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Deutsche Diplomaten in Syrien: Heikle Kontaktaufnahme in Damaskus – Politik

by Marko Florentino
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Es ist eine Rückkehr nach langer Zeit, und vom Anblick, der sich ihnen bietet, sind die deutschen Diplomaten offenkundig erschrocken. In einer Aktuellen Stunde im Bundestag berichtet Außenministerin Annalena Baerbock am Mittwoch, was sie von der kleinen Delegation gehört hat, die am Tag zuvor die syrische Hauptstadt besuchte. Einer der Eindrücke, den die Kolleginnen und Kollegen mitgebracht hätten, sei „wie unglaublich die Zerstörung gerade auch in Damaskus ist, wo viele Menschen seit Jahren unterernährt sind“. Kurzfristig habe die Bundesregierung deshalb weitere acht Millionen Euro für humanitäre Hilfe bereitgestellt.

Seit 2012 ist die deutsche Botschaft in Damaskus geschlossen. Nach dem Sturz des syrischen Diktators Baschar al-Assad sucht die Bundesregierung wie andere westliche Regierungen nun eilig Kontakt zu den neuen Machthabern. Die Wiederannäherung ist heikel; sie soll nicht gleich einer diplomatischen Anerkennung gleichkommen. Aufgabe des Nahost-Beauftragten des Auswärtigen Amts, Tobias Tunkel, war es daher, überhaupt erst einmal den Gesprächsfaden aufzunehmen. Begleitet wurde er auf der eintägigen Reise nach Damaskus von einer Vertreterin des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit.

Die beiden weiblichen Delegationsmitglieder trugen keine Kopftücher

Empfangen wurden die Deutschen auf höchster Ebene – und mit offenen Armen. So konnten sie eine Stunde lang mit HTS-Anführer Ahmed al-Scharaa sprechen. Im Kurznachrichtendienst X wurden Bilder der Begegnung gepostet, die eine konzentrierte und geschäftsmäßige Gesprächsatmosphäre illustrieren. Al-Scharaa ist erkennbar um einen staatsmännischen Habitus und darum bemüht, Sorgen zu zerstreuen, die neuen Machthaber könnten in Syrien ein islamistisches Schreckensregime nach dem Vorbild der Taliban in Afghanistan errichten. Früher war die HTS eng mit der Terrororganisation al-Qaida verbunden. Sie wird international immer noch als terroristische Vereinigung eingestuft.

Zumindest in Gesprächen mit westlichen Diplomaten, auch den deutschen, betonen die HTS-Vertreter, dass sie keine islamistische Herrschaft, sondern die Einbeziehung aller Bevölkerungsgruppen und auch der Minderheiten wünschen. Damit, dass die beiden weiblichen Delegationsmitglieder keine Kopftücher trugen, soll keiner der Gesprächspartner ein Problem gehabt haben. Die Deutschen sprachen auch mit dem für internationale Kontakte zuständigen HTS-Vertreter und De-facto-Außenminister Said al-Attar sowie dem Bildungsminister der von der HTS ernannten Übergangsregierung, Nadir al-Kadari.

Zumindest der erste Eindruck scheint gewesen zu sein, dass die neuen Machthaber zugänglich sind und sich daraus Chancen ergeben. Allerdings traf Tunkel auch Vertreter der Zivilgesellschaft, die sorgenvoll in die Zukunft schauen und von ersten Übergriffen auf Angehörige von Minderheiten berichten. Es gehe jetzt darum, „ein Gefühl dafür zu bekommen, was es braucht, damit die Menschen nicht nur ein paar Wochen und Monate lang aufatmen können, sondern damit aus dieser Hoffnung endlich tragfähige Freiheit wird“, sagte Baerbock am Mittwoch im Bundestag.

Am Freitag wird Baerbock mit der Türkei über Syrien sprechen

In einem Acht-Punkte-Plan fordert die Außenministerin einen „umfassenden syrisch-geführten Dialogprozess, an dem alle gesellschaftlichen, ethnischen und religiösen Gruppen beteiligt sind“.  Die in dem Plan genannten Grundvoraussetzungen sollen auch erfüllt sein, um eine sichere Rückkehr syrischer Geflüchteter zu ermöglichen. „Syrien darf nicht erneut zum Spielball ausländischer Mächte werden“, heißt es in dem Plan, was nicht zuletzt als Botschaft in Richtung Türkei verstanden werden kann. Der Türkei wird erheblicher Einfluss auf die HTS nachgesagt. Im Norden des Landes ist sie militärisch involviert. An diesem Freitag wird Baerbock zu Gesprächen über Syrien in Ankara erwartet.

Besichtigt hat der Nahost-Beauftragte Tunkel auch das Gebäude der deutschen Botschaft, das sich in einem eher beklagenswerten Zustand befinden soll. Vor einer Wiedereröffnung müsse, so heißt es, noch einiges an Arbeit geleistet werden – allerdings auch diplomatisch und politisch.



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