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Franziska Preuß: Ihr langer Weg zur weltbesten Biathletin – Sport

by Marko Florentino
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Die Maske ist immer dabei. Desinfektionsmittel auch, und wenn möglich, verbringt Franziska Preuß ihre Zeit am liebsten allein. Nun gut, nicht wirklich am liebsten, gesellig ist die Bayerin schon – aber über all die Jahre hat die deutsche Biathletin festgestellt: Jeder andere Mensch birgt ein potenzielles Risiko für ihre Gesundheit. Also sitzt sie am Abend nach ihrem größten Erfolg – dem WM-Titel in der Verfolgung – mit Mund-Nasen-Schutz inmitten des deutschen Teams. Als der Sekt ausgeschenkt wird, darf mal kurz Luft ans Gesicht. Verantwortung für sich selbst zu übernehmen, ist Preuß wichtig. Auch jetzt, am Ziel ihrer Träume.

Solche Tage wie jene, die die 30-Jährige in Lenzerheide gerade erlebt, kann man sich als Sportler nicht zurechtlegen. Vier Medaillen in fünf Rennen hat Preuß vor dem abschließenden Wochenende schon gewonnen, mehr als jede andere Sportlerin, jeder andere Sportler in der Schweiz. Wenn sie das hört, muss sie sich selbst schütteln: „Das ist unglaublich.“ Und mit Blick auf ihre Karriere und Maßnahmen, die sie rund um ihren Sport trifft, könnte man doch zu dem Schluss kommen: Franziska Preuß hat sich diesen Erfolg genauso zurechtgelegt.

Dass nicht immer Talent und Training reichen, um ganz nach oben zu kommen, dass manchmal auch Geduld und Forschergeist dazukommen müssen, dafür ist die Führende im Weltcup das beste Beispiel. Dabei war ihr Name einer, der den Trainern schon in den Köpfen herumschwirrte, als Magdalena Neuner ihre Karriere im März 2012 beendete. Kurz zuvor hatte Preuß als 17-Jährige bei den Olympischen Jugendwinterspielen dreimal Gold und einmal Silber gewonnen, und da gab Frank Ullrich, damaliger Nachwuchs-Cheftrainer der Biathleten, schon mal einen Ausblick: „Solche Erfolge und Erfahrungen motivieren junge Menschen für ihr gesamtes Leben.“

Den Glauben an sich selbst nicht zu verlieren, war dann die größere Herausforderung als all das Training. Zusammen mit der sechs Monate älteren Laura Dahlmeier gewann Preuß 2015 bei der WM in Kontiolahti Staffelgold, Silber im Massenstart noch dazu – doch dann avancierte Dahlmeier zur Biathlon-Überfliegerin. Sie wurde siebenmalige Weltmeisterin und Doppel-Olympiasiegerin, Preuß rutschte in die Rolle des Pechvogels. Mal schnitt sie sich beim Avocadoschneiden in die Hand, mal erlitt sie einen Haarriss im Steißbein oder knickte auf der Treppe um. Vor allem war Preuß anfällig für Infekte. Sie war die ewige Kranke. Die, die Weltmeisterschaften verpasste und Saisons abbrechen musste, weil die Kraft nicht reichte. Die, über die alle sagten: Wenn sie nur mal gesund bleiben würde, wäre sie eine für ganz oben. Das nagte am Selbstbewusstsein, und manchmal versagten Preuß dann auch die Nerven am Schießstand.

Noch als Teenagerin war Franziska Preuß als Mittelstreckenläuferin in der Leichtathletik unterwegs

Auch nach Dahlmeiers Rücktritt im Jahr 2019, als Denise Herrmann-Wick als späte Umsteigerin vom Langlauf auf Biathlon deutsche Medaillen holte, blieb Preuß oft nur die Rolle als Beobachterin von Erfolgen, die sie selbst gern gefeiert hätte. Dass immer eine andere die Nummer eins im deutschen Team war, sei für sie „nie ein großes Thema“ gewesen, sagt Preuß heute: „Ich habe einfach meine eigenen Geschichten und Herausforderungen gehabt.“ Lange quälte sie die Ungewissheit, was sie tun kann, um gesund zu bleiben. Es folgten eine „Doktorrallye“, mehrere Operationen an den Nasennebenhöhlen. Seit der letzten im vergangenen Frühjahr geht es Preuß endlich wieder gut.

„Ich habe noch nie jemanden eine bessere Verfolgung laufen sehen“, sagte Sportdirektor Felix Bitterling nach Preuß’ WM-Triumph in Lenzerheide. 20 Treffer und über 30 Sekunden Vorsprung im Ziel waren tatsächlich eine Machtdemonstration. Dabei hat Preuß im Gegensatz zu Dahlmeier und Herrmann-Wick nicht schon als Kind auf Skiern gestanden. Noch als Teenagerin war sie als Mittelstreckenläuferin in der Leichtathletik unterwegs. Zum 15. Geburtstag bekam sie von ihrem Vater ein Schnuppertraining im Nachwuchscamp von Fritz Fischer in Ruhpolding geschenkt, das machte schließlich mehr Spaß. „Es war auffällig, dass sie sehr schnell Anweisungen umsetzen konnte im Training“, sagt ihr damaliger Jugendtrainer Tobias Reiter.

Große Werbespots wie manche Vorgängerin dreht Preuß nicht, sie lebt jeden Tag in ihrem Sport. Und vor allem überlässt sie heute nichts mehr dem Zufall, vertraut auf ihren eigenen Weg. Im vergangenen Sommer trainierte sie weitestgehend allein und fernab von den anderen deutschen Biathletinnen. Sie fuhr an den WM-Standort Lenzerheide, machte sich mit dem Stadion und dem Anlauf zum Schießstand vertraut, notierte ihre Erkenntnisse. Und auch in Antholz absolvierte sie ihre Einheiten – dem kommenden Olympia-Austragungsort. Isolation gehört für Preuß im privaten Umfeld genauso dazu wie im sportlichen: Schon seit Jahren verzichtet sie in der Weihnachtszeit auf Kontakte im größeren Familienkreis, um nichts zu riskieren. In Lenzerheide hat sie als einzige deutsche Athletin ein Einzelzimmer, während sich die anderen vier ein Zimmer teilen. „Letztes Jahr hatten wir die Situation, dass das ein oder andere Mal das Virus im Team war und die Runde gemacht hat. Das wollte ich vermeiden“, sagt Preuß.

Einer der schönsten Momente in ihrem Sport sei der Staffelgewinn 2015 in Kontiolahti gewesen, sagte Preuß zuletzt in einem Video mit einem Sponsor, da war ihr Triumph von Lenzerheide noch weit weg. „Da waren wir alle noch so jung, keiner hat was von uns erwartet.“ Und da merkte man, wie viel Druck sie auch empfunden hat, endlich ihr Potenzial zu entfalten. Nach dem Verfolgungsgold in der Schweiz fiel alle Anspannung von ihr ab. Da stand ihre Mutter im Ziel zur Umarmung, es liefen die Tränen. Ein paar Blicke nur, keine Worte nötig.



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