Das Bundesverfassungsgericht wird oft wahrgenommen als eine Institution, die sich mit den großen Fragen der Zeitgeschichte befasst. Klima, Staatsschulden, Europa etwa. Dort fallen die großen Urteile, welche die Politik umtreiben, manchmal zerbrechen sogar Koalitionen daran. Es gibt aber noch ein anderes Bundesverfassungsgericht. Es entfaltet in jenen Winkeln der Gesellschaft seine Kraft, in denen die menschliche Existenz eingeengt und manchmal bedroht ist durch die Macht eines übergeordneten Systems. Dort wird das Gericht zum natürlichen Gegenspieler staatlich verfügten Zwangs, zum Hüter von Freiheit und körperlicher Unversehrtheit. Dies ist die vornehmste Rolle des Gerichts. Grundrechte sind in solchen prekären Situationen manchmal alles, was den Menschen geblieben ist: Sie schützen, was vom Leben übrig blieb.