Der Freistaat stellt 30 Millionen Euro zur Verfügung, damit die Schäden an den Dämmen, Deichen und anderen Schutzbauten schnell repariert werden können, die beim Juni-Hochwasser entstanden sind. Das haben Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) nach der Kabinettssitzung am Dienstag in Kloster Weltenburg erklärt. Außerdem kündigten Söder und Glauber „perspektivisch“ weitere 100 Millionen Euro für Hochwasserschutzmaßnahmen im Freistaat an. Sie sind zusätzlich zu den etwa zwei Milliarden Euro vorgesehen, die der Freistaat gemäß seinem Hochwasserschutzprogramm bis 2030 ausgeben wird.
„Wir müssen gerüstet sein für den nächsten Lastfall“, sagte Glauber. Deshalb müsse man die Schäden am Hochwasserschutz rasch beheben und neue Projekte beschleunigen. Zugleich wiesen Söder und Glauber darauf hin, dass der Freistaat seit der Jahrtausendwende vier Milliarden Euro in den Hochwasserschutz investiert hat und in dem Bereich an der Spitze der Bundesländer steht. Mit dem Geld habe man unter anderem 190 Kilometer Deiche neu gebaut und 340 Kilometer Deiche saniert. Das Juni-Hochwasser hatte vor allem in Südbayern Schäden in Milliardenhöhe angerichtet, mindestens fünf Menschen starben in den Fluten, 7000 Haushalte wurden evakuiert, und mehr als 84 000 Helferinnen und Helfer waren im Einsatz.
Mit den aktuellen Beschlüssen bleibt das Kabinett am unteren Rand von Glaubers Ankündigungen vor dem Landtag. Zwar hatte der Umweltminister bei seinem Bericht über das zurückliegende Hochwasser keine konkrete Summe genannt. Die Rede war aber von einem dreistelligen Millionenbetrag, der zusätzlich in neue Schutzmaßnahmen fließen solle. Mit den jetzt „perspektivisch“ verkündeten 100 Millionen Euro ist die Ankündigung gerade so erfüllt. Allein wegen der Preissteigerungen im Bauwesen hätten die Wasserwirtschaftler in Glaubers Haus indes jeden Euro zusätzlich gut gebrauchen können. Auch die 30 Millionen Euro für die Reparatur von Schutzanlagen sind seit Glaubers Bericht im Landtag bekannt.
Zugleich ließ Söder Glaubers Ankündigung ins Leere laufen, den Bau von Hochwasserschutzmaßnahmen notfalls mit Enteignungen zu beschleunigen. In Bayern gelte der Grundsatz Freiwilligkeit vor Zwang, erklärte der Ministerpräsident am Dienstag dazu knapp. Damit dürfte sich Glaubers Vorstoß vor dem Landtag erledigt haben. Der Umweltminister hatte dort ebenfalls im Juni ein härteres Durchgreifen des Freistaats im Streit um Flächen für den Hochwasserschutz angekündigt. Hintergrund war eine Debatte über die immensen Schäden durch das Juni-Hochwasser in Dinkelscherben. Dabei ist in dem Ort im Landkreis Augsburg seit mehr als elf Jahren ein Rückhaltebecken geplant und genehmigt, das die Bevölkerung davor hätte bewahren können. Sein Bau scheiterte bisher laut Glauber aber an den Preisvorstellungen der Grundbesitzer für die Flächen dafür.
Nun schien Glauber gewillt zu sein, mit solchem Treiben Schluss zu machen. „Wir müssen am Ende des Tages auch zum Instrument der Besitzeinweisung, sprich Enteignung, greifen“, sagte er, „weil eben vor Ort die Grundstücke nicht für den Hochwasserschutz zur Verfügung gestellt werden.“ Enteignungen sind zwar sehr umstritten, aber laut Artikel 14 des Grundgesetzes „zum Wohle der Allgemeinheit zulässig“. Vor allem beim Straßenbau finden sie regelmäßig statt, auch in Bayern. Dabei bezahlt der Staat den Betroffenen im Gegenzug eine Entschädigung oder gleicht ihnen an anderer Stelle die jeweilige Fläche aus. Glauber war sich bewusst, dass sein Vorstoß heikel ist. Enteignungen seien „das härteste Schwert“, sagte er. Aber die öffentliche Sicherheit habe oberste Priorität, deshalb wolle er darauf drängen, dass sie beim Hochwasserschutz schneller zum Einsatz kommen.
