Frank Bohmann ahnt, was da auf ihn zukommen wird. Am Wochenende findet in der riesigen Lanxess-Arena in Köln, die knapp 20 000 Menschen fasst und bis auf den letzten Platz ausverkauft ist, eine der weltweit besten Handballveranstaltungen statt, wie der Geschäftsführer der Handball-Bundesliga (HBL) findet. Zwischen den Füchsen Berlin, dem SC Magdeburg, der SG Flensburg-Handewitt, die in der Bundesliga die Plätze eins bis drei belegen, sowie dem Fünften Melsungen wird der erste Titel der Saison vergeben. Im ersten Halbfinale zwischen Berlin und Magdeburg am Samstag (16.10 Uhr/ARD) treffen die Champions der wichtigsten europäischen Klubwettbewerbe aufeinander, Berlin gewann die European League und Magdeburg die Champions League. Viel mehr Qualität geht nicht. Auch die wiedererstarkten Flensburger oder Melsungen gäben im zweiten Halbfinale (19 Uhr) genügend Stoff für interessante Geschichten her.
Die Debatten in Handballdeutschland aber bestimmen zwei Spieler, die gar nicht dabei sind: der wegen eines Dopingverdachts suspendierte Magdeburger Torwart Nikola Portner sowie Juri Knorr, Mittelmann der Nationalmannschaft, über den spekuliert wird, dass er die Bundesliga in Richtung des dänischen Champions-League-Teilnehmers Aalborg verlassen will.
Portner wurde zunächst von seinem Verein, dann nach einer Krisensitzung von der HBL suspendiert, nachdem die Nationale Anti-Doping-Agentur (Nada) veröffentlicht hatte, dass eine Wettkampfprobe des 30-jährigen Schweizers positiv auf Methamphetamin ausgefallen sei, besser als Partydroge Crystal Meth bekannt. Die verbotene Substanz ist wegen ihres aufputschenden Effekts im Spitzensport beliebt. Die HBL hat fortan die Hoheit in diesem Fall, der nächste Schritt ist die Einleitung eines Disziplinarverfahrens, in dem auch Portner gehört werden wird, der jegliches Fehlverhalten von sich weist.
Wechselt Juri Knorr nach Dänemark? Ihm macht die große Aufmerksamkeit hierzulande zu schaffen
Die Folgen für die Magdeburger sind immens, neben dem Imageschaden muss der Verein bei der ersten Titelvergabe der Saison auf einen seiner Schlüsselspieler verzichten. Auch im Bundesligaendspurt und im Kampf um die Teilnahme am Final Four der Champions League war Portner bislang eine Hauptrolle zugedacht. Der Klub hat schnell reagiert und im Schweden Mikael Aggefors einen erfahrenen Ersatz verpflichtet.
Der 39-Jährige hat einen Vertrag bis Saisonende unterschrieben, offenbar war Magdeburgs Trainer Bennet Wiegert das Risiko zu groß, mit einem Nachwuchstorhüter an der Seite des Spaniers Sergey Hernandez Ferrer ins Pokalwochenende und vielleicht auch in den Rest der Saison zu gehen, sollte Portner längerfristig gesperrt werden. Aggefors gewann mit der schwedischen Nationalmannschaft 2021 WM-Silber, war mehrmals dänischer Meister und stand mit Aalborg Handbold vor drei Jahren im Champions-League-Finale. Der schnelle Wechsel ist möglich, weil Aggefors im vergangenen Sommer seine Karriere beendet und als Torwarttrainer in seiner Heimat gearbeitet hat.
Der dänische Spitzenklub Aalborg spielt auch beim zweiten Aufreger der Handballszene hierzulande eine entscheidende Rolle. Denn dorthin soll Juri Knorr wechseln. Der Spielmacher der Nationalmannschaft und der Rhein-Neckar Löwen hat bei den Mannheimern noch einen Vertrag bis Sommer 2026, ein Weggang nach Ablauf des Kontrakts wirkt beim Blick auf seinen bisherigen Karriereweg durchaus schlüssig. Es wird aber spekuliert, dass der 23-jährige Publikumsliebling schon früher die Bundesliga verlässt. Im vergangenen Jahr war er beim Pokalgewinn der Löwen noch der umjubelte Held, den Titel sind die Mannheimer allerdings seit ihrer Viertelfinalniederlage gegen Magdeburg bereits los.
In Berlin nennen sie das Pokalfinale schon den «Super Bowl» des Handballs
Knorr äußert sich seit der Europameisterschaft im Januar nicht mehr öffentlich, wohl auch, weil er von einigen Handballexperten, die teilweise mit Boulevardmedien kooperieren, anhaltend kritisiert wird. Sportlich lief es für den Spielmacher zuletzt weder in der deutschen Auswahl noch im Verein nach Wunsch, augenscheinlich macht Knorr die enorme öffentliche Aufmerksamkeit zu schaffen. In Dänemark könnte er diesem Druck sowie der großen Hingabe des Boulevards entgehen, zudem wird in der kommenden Saison in Maik Machulla ein deutscher Trainer Aalborg übernehmen. Nach SZ-Informationen ist Knorr allerdings bisher nicht mit einem Wechselwunsch an seinen Arbeitgeber herangetreten.
So stehen vor dem Final Four zwei Elefanten in der Halle, die der hochklassigen Veranstaltung viel Aufmerksamkeit nehmen. HBL-Geschäftsführer Bohmann hofft, dass sobald der erste Ball durch die Halle fliegt, das Sportliche in den Vordergrund rückt. Verdient haben es die Aktiven allemal, aus Berlin ist zu hören, dass es sich beim Pokalwochenende um den «Super Bowl» des Handballs handelt. Im Vorjahr musste sich der SC Magdeburg im Finale den Rhein-Neckar Löwen nach Siebenmeterwerfen geschlagen geben, um ein paar Wochen später an selber Stelle das Final Four in der Champions League zu gewinnen.
Im Finale am Sonntag (15.35 Uhr/ARD) wird der Nachfolger der Mannheimer um Juri Knorr gekürt, leichter Favorit war bis zuletzt Magdeburg. Allerdings: Den Verlust eines der weltbesten Torhüter steckt selbst die Mannschaft eines Champions-League-Siegers nicht einfach so weg.