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Demokratiefest mit Scholz in Berlin: Streifzug über den Festplatz – Politik

by Marko Florentino
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Im Spreebogenpark hat sich eine lange Schlange gebildet. «Was ist denn hier los?», fragt eine Frau. «Da muss wohl ein bekannter Politiker sein», antwortet ein Mann. Und tatsächlich, irgendwo inmitten seiner Personenschützer steht Bundeskanzler Olaf Scholz. Er begrüßt jeden mit einem freundlichen «Hallo», tackert sich ein Lächeln ins Gesicht und steht so lange für Fotos bereit, bis kaum noch Leute anstehen. Scholz nimmt sich Zeit, soll wohl die Botschaft lauten, die das Kanzleramt senden möchte.

Im Berliner Regierungsviertel hat am Freitag das dreitägige «Demokratiefest» begonnen, zu dem die Bundesregierung aus Anlass des 75. Jahrestages des Grundgesetzes eingeladen hat. Die Politiker wollten die Gelegenheit nutzen, um mit den Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch zu kommen, hatte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann erklärt – und für Scholz sollte es trotz aller Unzufriedenheit mit der Ampelkoalition ein angenehmer Nachmittag werden.

Zur Eröffnung des Demokratiefests diskutierte er mit Menschen, die sich ehrenamtlich für die Demokratie engagieren. Kritischen Fragen musste sich Scholz nur selten stellen, etwa als ein junger Ukrainer, der wegen des russischen Angriffskrieges aus seiner Heimat geflohen ist, wissen wollte, warum Scholz die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine ablehnt. Deutschland habe bereits 28 Milliarden Euro an Waffenhilfe geleistet oder zugesagt, erklärte Scholz, und auch «viel von dem geliefert, was notwendig ist, um die Zerstörung zu verhindern». Als Bundeskanzler habe er jedoch die Verantwortung, dass es zu keiner Eskalation zwischen Russland und der Nato komme. Wegen der großen Reichweite des Taurus sei eine Lieferung nur zu vertreten, «wenn wir die Ziele selbst bestimmen und festlegen», betonte Scholz, und das sei «wiederum nicht möglich, wenn man nicht selbst Teil dieser Auseinandersetzung sein will».

Später wollte eine Frau von ihm wissen, warum er nicht auf die Forderungen der Hungerstreikenden in Berlin eingehe. Im Invalidenpark verweigern Aktivisten seit 80 Tagen die Nahrungsaufnahme, um Scholz zu einer Regierungserklärung zu den Gefahren des Klimawandels zu bewegen. «Ich finde, dass es ein Fehler ist, Gewalt gegen andere auszuüben, aber auch gegen sich selbst.» Es ergebe keinen Sinn, solch eine Aktion anzuzetteln, um damit Gespräche zu erzwingen, erklärte Scholz: «In einer Gesellschaft, in der es so leicht ist, mit dem Bundeskanzler zu sprechen, braucht man keinen Hungerstreik, um das hinzubekommen.» Er würde sich regelmäßig mit Bürgerinnen und Bürgern austauschen, versicherte Scholz, und man könne ihm jede Frage stellen, die er auch beantworte: «Deshalb ist es mein größter Wunsch, dass diese Aktion abgebrochen wird.»

«So müssen wir uns auch alle im Alltag verhalten»

Mit den «Demokratiefesten» in Berlin und der ehemaligen Hauptstadt Bonn möchte die Bundesregierung «die Vielfalt unserer Demokratie und unseres Zusammenlebens» abbilden und Institutionen sichtbar machen, die diese Grundordnung tragen und somit lebendig machen. Die Bundesministerien haben Stände zwischen Reichstagsgebäude und Kanzleramt aufgebaut, an denen sie über ihre Arbeit informieren. Die Bundesländer präsentieren sich auf einer 360-Grad-Bühne mit verschiedenen Kultur- und Gesprächsformaten, und im Spreebogenpark sind zivilgesellschaftliche Organisationen mit Workshops und Mitmachangeboten vertreten.

Es gibt jedoch ein Thema, das sich durch die gesamten Feierlichkeiten zieht: «Demokratie ist kein Geschenk», betonte die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer, «und wir müssen alle etwas dafür tun, dass sie lebendig bleibt.» Insofern war es nur passend, dass sie und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) stellvertretend für alle Politiker etwas überreicht bekamen, das sie an ihre Verpflichtung gegenüber der deutschen Verfassung erinnern soll. Für die Initiative «DNA of Democracy» haben Forscher Millionen Kopien des Grundgesetzes in menschliches Erbgut übersetzt und zu einer Tinte verarbeitet. Die Idee dahinter: Wenn Politiker etwas unterzeichnen, tun sie es nicht nur im eigenen Namen, sondern auch im Namen des Grundgesetzes. «Wenn wir zu einer Verfassungsänderung kommen, die die Resilienz des Bundesverfassungsgerichts stärkt, ist dies ein Gesetz, das ich besonders gerne mit der Tinte unterschreibe», sagte Buschmann bei der symbolischen Übergabe am Samstag. Die Süddeutsche Zeitung beteiligt sich ebenfalls an der Initiative: Die Sonderedition zum 75. Jahrestag des Grundgesetzes war die erste Zeitung, die mit Tinte aus künstlicher DNA gedruckt wurde.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (r.) bekommt ein Tintenfass überreicht, das Millionen Kopien des Grundgesetzes enthält. (Foto: Thomas Frey/www.dna-of-democracy.de)

Dass die Demokratie seit einiger Zeit von innen und von außen verstärkt unter Druck gerät, sollte sich auch durch das Gespräch mit Bundesratspräsidentin Manuela Schwesig ziehen. Sie eröffnete den Bürgerdialog mit einem flammenden Plädoyer für die Demokratie: Als die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer beim Staatsakt am Donnerstag Artikel 1 des Grundgesetzes vorgelesen hat, habe sie eine Gänsehaut gehabt. «Das hat mir nochmals vor Augen geführt, dass das Grundgesetz die Antwort auf die NS-Diktatur war und auch heute noch unsere Verpflichtung ist.» «Die Würde des Menschen ist unantastbar» dürfe nicht nur ein Satz im Grundgesetz sein, mahnte Schwesig: «So müssen wir uns auch alle im Alltag verhalten.» In Zeiten, in denen radikale Kräfte versuchten, die Demokratie auszuhöhlen, appellierte sie daran, als Gesellschaft wieder stärker zusammenzuhalten sowie sachlicher und respektvoller zu diskutieren.

Danach wollte ein Schüler von Schwesig wissen, für wie gefährdet sie das Grundgesetz erachte. Die gute Nachricht sei, dass die Grundrechte unveränderbar sind und für Verfassungsänderungen eine Zwei-Drittel-Mehrheit gebraucht wird. Aber: «Wenn Parteien, die die Verfassung missachten, an die Macht kämen, hätten sie viele Möglichkeiten.» Schwesig ermunterte die Jugendlichen, bei den kommenden Europa- und Kommunalwahlen ihre Stimme abzugeben. Die kommunale Ebene sei nicht das Kellergeschoss der Demokratie, für das sie oft gehalten werde, sondern könne für die Menschen vor Ort viel bewegen, betonte Schwesig: «Ich bin davon überzeugt, dass alle demokratischen Parteien Köpfe zu bieten haben, mit denen man sich identifizieren kann.»



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