Argentiniens Präsident Javier Milei hat einen Satz, den er ständig wiederholt, fast so, als sei es ein Mantra: «No hay plata» – das Geld ist alle.
Falsch ist das natürlich nicht: Die Staatskassen sind leer, und die Schulden sind auf mehr als 350 Milliarden Dollar angestiegen. Andererseits kann man aber auch sagen, in Argentinien gebe es eher zu viel Geld als zu wenig: Mehr als zehn Milliarden Scheine der Landeswährung Peso sind derzeit im Umlauf – so viele wie noch nie zuvor, was auch daran liegt, dass die höchste Geldnote, der 2000 Peso-Schein, in der Praxis kaum noch mehr als 1,50 Euro wert ist. Dazu kommen die Dollars, die Argentinier traditionell zum Sparen benutzen, am liebsten in cash und oftmals versteckt unter der Matratze. Der Fiskus muss ja nicht alles wissen. Einige Experten glauben jedenfalls, bis zu zehn Prozent aller weltweit im Umlauf befindlichen US-Banknoten seien im Besitz von Argentiniern.
Kurz: Geld gibt es durchaus – und nun ist da auch noch der «Bocade». Der Name steht für «Bono Cancelación de Deuda», im Prinzip ein Schuldschein, herausgegeben von der argentinischen Provinz La Rioja. Sie will mit ihm Rechnungen und Gehälter bezahlen, dazu soll der Bocade aber auch dazu genutzt werden können, um innerhalb der Provinz Steuern zu entrichten oder im Supermarkt einzukaufen.
Die Scheine sind bunt, die Realität kann da nicht mithalten
Von einer cuasimoneda ist darum in Argentinien die Rede: einer Fast-Währung. Die Idee ist dabei alles andere als neu: Schon in der letzten großen Krise ab dem Jahr 2001 fingen Provinzen in dem südamerikanischen Land an, ihre eigenen Wertpapiere zu drucken. In Formosa, ganz im Norden, gab es den «Bocanfor», in Feuerland, ganz im Süden, die «Letras». In Mendoza, am Fuße der Anden, zahlte man mit «Petrom», in der Provinz Buenos Aires dagegen mit dem «Patacón». McDonalds hatte damals sogar ein eigenes Menü im Angebot, das «Patacombo»: zwei Cheeseburger, Fritten und ein Softdrink für fünf Patacones.
Zeitweise waren mehr als ein Dutzend solcher Fast-Währungen im Umlauf, doch so bunt die Scheine waren, so bitter war die Realität: Fast 60 Prozent der Bevölkerung in dem einstmals reichen Land rutschten durch die Krise unter die Armutsgrenze, Hunderttausende verloren ihre Ersparnisse und Jobs.
Dass La Rioja nun wieder damit anfangen will, eine cuasimoneda herauszugeben, löst bei vielen Menschen in Argentinien traumatische Erinnerungen und düstere Vorahnungen aus. In der Provinzverwaltung selbst aber heißt es, man habe nun mal keine Wahl: Die Zentralregierung habe Zahlungen nicht überwiesen, die La Rioja eigentlich zustünden, und so müsse man sich selbst helfen, mit Bocades statt Pesos.
Finanzexperten warnen, die Fast-Währung könnte am Ende nur zu noch mehr Chaos und Elend führen. Und aus der Regierung heißt es, der Bocade könnte sogar illegal sein. Nur einer sieht es gelassen: Javier Milei. Der Staatschef nennt sich selbst einen «Anarchokapitalisten», Markt statt Staat also, und je mehr Wettbewerb, desto besser – selbst dann, wenn es sich um Währungen handelt. Nur eines, sagt Milei, müsse klar sein: Anders als nach der Krise 2001 würde die Regierung am Ende nicht helfen, die Verbindlichkeiten zu bezahlen, die durch die cuasimonedas entstanden sind. Denn wie gesagt: No hay plata.