Es ist nicht zu übersehen, dass Giorgia Meloni und ihre männliche Führungsriege den Rausch der Macht in vollen Zügen auskosten. Seit 20 Monaten vergeht kaum keine Woche, ohne dass die Regierung ihre Gefolgsleute auf Posten in Staatsunternehmen, Aufsichtsbehörden und Kulturinstitutionen hievt. Die Frage der Qualifikation spielt dabei offenkundig selten die Hauptrolle. Nun aber geriet die hochtourig laufende Besatzungsmaschine der Rechtspopulisten auf einmal ins Stocken. Und das liegt an den Frauen.
Ausgerechnet bei der Staatsbank Cassa Depositi e Prestiti (CDP) scheiterten die Koalitionäre bisher an der überfälligen Neubestellung des Verwaltungsrats. Seit zwei Monaten ringt man um die Besetzung des Führungsgremiums der römischen Kreditanstalt, die an Unternehmen wie den Energiekonzernen Eni und Enel, an der Post, am Rüstungskonzern Leonardo und am Telekomkonzern TIM beteiligt ist. Hauptaufgabe der CDP ist es, das Wachstum und die Innovation der Privatwirtschaft zu fördern. Die Staatsbank ist damit die Impulsgeberin der Italien AG und Regisseurin der wichtigsten Partien in der italienischen Wirtschaft. Das erklärt den besonders großen Appetit, mit dem sich die Regierungsparteien in den Postenschacher gestürzt haben. Dumm nur, dass der Politik die geltende Frauenquote in die Quere kam. Schon dreimal wurde die Hauptversammlung der CDP ergebnislos aufgelöst, weil alle drei Koalitionspartner nur Männer als Kandidaten aufstellten. Weibliche Führungskräfte stören anscheinend die politischen Machtspiele in Rom.
Politische Einflussnahme hat Vorrang
In Italien sind Börsenunternehmen und staatlich kontrollierte Firmen seit 2011 verpflichtet, mindestens 40 Prozent der Posten im Verwaltungsrat mit dem schwächer vertretenen Geschlecht zu besetzen. Der Frauenanteil in den Spitzengremien stieg von sieben Prozent im Jahr 2011 auf 42 Prozent im Jahr 2022. Die Erfahrungen der Unternehmen mit den ausgewogeneren Führungsteams waren ausweislich vieler Studien durch die Bank positiv. Auch bei der CDP. Unter dem Premierminister Mario Draghi, dem die berufliche und gesellschaftliche Gleichstellung der Frauen ein dringendes Anliegen war, schickte das Finanzministerium 2021 vier Frauen und fünf Männer in den Verwaltungsrat.
Jetzt wird Italien, in puncto Parität im Erwerbsleben noch ein Entwicklungsland, erstmals von einer Frau regiert. Doch Meloni hat andere Prioritäten. Bei der Verteilung von Spitzenposten hat nun die politische Einflussnahme Vorrang.
Also heckte man im Finanzministerium einen Plan aus. Die Zeit drängt, für den kommenden Montag ist wieder eine Hauptversammlung zur Wahl des Verwaltungsrats angesetzt. Die Aktionäre sollten eine Absenkung der Quote beschließen und damit möglichst vielen Männern den Weg freimachen. Die Idee löste bei vielen Frauen und in der Opposition einen Sturm der Empörung aus. Lella Mosca, die Mutter der italienischen Quotenregelung, sagte: „Wir werden eine Aufweichung des Gesetzes nicht still hinnehmen.“
Die Mobilisierung zeigte Wirkung. Das Ministerium dachte sich einen anderen Trick aus. Der Verwaltungsrat soll um zwei Sitze erweitert und zudem mit einem Sondergremium verschmolzen werden. Das Praktische daran: In dem separaten Rat waren die Männer bislang unter sich. Durch die Zusammenlegung steigt die Zahl der zu besetzenden Posten jetzt von neun auf 16. Trotz Frauenquote kommen bequem alle Männer unter.