Wer in den vergangenen Tagen die Fußball-Relegationsspiele zur ersten und zweiten Bundesliga verfolgt hat, dem dürften die Werbebanner von GWM (Great Wall Motor) nicht entgangen sein. Der chinesische Autohersteller versucht, sich in Deutschland bekannter zu machen. Ähnliches versucht sein ebenfalls chinesischer Mitbewerber, der weltweit größte E-Autobauer BYD, der bei der Mitte Juni startenden Fußball-EM großer Mobilitätssponsor ist, also die Autos für Mitarbeiter und Funktionäre stellt. Das ist auch dringend nötig, denn die Geschäfte laufen bislang schlecht in Europa. Von der angekündigten China-Welle günstiger E-Autos, die die heimischen Autobauer verdrängen sollen, ist wenig zu sehen.
Doch statt eine große Offensive zu starten, tritt zumindest GWM jetzt auf die Bremse. Am Dienstagvormittag um 11 Uhr erfuhren die rund hundert Mitarbeitenden in der Europazentrale in München, dass sie in zwei Monaten ihren Job los sind. Von der bayerischen Landeshauptstadt aus steuerte GWM das Geschäft, plante Modelleinführungen und suchte nach neuen Märkten in Europa. Neben Deutschland bietet Great Wall seine E-Autos und Plug-in-Hybride auch in Großbritannien, Irland, Schweden und Israel an. Ende August wird die Zentrale in München geschlossen, gehen muss auch Europa-Chef Steffen Cost, der erst vergangenes Jahr vom Autohersteller Kia zu GWM gewechselt war.
Mit jedem verkauften Auto macht Great Wall Verluste
Der Grund für den drastischen Schritt sind laut dem Unternehmen «riesige Verluste», die man aktuell in Europa mit jedem verkauften Fahrzeug einfährt. Und das Interesse an den GWM-Modellen ist ohnehin gering: Gerade einmal 1500 Autos hat der Hersteller nach einer Erhebung des Marktforschungsdienstleisters Schmidt Automotive Research im ersten Quartal in Europa verkauft. Und das, obwohl das Einstiegsmodell Ora 03 mit knapp 27 000 Euro zu den günstigsten Angeboten im Elektromarkt gehört.
Andere chinesische Hersteller wie BYD oder Nio tun sich ebenfalls schwer im europäischen Markt. Nur MG konnte sich bisher in Europa als Marke etablieren. Der einst britische Hersteller, der mittlerweile zum chinesischen Staatskonzern SAIC gehört, verkaufte vergangenes Jahr 230 000 Fahrzeuge in Europa, davon mehr als 20 000 in Deutschland.
Für noch recht unbekannte Marken wie Great Wall sind die Aussichten dagegen trübe. Mit den wenigen Autos, die man in Europa verkauft, verbrennt man Geld. Außerdem dürfte die EU den chinesischen Herstellern bald ein weiteres Problem bereiten. Sehr wahrscheinlich wird die Kommission Anfang Juni Strafzölle auf aus China importierte E-Autos erheben. Das würde die Fahrzeuge verteuern – was nicht gerade zu einer Absatzsteigerung führen dürfte. Bisher hat GWM, anders als etwa BYD, keine konkreten Pläne, Autos auch in Europa zu bauen und dadurch die Zölle zu umgehen.
Möglich ist, dass Great Wall künftig auch Verbrenner in Europa verkaufen wird. Solche Überlegungen soll es bereits geben, allerdings dauert es mindestens eineinhalb bis zwei Jahre, um ein Modell von China für den europäischen Markt anzupassen. Die Strategie scheint zu sein: Erst einmal abwarten und die Verluste eindämmen.
Weiter verkaufen wird Great Wall seine Elektroautos bis dahin auch in Deutschland. Das Unternehmen betont, für die Kunden werde sich mit der Schließung der Europazentrale nichts ändern. Verantwortlich für den Vertrieb in Deutschland ist die Emil-Frey-Gruppe, ein großer Autohändler mit Sitz in Zürich. Ein Sprecher der Gruppe teilte mit, die Entscheidung von GWM habe «keinen Einfluss auf das Geschäft in Deutschland». Das Händlernetz bleibe bestehen und biete weiterhin Service und Beratung. Der erste Ansprechpartner für Emil Frey sitzt bald allerdings nicht mehr in München, sondern in Baoding, China.