Home » EU-Zölle gegen China-E-Autos: Kanzler-Machtwort empört grünen Koalitionspartner – Politik

EU-Zölle gegen China-E-Autos: Kanzler-Machtwort empört grünen Koalitionspartner – Politik

by Marko Florentino
0 comments


Mit einem Machtwort im Streit über Zölle auf chinesische E-Autos hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Irritationen in Europa ausgelöst und neuen Ärger in seiner Koalition verursacht. Gegen den Willen der Grünen ordnete Scholz eine deutsche Gegenstimme zum Zollbeschluss der EU-Kommission an. Damit hat er bereits zum zweiten Mal in seiner Amtszeit von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch gemacht. Scholz ist nach Konrad Adenauer der überhaupt erst zweite Kanzler, der explizit zu diesem Machtmittel greift. In der deutschen Verfassungspraxis war es bisher in der Regel ausreichend, dass der Regierungschef theoretisch über das letzte Wort verfügt. Scholz’ Entscheidung gilt daher als weiterer Hinweis auf die Zerrüttung in der Ampelkoalition und eher als Zeichen der Schwäche.

Auch auf europäischer Ebene gibt sich Scholz durch das Nein eine Blöße, da sich Deutschland mit seiner Position nicht durchsetzen konnte. Die EU-Kommission wirft China unfaire Subventionen vor. In einer Abstimmung der 27 EU-Staaten erhielt sie die erforderliche Unterstützung, um die geplanten Strafzölle in Höhe von bis zu 35,3 Prozent auf E-Autos aus China zu verhängen. Zehn Länder stimmten für die Zölle, dem deutschen Nein schlossen sich nur Ungarn, Slowenien, die Slowakei und Malta an. Zwölf Mitgliedstaaten enthielten sich.

Um die Zölle verhindern zu können, hätte sich eine Mehrheit der EU-Staaten gegen das Vorhaben aussprechen müssen, die zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU ausmachen. Insbesondere der französische Präsident Emmanuel Macron hatte das Vorhaben der EU-Kommission unterstützt. Das von Scholz durchgesetzte Nein gilt vor allem auch als Signal an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Scholz sieht durch die Entscheidung der Kommission die in China stark engagierte deutsche Autoindustrie einseitig belastet.

Scholz hält Billigimporte in anderen Bereichen für schädlicher

Dem Machtwort des Kanzlers war am Mittwoch eine kontroverse Diskussion im Kabinett vorausgegangen. Darin hatte sich Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) nach SZ-Informationen für eine harte Haltung gegenüber Peking eingesetzt, während sich Kanzler Scholz und Finanzminister Christian Lindner (FDP) gegen die Strafzölle aussprachen und das von der EU-Kommission gewählte Verfahren kritisierten. Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) plädierte für Enthaltung – eine Position, der sich Baerbock schließlich angeschlossen haben soll. „Unsere Reaktion als EU darf nicht dazu führen, dass wir uns selbst schädigen“, sagte Scholz nach der Kabinettssitzung bei einer Veranstaltung des Außenhandelsverbands BGA. Deswegen solle man lieber „dort anpacken, wo chinesische Billigimporte unserer Wirtschaft tatsächlich schaden, beispielsweise beim Stahl“.

Durch die Weisung, die am Donnerstagnachmittag aus dem Kanzleramt kam, muss sich nun vor allem Habeck brüskiert fühlen. Formal ist er als Wirtschaftsminister für Handelsfragen zuständig. Die Position der EU-Kommission sei „glaubwürdig“, hatte Habeck vorige Woche noch einmal nach einem Treffen mit der Autoindustrie bekräftigt. Zugleich hatte er betont, er sei „kein Fan von Zöllen“. Zu befürchten sei eine Zollspirale und letztlich ein Handelskrieg. Besser sei eine politische Lösung. Im Juni war Habeck deshalb unter anderem selber in Peking; erst Mitte September traf er Chinas Handelsminister Wang Wentao in Berlin.

Er hätte anders entschieden, sagt Habeck

Entsprechend pikiert reagierte Habeck auf die Entscheidung des Kanzlers. Inzwischen verhandelten die Chinesen „erstmals ernsthaft“. Dazu sei es nur gekommen, „weil China merkt, dass die EU entschlossen ist und auch geschlossen“. Anders gewendet: Das deutsche Nein, erzwungen durch ein Machtwort aus dem Kanzleramt, schwäche die Verhandlungsposition der Europäer. „Deshalb hätte ich anders entschieden“, sagt Habeck nun. „China versteht klare Sprache und Ansagen sehr gut. Schwäche weiß es zu nutzen“, betonte er.

An der Zollfrage bricht nun ein grundsätzlicher Dissens über den richtigen Umgang mit dem machtbewussten China wieder auf, der die Ampelkoalition seit Beginn begleitet. Angeführt von Außenministerin Baerbock plädieren die Grünen auch als Lehre aus den Fehlern im Umgang mit Russland für eine selbstbewusste Linie gegenüber Peking. Im vergangenen Jahr hatte Baerbock Aufsehen erregt, als sie Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping in einem Interview mit dem US-Sender Fox News einen „Diktator“ nannte.

Am Freitag wurde der Streit nach SZ-Informationen auch zum Thema einer Führungsschalte aus Partei- und Fraktionsführung sowie den grünen Ministern Habeck und Baerbock. Man habe die unterschiedlichen Standpunkte diskutiert, hieß es danach. „Wir dürfen uns in Europa doch nicht von China spalten lassen“, empörte sich die Co-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann auch öffentlich. Wieder einmal stelle sich Deutschland mit dem „Nein“ des Kanzlers gegen Strafzölle auf „unfair subventionierte Elektroautos aus China“ gegen die EU-Kommission. Scholz’ Entscheidung sei „industrie- und geopolitisch falsch“, kritisierte auch die scheidende Grünen-Chefin Ricarda Lang über den Kurznachrichtendienst X. 

Zuletzt hatte auch der Verfassungsschutz erstmals eindringlich davor gewarnt, dass China in den Augen des Inlandsgeheimdienstes mehr Gefahr als Chance für die deutsche Wirtschaft sei. China verfolge aggressiv mit legitimen, aber auch illegalen Mitteln das Ziel, bis 2049 wichtigste wirtschaftliche, wissenschaftliche und militärische Macht der Erde zu werden, warnte Verfassungsschutz-Vizechef Sinan Selen. Das Misstrauen gegenüber China und die Sorge vor Sabotage und Spionage war in der Regierung zuletzt so groß, dass sie im Juli beschloss, zentrale Bauteile des chinesischen Telekomausrüsters Huawei sollten bis spätestens 2029 aus wichtigen Teilen des deutschen Mobilfunknetzes verschwunden sein.



Source link

You may also like

Leave a Comment

NEWS CONEXION puts at your disposal the widest variety of global information with the main media and international information networks that publish all universal events: news, scientific, financial, technological, sports, academic, cultural, artistic, radio TV. In addition, civic citizen journalism, connections for social inclusion, international tourism, agriculture; and beyond what your imagination wants to know

RESIENT

FEATURED

                                                                                                                                                                        2024 Copyright All Right Reserved.  @markoflorentino