Die Gruppe der Linken im Bundestag wird künftig von Heidi Reichinnek und Sören Pellmann angeführt. Am Montagabend wählten die Abgeordneten das Duo im Rahmen einer Klausursitzung in Berlin – begleitet von emotionalen Szenen.
Ursprünglich wollten sich zwei potenzielle Doppelspitzen zur Wahl stellen, die jeweils konkurrierende inhaltliche Strömungen der Partei widerspiegeln: Das waren zum einen Clara Bünger, Abgeordnete aus Sachsen, und Ates Gürpinar, einer der Geschäftsführer der Partei. Und zum anderen Heidi Reichinnek, die bei Social Media besonders populär ist, und Sören Pellmann, der bei der vergangenen Bundestagswahl eines von insgesamt drei Direktmandaten der Linken errungen hatte.
Er habe gehofft, dass die Wahl deutlicher ausfalle, sagte Schirdewan
In einem ersten Wahlgang hatte sich zunächst Reichinnek gegen Bünger mit 14 zu 13 Stimmen durchgesetzt. Von den 28 Stimmberechtigten waren nur 27 anwesend, weil sich Bundestags-Vizepräsidentin Petra Pau während der Klausur verletzt hatte und ärztlich versorgt werden musste.
Nach der knappen Wahl Reichinneks hatte sich Parteichef Martin Schirdewan mit einem nachdrücklichen Appell für Geschlossenheit an die Abgeordneten gewandt. «Ich bitte euch sehr, dieses Signal auch zu setzen», sagte Schirdewan zu den Abgeordneten. Seine Rede war auch für die wartenden Journalisten vor dem Saal gut zu verstehen. Er habe gehofft, dass sich die Stimmberechtigten deutlicher hinter einer Kandidatin versammeln, so Schirdewan. «Jetzt haben wird das knappest mögliche Ergebnis.» Dies sei nicht, was die Parteiführung sich gewünscht habe, dennoch müsse es möglich sein, die Konfrontation zu beenden.
In den Tagen vor der Klausur hatte es hektische Bemühungen gegeben, eine Kampfabstimmung zu vermeiden. Die ursprünglich vier Bewerber – Bünger, Gürpinar, Pellmann und Reichinnek – waren noch am Samstag von der Parteispitze aufgefordert worden, sich auf eine «integrative Lösung» zu einigen. Schirdewan und seine Co-Parteichefin Janine Wissler hatten gehofft, aus beiden Duos jeweils einen Kandidaten durchzubringen, und so zu verhindern, dass sich entweder die eine oder die andere Hälfte der Gruppe von ihren Vorsitzenden nicht repräsentiert fühlt. Noch am Sonntag wurde hektisch verhandelt – zu einer Einigung kam es nicht.
In einem zweiten Wahlgang trat dann erneut Clara Bünger an, diesmal gegen Pellmann. Gürpinar zog seine Bewerbung zurück, offenbar in der Hoffnung, damit Büngers Chancen zu erhöhen. Doch auch hier fiel das Ergebnis mit 14:13 gegen Bünger aus.
Die nun wichtigsten Führungsfiguren haben eine komplexe Vorgeschichte
Die Gräben in der Linken sind tief. Bünger und Gürpinar werden der sogenannten «Bewegungslinken» zugerechnet, einer Strömung, die sich vor allem durch eine sehr liberale Migrationspolitik von den anderen Parteien unterscheiden will. Auch ökologische und Gleichstellungsfragen spielen für diese Gruppe eine große Rolle. Pellmann und Reichinnek werden hingegen einem eher pragmatisch orientierten Flügel zugerechnet, der vor allem die soziale Frage im Blick hat, Regierungsbeteiligungen anstrebt und sich vorrangig um praktische Probleme von Menschen mit geringem Einkommen kümmern will.
Für die Parteispitze um Schirdewan und Wissler ist die knappe Wahl der neuen Gruppenführung in mehrfacher Hinsicht bitter. Zum einen, weil das gescheiterte Duo aus Bünger und Gürpinar ihnen inhaltlich näher steht. Zum zweiten, weil es nicht gelungen ist, ein versöhnliches Signal von dieser Postenvergabe ausgehen zu lassen. Dazu kommt: Beim Parteitag in Erfurt im Jahr 2022 hatten Pellmann und Reichinnek für die Parteispitze kandidiert – und ausgerechnet gegen Schirdewan und Wissler verloren. Die vier nun wichtigsten Führungsfiguren der Linken haben also eine komplexe Vorgeschichte.
Am Ende bemühten sich dennoch alle Beteiligten, Optimismus zu demonstrieren: Man werde gut zusammenarbeiten, sagte etwa Parteichefin Janine Wissler. Ziel sei es, 2025 wieder in Fraktionsstärke in den Bundestag einzuziehen.
Gefragt nach der offensichtlichen Spaltung innerhalb der Bundestags-Gruppe sagte Reichinnek, die neue Führung sei «mit einer ehrlichen Mehrheit» gewählt worden. Es habe das Bedürfnis nach einer offenen Aussprache bestanden, die habe es gegeben. Nun wolle sie aber «die Hand ausstrecken und die ganze Gruppe repräsentieren».