige Frauen und Männer gibt, die sie bedienen können. Seit Langem stagniert die Truppenstärke bei rund 180 000 Soldatinnen und Soldaten. Pistorius wollte sie bis 2031 auf 203 000 erhöhen, doch zuletzt kamen Zweifel auf, ob sein Vorhaben gelingt.

Im Rahmen der neuen Verteidigungsplanung der Nato könnte zudem die Zahl der Kampfbrigaden im Bündnis von 82 auf rund 130 steigen. Deutschland müsste im Rahmen seiner Nato-Verpflichtungen fünf bis sechs weitere Brigaden für die Nato zur Verfügung stellen. Dabei bedeutet es für die Bundeswehr bereits jetzt eine gewaltige Kraftanstrengung, die zugesagte Brigade von rund 5000 Soldatinnen und Soldaten aufzustellen, die künftig in Litauen stationiert werden wird. Wie soll die Bundeswehr den zusätzlichen Anforderungen gerecht werden?

Viele sehen nun in einer Wiedereinführung der Wehrpflicht die Lösung. Der Reservistenverband der Bundeswehr forderte, sie umgehend wieder einzuführen. „Wir brauchen schon dieses Jahr 20 000 mehr Soldaten in der Truppe. Um das zu schaffen, muss die Wehrpflicht noch in diesem Jahr zurückkommen“, sagte der Verbandspräsident Patrick Sensburg der Rheinischen Post. Der CSU-Politiker Florian Hahn unterstützt die Forderung: „Die Aussetzung der Wehrpflicht passt nicht mehr zur aktuellen Gefährdungslage. Noch im Jahr 2025 müssen die ersten Wehrpflichtigen durch die Kasernentore schreiten.“ Mehrere Unionspolitiker schlossen sich dem an, unter anderem der Außenpolitiker Roderich Kiesewetter.

Doch in den bisherigen Gesprächen habe das Thema Wehrpflicht keine Rolle gespielt, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Thorsten Frei, am Dienstagabend in der ARD. „Aber es ist natürlich klar, dass wir eine starke Bundeswehr brauchen“, sagte Frei, der als wichtigster Vertrauter von Friedrich Merz gilt. Der CDU-Chef selbst will sich auf keine Zahlen festlegen. Doch gab auch er zu Protokoll: „Mit dem gegenwärtigen Bestand kommen wir nicht aus.“ Verteidigungsminister Pistorius hingegen bremste die Debatte um die Wehrpflicht in den ARD-„Tagesthemen“. Er betonte, dass die Bundeswehr gar nicht mehr über die Kasernen verfüge, um alle Wehrpflichtigen eines Jahrgangs einziehen zu können. Wichtiger sei es, denjenigen, die zur Bundeswehr wollten, eine Perspektive zu geben und sie für die Truppe zu gewinnen.



Source link

You may also like

Leave a Comment

NEWS CONEXION puts at your disposal the widest variety of global information with the main media and international information networks that publish all universal events: news, scientific, financial, technological, sports, academic, cultural, artistic, radio TV. In addition, civic citizen journalism, connections for social inclusion, international tourism, agriculture; and beyond what your imagination wants to know

RESIENT

FEATURED

                                                                                                                                                                        2024 Copyright All Right Reserved.  @markoflorentino