Vor wenigen Tagen sah es so aus, als würde dem Elektroflugzeughersteller Volocopter das gleiche Schicksal ereilen wie Lilium, und ein schon sicher geglaubter Deal mit einem neuen Investor würde in letzter Sekunde scheitern. Die Mitarbeiter erfuhren davon in einer äußerst emotionalen Betriebsversammlung, wie Teilnehmer berichten, und wurden allesamt freigestellt.
Doch nun hat es eine weitere Versammlung mit ganz anderen Nachrichten gegeben: Dabei erfuhren die Volocopter-Leute, dass der österreichische Kleinflugzeughersteller Diamond Aircraft als neuer Eigentümer einsteigen und das Volocity-Programm weiterführen wird. Keines der beiden Unternehmen äußerte sich bislang offiziell dazu, allerdings heißt es in Branchenkreisen, dass das Geschäft vielleicht schon an diesem Montag verkündet werden wird.
Diamond als Investor eröffnet ziemlich interessante Perspektiven. Denn Diamond gehört seit 2017 dem chinesischen Automobilzulieferer Wanfeng und dessen Luftfahrtsparte. Der Konzern arbeitet seit Längerem an elektrischen Kleinflugzeugen, die senkrecht starten und landen, und auch Diamond selbst beschäftigt sich mit elektrisch betriebenen Maschinen. Es könnte also passen.
Es wird harte Einschnitte geben, trotz der Rettung
Dem Vernehmen wird es aber trotz der Rettung große Einschnitte bei Volocopter geben. Von den knapp 500 Leuten, die hauptsächlich in der Zentrale in Bruchsal arbeiten, werden nur 160 übernommen. Viele Verwaltungsfunktionen sollen zu Diamond Aircraft nach Wiener Neustadt wandern. Die verbliebenen Volocopter-Mitarbeiter sollen sich darauf konzentrieren, den Volocity bis zur Zulassung zu bringen.
Volocopter arbeitet seit mehr als zehn Jahren an dem elektrischen Multikopter für innerstädtische Kurzstrecken, mehrere Prototypen fliegen seit Jahren zu Testzwecken. Seit 2023 hatte das Unternehmen versucht, seine Investoren zu weiteren finanziellen Hilfen zu bewegen und staatliche Bürgschaften in Höhe von 100 Millionen Euro zu bekommen. Beides scheiterte, Ende Dezember 2024 musste Volocopter die vorläufige Insolvenz beantragen.
Der zweisitzige Volocity könnte zwar das erste Batterie-betriebene westliche Fluggerät werden, das zugelassen wird. Aber weil es nur einen Passagier befördern kann, ist es wohl nicht wirtschaftlich zu betreiben. Volocopter hatte daher längst geplant, eine viersitzige Version zu bauen, die Vorarbeiten laufen schon. Doch zuletzt fehlte das Geld, das Projekt fortzuführen.
Wangfeng investiert seit Längerem außerhalb der Autobranche. 2017 übernahm das Unternehmen Diamond Aircraft komplett, war aber schon zuvor an Teilen von Diamond beteiligt. Ende 2024 kaufte der Zulieferer das erst 2022 von Volkswagen China gestartete Elektroflugzeug-Projekt V.MO, das er ursprünglich in einem Joint Venture mit dem deutschen Autokonzern weiterführen wollte. Das Fluggerät ist dem Volocity mit seinen acht auf einer Trägerkonstruktion angebrachten Rotoren nicht unähnlich, soll aber mit 200 Kilometern eine viel größere Reichweite haben und vier Personen transportieren.
China sieht Batterie-betrieben Luftfahrt als großes Ziel
Eine neue Industrie in der Batterie-betriebenen Luftfahrt aufzubauen, ist in China, ganz anders als in Deutschland, eines der zentralen wirtschaftspolitischen Ziele. Viel Geld fließt nicht nur in die Fluggeräte, sondern auch in Fabriken und die Infrastruktur.
Diamond Aircraft wurde 1981 von dem österreichischen Luftfahrtpionier Wolf Hoffmann gegründet und hat zahlreiche Namenswechsel hinter sich. In den frühen 2010er-Jahren verhob sich Diamond dramatisch bei dem Versuch, mit dem D-Jet einen Geschäftsreisejet zu entwickeln und geriet in existenzielle Nöte, die sich erst mit dem Einstieg von Wanfeng erledigten.
Diamond ist eine große Nummer bei konventionell angetriebenen Kleinflugzeugen und ein sehr gefragter Hersteller von Trainingsmaschinen in der Piloten-Ausbildung. Rund 5000 Maschinen hat die Firma mittlerweile gebaut. Diamond war auch in anderer Hinsicht ein Pionier – die DA42 ist ein äußerst sparsames zweimotoriges Flugzeug mit Dieselmotor. Von der kleineren DA40 soll es bald auch eine rein elektrische Version, die eDA40 geben.