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Monatelang wollten ihn westliche Regierungen davon abbringen, bis Yoweri Museveni das Gesetz im Mai vergangenen Jahres schließlich doch unterschrieb. Der ugandische Präsident unterzeichnete ein Gesetz, das die Todesstrafe für „schwere Fälle von Homosexualität“ vorsieht. Der bisherige Höhepunkt einer Welle queerfeindlicher Gesetzgebung auf dem afrikanischen Kontinent. Die sozialdemokratische Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze sagte damals, das Gesetz verletze „grundlegende Menschenrechte“, und sprach von umfassenden Folgen für die Entwicklungszusammenarbeit.
Spätestens seit diesem Tag ist klar: Die Entwicklungspolitik steht vor einem Dilemma: Wie lassen sich Länder unterstützen, die andere Werte vertreten, sich nicht um den Schutz von Minderheiten kümmern? Lassen sich Gelder an Bekenntnisse knüpfen – etwa an den Einsatz für Gleichberechtigung? Und wäre das überhaupt klug?
Für den deutschen Staat stellen sich diese Fragen ganz besonders. Denn anders als beispielsweise Frankreich oder die USA verfügt die deutsche Entwicklungspolitik kaum über eigene Organisationen und Agenturen. Stattdessen werden die staatlichen Gelder an Partner vergeben, darunter kirchliche Organisationen, aber auch säkulare Hilfswerke wie Terre des Hommes. Die Partner können dann meist selbst entscheiden, welche Projekte sie vor Ort betreiben. Lange wurde dieser deutsche Weg international gelobt – als plural und nah an den Zivilgesellschaften. Doch die Handlungsfreiheit der Partner macht die Kontrolle der einzelnen Organisationen schwieriger.
Die Bischöfe in Kenia wollen schärfere Gesetze gegen queere Menschen
Das zeigt ein Beispiel aus einem Nachbarland Ugandas. In Kenia fördert das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) seit 2020 ein Projekt der Katholischen Zentralstelle für Entwicklungszusammenarbeit. 250 000 Euro gehen an die katholische Bischofskonferenz KCCB in Kenia. Drei Viertel davon kommen von der Bundesregierung. Den Rest steuert die sogenannte Durchführungsorganisation bei, in diesem Fall das katholische Hilfswerk Misereor. Das Ziel des Projekts: die „Stärkung der parlamentarischen Lobbyarbeit der Bischofskonferenz“ in Kenia.
Diese fordert unter anderem eine zusätzliche Verschärfung der Gesetze gegen queere Menschen in Kenia – einem Land, in dem Homosexualität bereits strafbar ist. In der katholischen Presse wird die KCCB so zitiert: „Homosexuelle Handlungen sind intrinsisch gestört“. Zudem setzen sich die kenianischen Bischöfe gegen Abtreibungen und Aufklärungsunterricht an Schulen ein, und fördern stattdessen selbst Programme, die statt auf Verhütung auf Abstinenz setzen. In Kenia sind mehr als fünf Prozent der Erwachsenen HIV-positiv.
Das Projekt war zuerst Mitarbeiterinnen des Amsterdamer Institute for Journalism and Social Change aufgefallen, die vor einigen Jahren bereits zu ähnlichen Projekten in Uganda recherchiert hatten. Sie wandten sich mit dem Hinweis an die Süddeutsche Zeitung. Die Förderung ist kein Einzelfall. Das Entwicklungsministerium unterstützt die Lobbyarbeit der katholischen Kirche auf der Ebene der Afrikanischen Union (AU) und auch in Südafrika, wo die Bischofskonferenz allerdings als liberaler gilt.
Die konservative Haltung entspricht der Mehrheitsmeinung im Land
Läuft die Bundesregierung also Gefahr, mit einer Förderung katholischer Lobbyarbeit politische Positionen zu stärken, denen sie sich eigentlich entgegenstellen will? Schließlich hat sich die Bundesregierung zu einer feministischen Außen- und Entwicklungspolitik verpflichtet. Auf eine Anfrage der SZ erklärt ein Sprecher des Entwicklungsministeriums dazu: Nicht-staatliche Partner seien nicht zur Umsetzung der Strategien des Ministeriums verpflichtet, sondern nur angeregt, diese zu beachten. Die Organisationen seien frei in der Wahl ihrer Partner. Nur in ausgewählten „sensiblen Ländern“ bewerte das Auswärtige Amt die Projekte noch einmal einzeln. Kenia gehört nicht dazu.
