Es war wieder einmal einer jener Tage an den Finanzmärkten, die interessierte Laien staunend zurücklassen: Eigentlich hätte man annehmen können, dass die erste Runde der Parlamentswahlen in Frankreich an den Börsen ein Beben auslösen würde. Die rechtsextreme Partei Rassemblement National hatte 33 Prozent der Stimmen gewonnen, nach wie vor droht eine absolute Mehrheit der europafeindlichen Partei von Marine Le Pen in der Nationalversammlung. Zweitstärkste Partei war mit 28 Prozent das linke Wahlbündnis Nouveau Front populaire. Die gemäßigte Mitte spielt kaum mehr eine Rolle.
Und was sagen die Investoren dazu? Sie scheinen den bedenklichen Wahlausgang geradezu zu feiern. An der Pariser Börse legte der maßgebliche Aktienindex CAC am Montag um bis zu 2,8 Prozent zu. Besonders beliebt waren die Papiere der großen französischen Banken mit Gewinnen zwischen fünf und sieben Prozent. Beim deutschen Börsenbarometer Dax betrug das Plus am Nachmittag 0,5 Prozent. Auch auf dem Anleihenmarkt, dem Gradmesser für Krisen im Euroraum, blieb es ruhig. Der sogenannte „Spread“, also die Lücke zwischen der Rendite französischer und deutscher Staatsanleihen, verringerte sich sogar leicht von zuvor 0,82 auf 0,73 Prozentpunkte. Der Spread steigt immer dann, wenn Investoren einem Land weniger zutrauen, seine Schulden zurückzahlen zu können. Vor dem 9. Juni, als Staatspräsident Emmanuel Macron die Neuwahlen ankündigte, hatte der Spread noch 0,48 Prozentpunkte betragen.
Wie ist die positive Reaktion an den Finanzmärkten zu erklären? Zum einen liegt es daran, dass die Aktienkurse nach dem 9. Juni bereits deutlich gesunken waren. Der Spread war dagegen deutlich gestiegen, weil Investoren mit starken Zuwächsen der extremen Parteien rechneten. „Man hatte sogar ein noch besseres Ergebnis für Le Pen erwartet“, sagt Robert Halver, Marktstratege der Baader Bank. Nun gehe man davon aus, dass die Rechtsextremen eher keine Parlamentsmehrheit erhalten. Und selbst wenn es anders komme, werde die französische Rechte nicht europafeindlich sein, das zeige das italienische Beispiel. „Die EU wird ihr signalisieren, dass sie mehr Schulden machen kann und sie damit einfangen“, sagt Halver. Damit würden zwar die Stabilitätskriterien weiter gelockert, aber das ist ein Preis, den die EU wohl zu zahlen bereit wäre. Am Ende komme alles nicht so schlimm, wie es zwischendrin scheine, „in den letzten 20 Jahren ist viel Hornhaut an den Börsenfingern gewachsen“. Und sollten die Zinsen für Frankreichs Staatsanleihen stark steigen, würde vermutlich die EZB einspringen.
Es hätte also schlimmer kommen können, deshalb fiel die Reaktion an der Börse am Montag so gemäßigt aus. „Das Wahlergebnis ist wahrscheinlich besser als befürchtet“, sagt auch Mohit Kumar, Chefökonom der Investmentbank Jefferies. Allerdings sei der gegenwärtige Stand nicht so gut wie vor der Ankündigung der Wahlen vor drei Wochen. „Es könnte sein, dass uns in den nächsten Jahren eine politische Lähmung in Frankreich bevorsteht und der Reformprozess ins Stocken gerät.“ Ängste vor einem „Frexit“ oder einem Auseinanderbrechen der Eurozone seien jedoch unbegründet.