Die Kabinettssitzung, in der die Entscheidungen fielen, war die letzte vor der Sommerpause und fand an einem denkbar symbolträchtigen Ort statt. Kloster Weltenburg ist ein Juwel und liegt an einer nahezu naturbelassenen Donauschleife oberhalb des Donaudurchbruchs bei Kelheim. Die berühmte Benediktinerabtei, die sehr wahrscheinlich eine mehr als 1300-jährige Geschichte hat, war beim Pfingsthochwasser 1999 extrem schlimm getroffen worden. Beinahe acht Meter erreichte der Donaupegel am Pfingstmontag 1999, das Refektorium, die Klosterkirche, die Klosterschänke und die Gastwirtschaft des Ensembles, das jedes Jahr Tausende Besucher zählt, standen unter Wasser. Die Bilder von der überfluteten Abtei gingen seinerzeit durch alle Medien.
Hochwasser in Süddeutschland
:Die Heimsuchung
Keller laufen voll, Familien werden in Sicherheit gebracht, und wieder ist von einem „Jahrhunderthochwasser“ die Rede. Man müsse sich der Klimakrise jetzt „noch viel stärker widmen“, sagt Markus Söder. Bleibt die Frage, was von diesem Satz in ein paar Monaten übrig ist.
Damit sich solche Bilder möglichst nicht wiederholen, investierte der Freistaat in den Jahren danach viele Millionen Euro in den Hochwasserschutz für Weltenburg. Natürlich gibt es an dem Kloster selbst keine Deiche oder Schutzmauern, sie würden das einmalige Ensemble empfindlich beeinträchtigen. Aber eine unterirdische Dichtwand aus Beton, mobile Elemente, die im Ernstfall schnell aufgebaut werden können und Tore und Fenster verschließen, und dazu eine starke Pumpe, die dennoch eindringendes Wasser beseitigt, sichern seit beinahe zehn Jahren den Komplex. Der Schutz hielt auch dem Juni-Hochwasser stand, das nur 40 Zentimeter niedriger war als das an Pfingsten 1999. Die Mönche jedoch fühlten sich dennoch sicher, berichtete Abt Thomas Maria Freihart im BR.
Außerdem ging Söder mit der Berliner Ampel hart ins Gericht. „Nichts, bislang gar nichts, ist an Hilfe gekommen. Wir bekommen weder Unterstützung aus dem großen Flutaufbaufonds. Da soll Bayern nur einzahlen, bekommt aber nichts raus. Und bei den Soforthilfen ist nichts bislang passiert. Wir empfinden es als Skandal“, sagte er. „Als das Hochwasser war, konnte man gar nicht schnell genug schauen, bis Bundesminister da waren. Sie standen uns und den Helfern quasi auf den Füßen.“ Söder nannte explizit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), Innenministerin Nancy Faeser (SPD), Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Alle hätten Hilfe versprochen, bisher angekommen sei aber nichts.
SPD und Grüne wiederum übten heftige Kritik an den Kabinettsbeschlüssen. Das zusätzliche Geld für die Reparatur von Hochwasserschutzbauten sei „zwar begrüßenswert, reicht aber längst nicht aus“, sagte der Vorsitzende der Landtags-SPD, Holger Grießhammer. „Unsere Kommunen stehen jetzt schon finanziell mit dem Rücken zur Wand.“ Allein das schwäbische Günzburg melde sieben Millionen Euro Schaden an seiner Infrastruktur. Der Fraktions-Vize der Grünen, Johannes Becher, warf Söder vor, „die Dimensionen des Hochwassers, der Folgen des Klimawandels und der erforderlichen Schutzmaßnahmen offensichtlich immer noch nicht begriffen“ zu haben. Als Grund nannte Becher die Diskrepanz zwischen dem Milliardenschaden durch das Hochwasser und den jetzt bewilligten 30 Millionen Euro für die Reparatur von Schutzbauten.