Die Entscheidung erregte Aufsehen: Der Logistikkonzern DHL bringt bei einem Duisburger Hochhaus schon seit drei Monaten keine Pakete mehr bis an die Wohnungstür. Stattdessen werfen die Zusteller nur Benachrichtigungskarten in die Briefkästen. Die Empfänger können die Sendungen in einer Postfiliale abholen, die zu Fuß gut zwanzig Minuten entfernt ist. Betroffen sind 320 Wohnungen auf 20 Etagen. Das in den 1970er-Jahren gebaute Haus steht nicht zum ersten Mal in den Schlagzeilen. Über das Gebäude, genannt „Weißer Riese“, war bereits berichtet worden, weil Bewohner Müllsäcke von den Balkonen schleuderten und sich der Sperrmüll häufte.
Der Deutsche-Post-Mutterkonzern DHL begründet seinen Schritt nun damit, dass Beschäftigte in dem Haus bedroht worden seien; außerdem fehlten an vielen Wohnungen und Klingeln die Namensschilder. Konkurrenten wie DPD, GLS oder Hermes stellen Päckchen weiterhin normal zu, wobei ein GLS-Sprecher einräumt, es gebe „Herausforderungen“. Eine solche Herausforderung dürfte sicher sein, dass eben Schilder an den Klingeln fehlen. Ist das bei den Briefkästen genauso, können die Boten der unterschiedlichen Logistikfirmen nicht einmal Benachrichtigungskarten einwerfen. Das Paket geht dann zurück an den Absender.
Ein DHL-Sprecher sagt, es gebe auch andere Situationen, in denen eine Lieferung bis an die Haustür nicht möglich sei. Etwa wenn eine Baustelle den Weg versperrt. Dann bleibt ebenfalls nur, eine Benachrichtigungskarte einzuwerfen. Das Bonner Dax-Unternehmen ist derzeit in Kontakt mit der Hausverwaltung des Weißen Riesen und mit Behörden. Ziel ist es, dass überall Namensschilder hängen – und dass die Bewohner die Boten respektvoll behandeln. Eine Sprecherin des Bundesverbands Paket- und Expresslogistik klagt, Beschimpfungen und Anfeindungen kämen „im Alltag der Paketzustellerinnen und -zusteller grundsätzlich immer häufiger vor“. Das Miteinander in der Gesellschaft sei „teilweise rauer und weniger respektvoll geworden“.
Auch während der Pandemie gab es Ärger
Bereits vor drei Jahren, während der Covid-Pandemie, hatte DHL bei bestimmten Duisburger Adressen die Zustellung gestoppt. Damals ging es nicht nur um Pakete, sondern auch um Briefe. Postboten hatten sich zuvor beklagt, dass ihnen am Erlinghagenplatz Anwohner ohne Maske sehr nahe kämen, Sicherheitsabstände seien nicht gewahrt worden. Deswegen mussten die Anwohner ihre Post über Monate in der Filiale abholen, bis sich die Situation verbessert hatte, auch dank häufiger Patrouillen von Polizei und Ordnungsamt.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Roloff nannte die Situation beim Weißen Riesen „bedauerlich, insbesondere aus Perspektive derjenigen, die dort wohnen und keinen Ärger machen“. Roloff war bei der SPD für die Reform des Postgesetzes zuständig; die Novelle trat Mitte Juli in Kraft. Zuvor war der Rechtsakt ein Vierteljahrhundert lang nicht angepasst worden.
Wichtigste Änderung aus Sicht der Verbraucher ist, dass die Bundesregierung der Deutschen Post von Januar an mehr Zeit gewährt, Briefe zuzustellen. Früher forderte der Rechtsakt, dass 80 Prozent der Schreiben am nächsten Werktag abgeliefert werden müssen. Das fällt künftig weg. Stattdessen gilt, dass Briefe zu 95 Prozent am dritten und zu 99 Prozent am vierten Tag nach dem Einwurf beim Empfänger ankommen müssen. Dies ist eine Reaktion darauf, dass die Briefmengen wegen der Digitalisierung schrumpfen. Die Kosten des Postnetzes verteilen sich daher auf immer weniger Sendungen. Die neue Lizenz zum Trödeln soll die Kosten senken und damit künftige Portoerhöhungen dämpfen.
Für DHL, den weltweit größten Logistikkonzern, ist das deutsche Post– und Paketgeschäft aber ohnehin nicht mehr so bedeutend. Es steht lediglich für ein Fünftel des Umsatzes. Fast ein Drittel stammt dagegen aus dem internationalen Expressgeschäft, die Sparte für Luft- und Seefracht und Lkw-Transporte steuert nahezu ein Viertel bei, etwas weniger kommt aus dem Bereich für Lieferketten-Dienstleistungen, etwa den Betrieb von Lagerhäusern.