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Janine Wissler und Martin Schirdewan machen den Weg frei für eine neue Parteiführung bei den Linken. Beide wollen im Herbst nicht erneut für den Parteivorsitz kandidieren, teilten sie dem Parteivorstand mit.
Hintergrund ist die Serie von Wahlniederlagen und die wachsende Kritik an den beiden Vorsitzenden. Wissler und Schirdewan führen die Linke seit 2022 gemeinsam. Zuvor bildete Wissler ein gutes Jahr ein Spitzenduo mit der Thüringerin Susanne Hennig-Wellsow, bevor diese zurücktrat.
Die Partei hat schwierige Jahre hinter sich: Schon 2021 zog sie nur noch über eine Sonderregel mit drei Direktmandaten in den Bundestag ein. Bei der Europawahl im Juni erhielt die Linke lediglich 2,7 Prozent der Stimmen.
Rückzug hat sich bereits angedeutet
„Ich nehme wahr, dass es in Teilen der Partei den Wunsch nach einem personellen Neuanfang gibt“, schrieb Wissler in einer Erklärung. Als sie Parteivorsitzende geworden sei, habe sie die Partei in der gesamten Breite zusammenhalten wollen. „Allerdings musste ich bald feststellen, dass viele Brücken, die ich bauen wollte, bereits mehrfach eingerissen waren.“ Sie habe in den vergangenen Jahren viel Zeit damit verbracht, innerparteiliche Konflikte zu moderieren – die Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner sei dabei zu kurz gekommen. Jetzt sei es für sie Zeit, „einen Schritt zurückzugehen und den Kopf mal durchzulüften“.
In eine ähnliche Richtung äußert sich Schirdewan – und übt dabei auch Selbstkritik: „Notwendige inhaltliche Weiterentwicklungen sind wir auch nach der Abspaltung zu langsam angegangen.“ Die Partei brauche neue Perspektiven und Leidenschaft, um die Erneuerung voranzutreiben. Der Rückzug der Parteispitze hatte sich zuletzt bereits angedeutet. Dem Tagesspiegel hatte Schirdewan kürzlich gesagt: „Keine Frage: Es ist scheiße gelaufen. Da kann man nicht drumrum reden.“ Er werde rechtzeitig darüber informieren, ob er noch einmal antrete.
„Wir brauchen eine strukturelle, politische und personelle Erneuerung“, sagte Gysi
Mehrfach wurden die beiden Vorsitzenden auch zum Rückzug gedrängt: „Ich sage es hier ganz offen, wir brauchen eine strukturelle, politische und personelle Erneuerung“, äußerte sich der frühere Fraktionschef Gregor Gysi. Ähnlich formulierte es der Bundestagsabgeordnete Dietmar Bartsch. Auch die sachsen-anhaltische Fraktionschefin Eva von Angern forderte Wissler und Schirdewan zum Rückzug auf. Kritik kam zudem von der langjährigen Bundestagsabgeordneten Gesine Lötzsch und dem gescheiterten Europakandidaten Gerhard Trabert.

:Man kennt und schätzte sich
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