Man führe mit den kenianischen Bischöfen einen „sehr kritischen Dialog“, schreibt Arno Eul, Sprecher von Misereor. Es sei immer wieder klargestellt worden, dass Lobbyarbeit nicht gefördert werden könne, wenn die Inhalte den Werten von Misereor entgegenstehen. Das Ziel des Projekts in Kenia sei es, „relevante Interventionen“ bei politischen Entscheidungsträgern zu unterstützen und die Bürgerbeteiligung zu fördern. „Die konservative Haltung der katholischen Kirche in Kenia in Bezug auf LGBTIQ+ stellt dort gesellschaftlich eine Mehrheitsmeinung dar“, gibt Eul zu bedenken. Bei aller berechtigten Kritik müsse man abwägen, ob die Kirche nicht in anderen Themen trotzdem ein „wichtiger gesellschaftlicher Akteur“ sei.
Der Queerbeauftragte der Bundesregierung und Staatssekretär im Familienministerium, Sven Lehmann (Grüne), sieht das ganz anders. Mit deutschen Entwicklungsgeldern dürften keine „Projekte und Institutionen gefördert werden“, die dem Zugang zu sexueller und reproduktiver Gesundheit und den Rechten queerer Menschen entgegenstehen, sagt er.
Das dürfte die Förderung der Kirchen und ihrer Hilfswerke grundsätzlich infrage stellen. Laut dem Ministerium laufen rund 30 Prozent der aktuellen Projekte über die katholische oder evangelische Zentralstelle. Insgesamt haben beide Vereine im vergangenen Jahr etwa 340 Millionen Euro von der Bundesregierung erhalten.
Ultrakonservative aus den USA machen Druck
Anruf bei Christof Hartmann. Der Politikwissenschaftler leitet das Institut für Entwicklung und Frieden an der Universität Duisburg-Essen. „Es galt immer als eine Stärke, dass Kirchen über viele Jahre vertrauensvolle Beziehungen in den globalen Süden aufgebaut haben“, sagt er. Beziehungen, die der Staat nie allein hätte aufbauen können. Deshalb habe Deutschland immer besonders stark auf zivilgesellschaftliche und kirchliche Akteure gesetzt. Natürlich mache es einen Unterschied, ob es um ein Krankenhaus auf dem Land gehe oder die Unterstützung von Lobbyarbeit, sagt Hartmann. Als größten Treiber hinter der aktuellen Welle queerfeindlicher Gesetzgebung auf dem afrikanischen Kontinent sieht er allerdings nicht die katholische Kirche, sondern viel mehr evangelikale und ultrakonservative Gruppen aus den USA.
Es sind genau diese Gruppen, die neben dem deutschen Staat zu den Unterstützern der kenianischen Bischofskonferenz zählen. So hat unter anderem die ultrakonservative Lobbyorganisation Family Watch International (FWI) gemeinsam mit den Bischöfen an einer Kampagne gegen Aufklärungsunterricht an kenianischen Schulen gearbeitet.
Ivy Werimba hält Gruppen wie FWI für die größte Gefahr. Man erreicht die 32-Jährige per Video in ihrem Büro in Nairobi. Sie ist Teil der Organisation Galck, die sich für die Rechte queerer Menschen in Kenia einsetzt. Die katholischen Bischöfe würden zwar eher eine „Hintergrundrolle“ in der Debatte einnehmen, aber trotzdem dauernd Stimmung gegen queere Menschen machen, sagt sie. „Die vergessen die Rolle, die sie als religiöse Führer eigentlich spielen sollten: zu Nächstenliebe aufzurufen.“ Mehrmals hebt sie im Gespräch zudem das Engagement der Kirche gegen Aufklärungsunterricht hervor.
Die Finanzierung des Entwicklungsministeriums für das Projekt in Kenia läuft noch in diesem Jahr aus. Ob es verlängert wird, ist noch unklar. Die Bundesregierung hatte allerdings angekündigt, die Budgets für Entwicklungshilfe im kommenden Jahr deutlich zu kürzen. Vielleicht löst sich die Kontroverse also schlicht in Geldsorgen auf.