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Die Kämpfer für die Sache Palästinas trugen grüne Uniformen, manche hatten eine Girlande aus weißen Blumen in ihrem Haar, manche feuerten Salven aus ihren Gewehren in die Luft. Fast alle riefen: „Kampf bis zum Sieg.“
An jenem 21. August 1982 war der Kampf aber erst einmal zu Ende, die ersten 400 Kämpfer der PLO verließen Beirut, stiegen auf Fähren, die sie nach Zypern brachten, und schließlich nach Tunis. Monatelang hatte Israel Beirut und viele Gebiete Libanons besetzt und bombardiert, ganze Landesteile von der Versorgung abgeschnitten. Bis die PLO schließlich aufgab und das Land verließ.
„Die PLO hat ihr Reich des Terrorismus verloren“, sagt der damalige Verteidigungsminister Ariel Sharon. Ihr Reich, von dem aus sie „die grausamsten und abscheulichsten terroristischen Aktionen gegen Israel und die ganze Welt durchführte“.
Der Tod von Ibrahim Akil ist ein harter Schlag für die Hisbollah
Vierzig Jahre später ist die Lage wieder fast genau wie damals, nur gehört das Reich des Terrors dieses Mal anderen: der Hisbollah. Und wieder versucht Israel, die Bedrohung aus dem Norden zu zerstören. In der vergangenen Woche ließ mit aller Wahrscheinlichkeit der Mossad die Pager und Walkie-Talkies explodieren, die die Hisbollah an ihre Mitglieder ausgegeben hatte, am Freitag bombardierte die israelische Luftwaffe ein Haus im Süden Beiruts, mehr als dreißig Menschen kamen ums Leben, darunter auch Ibrahim Akil, der in den 80er-Jahren Deutsche in Libanon entführte und am Anschlag auf die US-Botschaft beteiligt war, bei dem mehr als 60 Menschen getötet wurden.
Akil gilt als einer der Gründer der Hisbollah, sein Tod ist ein harter Schlag für die Organisation, genauso wie die teilweise Zerstörung der Kommunikationskanäle und vieler Raketenabschussrampen. Die Biografie von Akil erzählt aber auch davon, dass die bisherigen Feldzüge Israels im nördlichen Nachbarland vielleicht zu kurzfristigen Erfolgen führten, langfristig aber neue Gegner schufen.
Libanon war wie Palästina ein Teil des Osmanischen Reiches, nach dessen Untergang wurde das Erstere ein französisches Mandatsgebiet, Letzteres ein britisches. Einen palästinensischen Staat gibt es bis heute nicht, Libanon wurde 1943 formell unabhängig – und beteiligte sich fünf Jahre später am Angriff auf Israel, den gerade gegründeten Staat der Juden. Etwa 700 000 Araber wurden vertrieben, viele landeten in Libanon, wo es schon davor nicht an Religionen und Sekten mangelte: Schiiten, Sunniten, Maroniten, Drusen, fast 20 verschiedene Volksgruppen, die sich plötzlich im selben Staatsgebiet wiederfanden, einem Staat mit schwachem Zentrum, dessen Armee es sich nicht zutraute, auch im zweiten Krieg gegen Israel 1967 mitzumachen.
Massaker in den palästinensischen Lagern
Dafür begannen die Palästinenser nun, das Gebiet Libanons für ihre Angriffe gegen Israel zu nutzen, nicht zur Freude aller Libanesen, von denen viele kein großes Interesse hatten, sich in einen Konflikt hineinziehen zu lassen, der ihnen egal war, aus dem sie sich die Jahre zuvor mehr oder weniger herausgehalten hatten. Nun schlug die PLO im Süden ihr Hauptquartier auf und brachte das fragile Gleichgewicht in Libanon endgültig zum Einsturz.
1975 begann der Bürgerkrieg, 1982 marschierten die Israelis ein und verbündeten sich mit christlichen Milizen, die Massaker in den palästinensischen Lagern verübten. Bei den Bombardements im Sommer 1982 sollen mehrere Zehntausend Libanesen und Palästinenser ums Leben gekommen sein, Hunderttausende wurden von Wasser und Strom abgeschnitten. Die PLO zog ab und wurde doch schnell ersetzt. Von der Hisbollah.
