Gleich zu Anfang muss gesagt werden: Der Mann, der in Neu-Ulm fast 20 Stunden in einer Toilette eingeschlossen war, hatte kein Handy dabei. Er konnte also nicht das Internet leer lesen. Telefonieren konnte er auch nicht, sonst wäre er ja gar nicht in dieser Lage gewesen. Es ist der wohl längste Toilettengang der Welt. Am Freitagvormittag, der 66-Jährige befand sich bei der Arbeit, schloss er die Toilettentür hinter sich und erst in der Nacht, um vier Uhr, öffnete sie sich wieder. Sie war offenbar aufgrund eines technischen Defekts geschlossen. Angehörige des Mannes hatten spät in der Nacht die Polizei verständigt, die Feuerwehr befreite ihn dann.
Zwanzig Stunden. Was – um Himmels willen – macht man da? Ob in die Wände Striche geritzt waren, ist nicht übermittelt. Auch nicht, ob der 66-Jährige versuchte, sich aus Klobürste und Toilettenpapier ein Bett zu basteln. Machte er Sport? Übte er einen Handstand? Verfasste er Gedichte? Oder nutzte er das Muster der Fliesen, um im Geiste Schach zu spielen wie Dr. B. aus Stefan Zweigs Schachnovelle? Der war monatelang eingesperrt und am Ende in einem unendlichen Spiel mit sich selbst gefangen.
So erging es dem Mann aus Neu-Ulm offenbar nicht. Laut Polizei war er „wohlauf“. Vielleicht – ein verrückter Gedanke – war er sogar sehr wohlauf. Wann hat der Mensch schon mal 20 Stunden, in denen er nichts muss, außer vielleicht mal zu müssen. Was in einer Toilette nicht weiter schlimm wäre. Natürlich ist so ein Örtchen kein Yoga-Retreat, und doch könnten knapp 20 Stunden des Nichtstuns in einer Welt der ständigen Erreichbarkeit und des Immer-irgendwo-Hinmüssens nicht ausschließlich negative Auswirkungen haben. Man wünscht es dem Mann aus Neu-Ulm.
Die Mutter aus Neumarkt in der Oberpfalz dagegen, die ebenfalls vergangenes Wochenende hinter einer verschlossenen Toilettentür ausharren musste, meditierte wohl kaum. Auf der anderen Seite der Tür nämlich wusste sie ihren einjährigen Sohn, der sie kurzerhand eingesperrt hatte. Was so einem Einjährigen alles passieren kann allein in der Wohnung! Diese Sorgen dürfte sie sich gemacht haben. Völlig zu Unrecht. Als ein Nachbar ihre Hilferufe hörte und die Feuerwehr sie befreite, fand sie den Einjährigen auf der Couch – schlafend.
Eher unentspannt dürfte eine Dreijährige im oberfränkischen Rödenthal gewesen sein, die in einer Bäckerei die Toilette benutzte. Zusperren war kein Problem, aufsperren dann doch. Die Feuerwehr baute das Türschloss aus. Am Freitag also ging die Toilettentür in Neu-Ulm nicht auf, am Samstag rüttelte man vergebens an ihr in Neumarkt und am Sonntag in Oberfranken. Toilettentüren scheinen neuerdings ein nicht geahntes Risiko darzustellen. Oder eben: eine Chance.