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Der Vergleich hinkt, aber er macht nun trotzdem die Runde, weil er bei den Demokraten bittersüße Erinnerungen weckt. Wehmütig schauen sie in diesen Tagen des Durchregierens von Donald Trump zurück auf den Beginn der Amtszeit von Barack Obama. Damals wollten sie von links das Land umbauen, dank einer erdrückenden Übermacht im Senat und einer klaren Mehrheit im Repräsentantenhaus.
Ohnmächtig schauten die Republikaner zu – und wurden plötzlich von ihrer eigenen Wählerschaft beschimpft, die erzürnt mehr Kampfeslust verlangte. Tea Party nannte sich die Bewegung schon bald, in Anlehnung an den Protest von Boston 1773, dem die Unabhängigkeitserklärung der britischen Kolonien folgen sollte. Die moderne Fassung riss die Republikaner scharf nach rechts. Und ebnete den Weg für den Aufstieg Trumps zu ihrem starken Mann.
Ein Sündenbock ist schon gefunden
Wegen Trump erlebten die Demokraten nun ihren eigenen Tea-Party-Moment, war in den vergangenen Tagen verschiedentlich zu lesen. Der Präsident weitet seine Macht erheblich aus, indem er laufend Dekrete erlässt, uralte Notstandsgesetze wiederbelebt, den Kongress einschüchtert, die Richter angreift und seine Gegner verfolgen lässt. Die Opposition wirkt angesichts der Flut von Angriffen ratlos und gespalten. Zumindest die Kongressmitglieder.
Die Parteibasis reagiert darauf aufgebracht, nicht nur gegen Trump, sondern auch gegen die eigenen Anführer. „Angepisst“ sei er, dass die Demokraten nicht mehr Widerstand leisten, rief ein Wähler in Oregon bei einem Auftritt von Senator Ron Wyden und der Abgeordneten Janelle Bynum. „Ihr kämpft nicht, wir leiden“, schrie eine Frau bei einem Town-Hall-Treffen von Glenn Ivey, einem Repräsentanten aus Maryland, unweit der Hauptstadt.
Den Sündenbock in den eigenen Reihen hat die linke Wählerschaft nun gefunden. Nicht etwa Joe Biden, den ehemaligen Präsidenten, der zu lange den Generationenwechsel verweigert hatte. Sondern Chuck Schumer, den Anführer der Demokraten im Senat, mit 74 Jahren noch im besten Alter, zumindest für die aktuellen amerikanischen Politik-Maßstäbe. Schumer hatte wochenlang den Republikanern die Stirn geboten im Streit um einen Staatshaushalt, um dann im letzten Moment den Widerstand aufzugeben und doch mit den Republikanern zu stimmen, ohne jegliche Gegenleistung.
Rückzugsforderungen an Schumer
Mit realpolitischen Argumenten versuchte sich Schumer zu erklären. Er wollte nicht riskieren, dass der Verwaltung das Geld ausgeht und sie stillgelegt wird. Erstens hätten die Wähler die Demokraten für den sogenannten Government Shutdown verantwortlich gemacht. Und zweitens hätte Trump darin möglicherweise eine Rechtfertigung gefunden, noch autokratischer zu regieren und den Kongress weitgehend auszuschalten.
Die Basis der Demokraten beurteilt den Vorgang freilich als Kapitulation der Opposition. Selbst Schumers Senatskollegen murrten, und die legendäre frühere Speakerin Nancy Pelosi bemerkte maliziös, sie hätte niemals mit den Republikanern gestimmt, ohne ihnen einen Kompromiss abzuringen. Schumer musste eine Lesungsreihe für sein neues Buch absagen, in dem er als ranghöchster jüdischer Politiker vor zunehmendem Antisemitismus in den USA warnt. Linke Gruppierungen hatten zu Protesten aufgerufen, Rücktrittsforderungen gegen Schumer machen die Runde, es sei Zeit für einen Generationenwechsel, heißt es.
Die Wut entlädt sich gegen Elon Musk
Allerdings ist der wortgewaltigste Anführer der konfrontationslustigen Opposition, Bernie Sanders, selbst auch schon 83 Jahre alt und ein Unabhängiger. Seine Spendentournee durch den Westen der USA zieht derzeit tausende Unzufriedene an. Sanders hat ausgeschlossen, noch einmal als Präsident zu kandidieren; nun hat er die 35-jährige Alexandria Ocasio-Cortez dazugeholt. Die beiden wettern gegen Trump und dessen „Oligarchie“, beschuldigen den Präsidenten, das Land an reiche Freunde zu verscherbeln. Gemeint ist damit in erster Linie Elon Musk, der reichste Mann der Welt und derzeit einer der einflussreichsten Präsidentenberater.
Musk eignet sich besser als Reizfigur als Trump. Der Präsident ist zwar laut Umfragen nicht besonders beliebt, und die Sorgen der Amerikaner vor wirtschaftlichen Verwerfungen wegen Trumps Zöllen nehmen laufend zu. Doch Musk genießt deutlich weniger Sympathie, nur eine Minderheit unterstützt den Erhebungen zufolge seinen radikalen Kurs, linke Aktivisten haben medienwirksame Brandanschläge auf seine Tesla-Autos und -Verkaufsläden verübt. Selbst eine wichtige Lokalwahl in Wisconsin, wo es am 1. April um die Mehrheitsverhältnisse im Obersten Gericht des Swing States geht, versuchen die Demokraten zu einem Referendum über Elon Musk zu machen.
Die Kritik am reichsten Mann der Welt erlaubt es den Demokraten vorerst noch, die inneren Spaltungen zu übertünchen. Sie sind sich wohl einig darin, dass sie Trumps und Musks Vorgehen ablehnen. Viel weniger klar ist hingegen, woraus ihr Gegenmodell besteht, sie stecken in einer tiefen Identitätskrise. Nur ein Viertel der Bevölkerung gibt an, ein positives Bild der Partei zu haben, Werte, die so tief sind wie seit 30 Jahren nicht mehr.
Sanders und Ocasio-Cortez wollen die Demokraten deswegen nach links ziehen. Sie versprechen, die Arbeiterschaft ins Zentrum zu stellen und lehnen vor allem Trumps Steuersenkungen ab. Andere Beobachter empfehlen den Demokraten aber im Gegenteil, sich wieder in der politischen Mitte zu positionieren, nachdem vor allem die Wählerschaft mit lateinamerikanischen Wurzeln bei den letzten Wahlen nach rechts rückte. Der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom, ein Anwärter auf die nächste Präsidentschaftskandidatur, hat Beweglichkeit in sozialen Fragen signalisiert, als er sich der republikanischen Forderung anschloss, Transgender-Athleten vom Frauensport auszuschließen.
Wie angesichts dieser Spaltungen bei den Demokraten ein Tea-Party-Moment entstehen soll, ist unklar. Die Revolutionäre unter den Republikanern wehrten sich gegen eine hohe Steuerlast und waren gewillt, den Staatsbetrieb lahmzulegen. Die Demokraten sind in einer viel schwierigeren Position, weil sie den Staat zu erhalten versuchen in einem Zustand, der nach nur zwei Monaten Donald Trump gar nicht mehr existiert.