Die hatte sich während des libanesischen Bürgerkrieges gegründet, als Kämpfer für die Interessen der Schiiten und gegen die israelische Besatzung, die im Süden Libanons, wo viele Schiiten leben, gemeinsame Sache mit den christlichen Milizen machte. Im Abkommen zur Beendigung des libanesischen Bürgerkrieges war sie die einzige Gruppe, die ihre Waffen behalten durfte. Und die wurden immer mehr. Die Hisbollah wurde zu einem Staat im Staate. Sie schickt Abgeordnete ins Parlament, betreibt Krankenhäuser und eine Pfadfindergruppe. Für ihre Anhänger ist sie der einzige Beschützer. Für viele andere Libanesen ein Krebsgeschwür, das das Land zerstört. Für Europa und die USA eine Terrorgruppe.
Schwülstige Reden aus dem Bunker
Seit 1995 leitet sie Hassan Nasrallah, den man seit vielen Jahren nicht mehr an der frischen Luft gesehen hat. Er lebt irgendwo unter Beirut in einem Bunker. Von dort hält er seine endlosen Reden, die voller schwülstiger Propaganda sind. Im Jahr 2000 traute er sich noch ans Tageslicht von Beirut, feierte mit Zehntausenden Anhängern den Rückzug Israels aus der Sicherheitszone im Süden Libanons, die das israelische Militär 15 Jahre lang verteidigt hatte. Bis sie mehr Leben israelischer Soldaten kostete, als sie daheim zu retten half. Die Hisbollah jubelte, in Israel gilt der Rückzug bis heute vielen als Zeichen der Schwäche, das viele Todfeinde Israels ermunterte.
Sechs Jahre später der nächste Einmarsch, die Hisbollah hatte drei israelische Soldaten in ihrem Jeep getötet, und zwei entführt. Israel schickte Kampfflugzeuge und Panzer, bombardierte den Flughafen von Beirut, 34 Tage später war der Kampf vorbei, den Nasrallah danach als Fehler bezeichnete. Der UN-Sicherheitsrat verabschiedete die Resolution 1701, welche einen Sicherheitskorridor im Süden Libanons vorsieht und die dortige Entwaffnung der Hisbollah durch die libanesische Armee. Was nie passierte, die Hisbollah rüstet weiter auf, beschießt Israel, das dann zurückfeuert, wie in einem Tennis-Spiel. Das aber nie jemand gewinnt, das sich immer in einem abgesteckten Rahmen abspielt. So ging es nun fast ein Jahr.
Die ungeschriebenen Regeln gelten aber nun nicht mehr, Hisbollah-Chef Nasrallah wirft Israel vor, alle rote Linien überschritten zu haben mit den Pager-Attacken. Israel verschickte am Montag eine Aufforderung an die Bewohner des Südens, bestimmte Gebiete zu verlassen. So wie sie es auch in Gaza tut. Der Krieg dort ist nach einem knappen Jahr immer noch nicht gewonnen, trotz 40 000 Toten. Dennoch dreht sich der Fokus nun nach Norden.
Allein am Montag seien fast 500 Menschen bei israelischen Luftangriffen getötet worden, teilen die libanesischen Behörden mit. Unter den Getöteten seien auch 35 Kinder. Ein Angriff im Süden der Hauptstadt Beirut soll unbestätigten Angaben zufolge dem wichtigen Hisbollah-Kommandeur Ali Karaki gegolten haben. Er sei aber wohlauf und an einen sicheren Ort gebracht worden, erklärte die Hisbollah.
Israels Verteidigungsminister Joav Gallant sagte, man habe Zehntausende Hisbollah-Raketen zerstört. Die Hisbollah reagierte mit neuen heftigen Raketenangriffen auf israelische Städte. „Deeskalation durch Eskalation“, nannten israelische Vertreter gegenüber dem Nachrichtenportal Axios diese Strategie. In der Geschichte des Konfliktes gibt es auf beiden Seiten wenig Belege, dass sie zum Erfolg führt.