Sie lagen sich in den Armen vor Freude, die etwa 1500 Menschen, die in der Nacht zum Montag am Brandenburger Tor in Berlin zusammenkamen, um an ihrem ersten legalen Joint zu ziehen. Seit dem 1. April ist der Konsum von Cannabis erlaubt. Die rasche Einführung des Cannabisgesetzes führt allerdings dazu, dass sich die Konsumenten das Gras zunächst noch überwiegend auf dem Schwarzmarkt holen werden.
Viele Interessenten hätten sich zwar schon mit Samen für den Eigenanbau eingedeckt, sagt Georg Wurth, Geschäftsführer des Deutschen Hanfverbandes. Doch die Anbauvereinigungen, in denen Cannabis an erwachsene Mitglieder weitergegeben werden darf, starten erst im Juli.
Zum Kiffen in einen Verein?
Wer in diesen sogenannten Cannabisklubs mitmachen will, muss beitreten und einen Mitgliedsbeitrag bezahlen. Dass die Anbauvereinigungen allerdings die Nachfrage nach Cannabis decken, davon geht Georg Wurth nicht aus. Für Gelegenheitskonsumenten seien sie schlicht nicht attraktiv genug. «Man geht nicht in einen Verein, um sich ein paar Gramm Gras zu holen», sagt Wurth. «Ich gehe ja auch nicht in einen Joghurtverein, wenn ich ab und zu einen Joghurt essen will.» In einer Studie der Uni Düsseldorf wird die Nachfrage deutscher Konsumenten auf 400 Tonnen Cannabis im Jahr geschätzt.
Auch wegen der Gelegenheitskonsumenten fordert Wurth das, was das Bundesgesundheitsministerium die zweite Säule seines Cannabis-Modells nennt: einen Modellversuch, bei dem erprobt werden soll, was sich viele Kiffer schon lange wünschen, den Verkauf der Droge in Fachgeschäften.
Noch liegt dazu erst ein Eckpunktepapier des Bundesgesundheitsministeriums vor. Das sieht einen lizenzierten und staatlich kontrollierten Rahmen vor, in dem Unternehmen Cannabis produzieren und in Geschäften verkaufen dürfen. Erst einmal als Versuch, fünf Jahre lang «ab eingerichteter Lieferkette» und nur in bestimmten Regionen. Der Plan, solche Modellregionen einzurichten und damit die Auswirkungen kommerzieller Lieferketten wissenschaftlich zu untersuchen, geht auch auf die Einsicht in der Bundesregierung zurück, dass die EU-Kommission bei einer flächendeckenden Freigabe von Cannabis wohl rechtliche Bedenken anmelden würde.
Zumindest diese abgestufte Version solle aber kommen, fordert Kirsten Kappert-Gonther, Bundestagsabgeordnete der Grünen. «Dieser Schritt ist wichtig, um für Gelegenheitskonsumierende das Gesundheitsrisiko zu minimieren und Alternativen zum Schwarzmarkt zu schaffen», sagt sie der Süddeutschen Zeitung. Viele Regionen hätten bereits Interesse signalisiert. «Dafür sollten nun zeitnah die rechtlichen Rahmenbedingungen festgelegt werden.» Bislang gibt es aber nicht einmal einen Gesetzentwurf. Aus Lauterbachs Ministerium heißt es in Bezug auf die zweite Säule nur: «Zurzeit laufen zusammen mit den beteiligten Ressorts Vorbereitungsarbeiten zum Beispiel zu den Modellregionen oder zu den künftigen Kontrollstrukturen.» Weitere Details könne man nicht nennen.
In den Niederlanden laufen schon Versuche
In der Schweiz und in den Niederlanden laufen hingegen schon Versuche zur Regulierung des Drogenanbaus und -verkaufs. In Zürich kann Cannabis in speziellen Bezugsstellen im Rahmen von Social Clubs gekauft und konsumiert werden. Das Personal ist geschult, die Ware stammt aus kontrolliertem biologischen Anbau, für den die Produzenten eine Ausnahmebewilligung erhalten haben. Das Experiment wird wissenschaftlich eng begleitet, andere Städte wollen folgen.
In den Niederlanden ist Cannabis eine illegale Droge. Konsum und Verkauf werden bis zu einem gewissen Grad toleriert. Doch das Gras, das man in den Coffeeshops kaufen kann, stammt aus illegalen Quellen. Die Politik will das ändern, ist aber uneins über Weg und Ziel. Seit Dezember läuft jetzt ein Versuch, der langfristig zehn Städte umfassen soll. Vorreiter sind Breda und Tilburg. Die dortigen Coffeeshops werden derzeit ausschließlich von drei staatlich kontrollierten Cannabiszüchtern beliefert. Die zu klärenden Detailfragen waren derart kompliziert – welche Qualität muss zu welchem Preis produziert werden, wie müssen Anbauer und Händler zertifiziert werden, wo sind mögliche Einfallspunkte für Kriminelle und vieles mehr -, dass das Experiment um mehrere Jahre später als geplant begonnen hat. Gegen Ende des Jahrzehnts soll es evaluiert werden.