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EU-Kommission: Orbáns Mann muss nachsitzen – Politik

by Marko Florentino
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Donald Trump liegt wie ein Schatten über Brüssel. Alles, was in der Europäischen Union derzeit geschieht, hat einen Bezug zum neuen US-Präsidenten, der schon bald die Einigkeit der Europäischen Union auf die Probe stellen wird. Das trifft auch für die Anhörung der designierten Kommissarinnen und Kommissare im Europaparlament zu. Die große Frage: Hat die EU fünf Monate nach den Europawahlen nun endlich bald eine neue Führung, die Trump Paroli bieten kann?

Diese Woche stellten sich im Parlament 20 der 26 Frauen und Männer vor, die von ihren Staats- und Regierungschefs ins Team von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen entsandt worden waren. Drei Stunden lang mussten sie den für ihr Fachgebiet zuständigen Ausschüssen Rede und Antwort stehen. Die Abgeordneten winkten 19 der 20 mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit durch. Nur einer wurde, zumindest vorläufig, aus dem Verkehr gezogen: der Ungar Olivér Várhelyi, Abgesandter von Viktor Orbán, dem Trump-Freund.

Er nannte die Abgeordneten schon mal „Idioten“

Olivér Várhelyi wusste, dass diese drei Stunden kein Spaß für ihn würden. Er gilt als Orbán-Mann. Er hat in den vergangenen fünf Jahren als Kommissar für Fragen der EU-Erweiterung die Wünsche seines Herrn und Meisters in Budapest zu erfüllen versucht. Er hat bei einem Auftritt im Europaparlament, nicht ahnend, dass sein Mikro offen war, die Abgeordneten „Idioten“ genannt. Es galt in Brüssel schon als Degradierung, dass ihm Ursula von der Leyen nun die Zuständigkeit für Gesundheit und Tierwohl zuwies. Vor seiner Anhörung wurde gewitzelt: Könnte man ihm vielleicht die Gesundheit wegnehmen und nur das Tierwohl belassen, und auch nur jenes von Hunden und Katzen?

Várhelyi schlug sich beachtlich, zumindest im Rahmen seiner Möglichkeiten. Der 52-jährige Berufsdiplomat verfügt über große Erfahrung in EU-Dingen und einen geschliffenen Auftritt. Er war sicher im Stoff, referierte lange über Arzneimittelsicherheit und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Pharmaindustrie, machte beachtliche Reformversprechen in Sachen Tierwohl, entschuldigte sich für seinen Spruch mit den „Idioten“ – erst auf Nachfrage zwar, aber immerhin. Die Abgeordneten fanden dennoch zielsicher seinen wunden Punkt: die Rolle der Frau in der europäischen Gesellschaft.

Er sei ein „Freund der Frauen“, sagte Olivér Várhelyi, schon weil er zu Hause eine Ehefrau und drei Töchter habe. Im Auditorium: Stöhnen, Augenrollen. Ob er sich dafür einsetzen werde, dass alle Frauen in Europa Zugang zu sicherer Abtreibung haben, wurde er gefragt. An dem Punkt erklärte er sich – und die EU – für nicht zuständig. Damit war sein Schicksal besiegelt, denn selbstverständlich hat jedes Kommissionsmitglied die Verpflichtung, die Selbstbestimmung der Frau zu fördern, vor allem ein Gesundheitskommissar. Deshalb muss Olivér Várhelyi nun bis Montag fünf schriftlich nachgereichte Fragen beantworten.

Einen Ungarn aber muss es geben in der Kommission

Vermutlich wird man Várhelyi am Ende durchwinken, schon deshalb, weil niemand zusätzlichen Ärger mit Viktor Orbán haben will. Irgendeinen Ungarn muss es in der Kommission ja geben. Die großen Schlachten dürften erst am kommenden Dienstag geschlagen werden, wenn sich im Parlament die sechs Frauen und Männer vorstellen, die Ursula von der Leyen als ihre Stellvertreter nominiert hat.

Wie man die Abgeordneten für sich gewinnt, zeigte diese Woche exemplarisch der Luxemburger Christophe Hansen, 42, der neue Agrarkommissar. Er galt vor den Anhörungen als Wackelkandidat, denn Sozialdemokraten im Parlament hatten darauf gepocht, dass aus Luxemburg wieder der altgediente Nicolas Schmit in die Kommission entsandt wird. Begründung: Schmit war im Europawahlkampf 2024 als ihr Spitzenkandidat angetreten. Doch die konservative Regierung in Luxemburg scherte sich nicht darum und schickte einen der ihren – einen jungen Karrieristen scheinbar. Doch Hansen erwies sich nicht nur fachlich als tadellos, sondern konnte aus eigenem Erleben berichten, welche Not in manchen landwirtschaftlichen Betrieben herrscht.

Hansen ist auf einem Bauernhof aufgewachsen und sprach, auf Nachfrage, mit stockender Stimme von seinem Bruder, der den Hof übernahm. Er erwähnte die Geldsorgen, den Druck der Banken, die Arbeit ohne Ende, die ein Privatleben unmöglich macht. Vergangenes Jahr starb sein Bruder bei einem Sturz. Es sei kein Selbstmord gewesen, sagte Hansen, aber all die Sorgen und der Stress hätten eine Rolle gespielt.

Die nominierte Kommissarin für Gleichberechtigung teilt eine Spitze aus

Es stärkt die Glaubwürdigkeit, wenn die eigene Biografie mit dem politischen Amt verschmilzt, das zeigt auch das Beispiel der Belgierin Hadja Lahbib, 54. Sie soll in der Kommission die Verantwortung für Krisenvorsorge und Krisenmanagement sowie Fragen der Gleichberechtigung tragen. Vor der Anhörung gab es Zweifel: Kann das eine Frau, die bis vor zwei Jahren noch als Fernsehjournalistin arbeitete und danach als belgische Außenministerin nicht immer souverän wirkte? Hinterher gab es kaum noch Zweifel.

Lahbib, nominiert von den belgischen Liberalen, schien mit ihrem Auftritt das Urteil des Soziologen Max Weber („Politik als Beruf“) zu bestätigen: Journalisten und Journalistinnen eignen sich für hohe politische Ämter. Sie verfügt über schnelle Auffassungsgabe, und dass sie sich in einer Männerwelt behaupten kann, lässt sich an ihrer Vita ablesen. Die älteste Tochter eines muslimischen Einwanderer-Paares aus Algerien wird nun die Rolle der Frauenrechtlerin in der EU-Kommission übernehmen.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, sagte sie vor den Abgeordneten im Parlament, habe es als Verstoß gegen Menschenrechte gewertet, wenn Frauen keinen sicheren Zugang zu Abtreibung haben. „Ich weiß, hier sind manche Leute anderer Meinung, aber darauf können wir aufbauen.“ Das war am Tag, als Donald Trump gewählt wurde, ein schöner Kontrapunkt zu Olivér Várhelyi, dem „Freund der Frauen“.



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