Bundesfinanzminister Christian Lindner bricht an diesem Donnerstag Richtung Italien auf. Direkt nach dem Festakt zum 75-jährigen Bestehen des Grundgesetzes wird der FDP-Chef ins Flugzeug steigen. Sein Ziel: In Stresa, am Lago Maggiore, kommen die Finanzminister und Notenbankchefs der sieben führenden westlichen Industriestaaten (G 7) zusammen. Auch Vertreter des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank werden dabei sein, ebenso die Gastländer Mauretanien, Brasilien, Indien, Korea und Saudi-Arabien. Und: Auch der ukrainische Finanzminister wird an einer Gesprächsrunde teilnehmen.
Bis Samstagmittag soll es in Stresa um die Lage der Weltwirtschaft gehen, um die internationale Besteuerung und die Entwicklungs- und Klimaschutzfinanzierung. Besprochen werden dürfte auch der akute Handelsstreit zwischen den USA und China. Im Zentrum aber wird etwas anderes stehen: die Ukraine und wie dem Land finanziell geholfen werden kann, und zwar längerfristig.
Bei diesem Thema zeichnet sich allerdings eine Meinungsverschiedenheit im G-7-Kreis ab. Es geht dabei um die milliardenschweren Vermögenswerte der russischen Zentralbank, die als Reaktion auf den völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine weltweit eingefroren worden sind. Diskutiert wird aktuell, ob und wie diese Mittel verwendet werden könnten, um die Ukraine finanziell und militärisch zu unterstützen.
Grob gesagt ist die Idee der USA, das Vermögen an sich zu verwerten – oder es wenigstens als Sicherheit zu nutzen, um Kredite aufzunehmen, die dann an die Ukraine fließen könnten. Die EU dagegen hat diese Woche lediglich beschlossen, die Zinserträge aus dem eingefrorenen russischen Zentralbankvermögen künftig zu nutzen, um weitere Militärhilfen für die Ukraine zu finanzieren.
Gerechnet wird dabei mit Zinserträgen zwischen 2,5 und drei Milliarden Euro im Jahr. Das ist zwar nicht nichts. Gemessen daran, dass laut EU-Kommission aber insgesamt Vermögenswerte von 260 Milliarden Euro eingefroren sind – rund 210 Milliarden davon in der EU – wären drei Milliarden eine doch eher überschaubare Summe.
Für Deutschland sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Mittwoch: «Es bleibt unsere Position: Es geht um die Erträge aus den eingefrorenen Vermögenswerten. Es geht nicht um die Vermögenswerte an sich.» Hintergrund der vorsichtigeren deutschen und EU-Position sind rechtliche Bedenken.
Allerdings wird auch in Deutschland nicht ausgeschlossen, dass es am Ende doch noch eine weitergehende Nutzung der Gelder geben könnte – wenn dies rechtssicher möglich wäre. Aus Kreisen des Bundesfinanzministeriums hieß es am Mittwoch, dass man darüber in Stresa sprechen werde. «Wir sind offen für weitere Vorschläge, wie man diese Vermögenswerte noch besser hebeln kann», sagte ein Regierungsvertreter. Wenn es einen «rechtlich tragfähige Mechanismus» gebe, die Finanzflüsse aus den eingefrorenen Vermögenswerten noch besser nutzbar zu machen, «dann sind wir ganz sicher dazu bereit». Der französische Finanzminister Bruno Le Maire sagte laut Agenturberichten, die G-7-Gruppe müsse eine einheitliche Linie finden. Er sei bereit, über die amerikanischen Vorschläge zu beraten.
Auch wenn in dieser Frage noch keine Einigkeit herrscht und am Lago Maggiore intensiv diskutiert werden wird: Mit einem tiefgreifenden Disput innerhalb der Gruppe ist in Stresa eher nicht zu rechnen. Zum einen sind G-7-Treffen – anders als die im sehr viel größere G-20-Kreis – ein eher familiäres Format, mit fast schon informellem Charakter. Und zum anderen ist die Verwendung der eingefrorenen Vermögenswerte ohnehin eine Frage, deren finale Beantwortung die Finanzminister sich aufheben werden: für den G-7-Gipfel ihrer Staats- und Regierungschefs, Mitte Juni in Apulien.