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Italiens Präsident Mattarella zum Staatsbesuch in Deutschland – Politik

by Marko Florentino
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Es war eine sogenannte „stille Ankunft“. Nach der Landung auf dem Berliner Regierungsflughafen gab es nicht das ansonsten übliche protokollarische Brimborium. Es war damit eine Ankunft, die ganz gut zu Sergio Mattarella passt. Der italienische Präsident gilt als zurückhaltender Mensch, der eher auf die leisen Töne setzt. Am Donnerstagabend ist er zu einem mehrtägigen Besuch nach Deutschland gekommen. Es ist der erste Staatsbesuch eines italienischen Präsidenten seit mehr als zehn Jahren. Und es ist ein Besuch, der in Deutschland auch deshalb wichtig genommen wird, weil Mattarella für viele eine Art politisches Gegengewicht zur rechtspopulistischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni ist.

Mattarella und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bezeichnen sich gegenseitig als enge Freunde. Vor einem Jahr hatte der italienische Präsident Steinmeier zu einem Besuch in seine Heimat Sizilien eingeladen. Und auch jetzt zeigen die beiden demonstrativ ihre Verbundenheit. Noch am Donnerstagabend besuchten sie gemeinsam – und ohne Journalisten – eine Ausstellung in der Liebermann-Villa am Wannsee.

Am Freitag begann dann das eigentliche Programm – jetzt auch mit Brimborium. Begrüßung mit militärischen Ehren vor Schloss Bellevue samt Eintrag ins Gästebuch. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz sagte Steinmeier anschließend, Italien sei „wie kaum ein anderes Land mit Deutschland verbunden – auf politischer, kultureller, wirtschaftlicher und auch auf emotionaler Ebene“. Italien sei einer der wichtigsten Partner Deutschlands, nicht nur in der EU, sondern auch in der Nato, der G7 und der G20. Mattarella und er hätten deshalb auch über den russischen Krieg gegen die Ukraine gesprochen. „Wir wissen beide, der Angriff gilt nicht nur der Ukraine, sondern der Grundidee, dass Freiheit, Menschenrechte und Demokratie die Grundlage des vereinten Europas bilden“, sagte Steinmeier. Die gemeinsame Haltung sei dabei klar: „Deutschland und Italien stehen weiter an der Seite der Ukraine.“

Sie reden auch über Ukraine, Migration und Rechtspopulismus

Die beiden Präsidenten gehören zu denen, die befürchten, dass die Unterstützung der Ukraine durch die Europäer kleiner werden und das Wladimir Putin in die Karten spielen könnte.

Die Staatschefs sprachen aber auch über die Migrationspolitik und die Erfolge rechtspopulistischer Parteien. Fragen zum Kurs der Regierung von Giorgia Meloni wich Mattarella zwar aus. Er warnte aber vor Populismus. Manche machten das trügerische Versprechen, zu goldenen Zeiten wie vor 50, 60 Jahren zurückkehren zu können, sagte Mattarella. Die Welt verändere sich aber stark. Große Migrationsströme verunsicherten viele Menschen. Dafür gelte es, konstruktive Lösungen zu finden. Populistische Versprechen würden nicht weiterhelfen.

Der Staatspräsident ist im politischen System Italiens ungleich wichtiger als in Deutschland. Im Land der ständig wechselnden Regierungen und Mehrheiten sorgt er für Kontinuität. Italienische Staatspräsidenten haben traditionell eine hohe Reputation, für den 83-jährigen Mattarella gilt dies im Besonderen. Der frühere christdemokratische Spitzenpolitiker wurde später einer der Gründungsväter der Partito Democratico, einer Mitte-links-Sammelpartei. Seit 2015 ist er Präsident. Er kennt und schätzt Deutschland.

Roms Außenminister ist wegen des Widerstands beim Bankendeal verärgert

Das sind gute Voraussetzungen für einen harmonischen Staatsbesuch. Das sollte aber nicht verdecken, dass es zurzeit durchaus ein paar Unstimmigkeiten zwischen Italien und Deutschland gibt. Regierungschefin Meloni trägt Bundeskanzler Olaf Scholz nach, dass der Sozialdemokrat die Harmonie ihres G-7-Gipfeltreffens im Sommer in Apulien gemeinsam mit Frankreichs Staatspräsidenten Emmanuel Macron empfindlich gestört hat, als er noch während des Gipfels öffentlich eine Zusammenarbeit mit Meloni bei der Bildung der neuen EU-Kommission ausschloss, weil diese „zu rechts“ sei.

Außenminister Antonio Tajani, Vorsitzender der rechtskonservativen Berlusconi-Partei Forza Italia, der Mattarella nach Berlin begleitet, ist zwar das bürgerliche Gesicht der italienischen Drei-Parteien-Koalition, in der der Rechtspopulist und EU-Gegner Matteo Salvini häufig den Ton setzt. Tajani ist ein konstruktiver Europäer und mit seiner Partei im Lager der Christdemokraten zu Hause. Aber zwischen dem selbstbewussten Italiener und der grünen Außenministerin Annalena Baerbock stimme die Chemie nicht, heißt es in Rom, auch das Verhältnis zu Vizekanzler Robert Habeck sei nicht besonders.

Tajani war es dann auch, der zuletzt die Verärgerung der italienischen Regierung über die deutschen Reaktionen im Fall Unicredit/Commerzbank zum Thema machte. Die italienische Großbank aus Mailand versucht gerade selbstbewusst, eine der beiden letzten verbliebenen deutschen Großbanken zu übernehmen. Scholz hatte sich darüber verärgert gezeigt. „Unfreundliche Attacken, feindliche Übernahmen sind nicht das, was für Banken eine gute Sache ist“, sagte der Kanzler am Rande seines UN-Besuchs in New York. Tajani beklagte daraufhin, dass Deutschland mit zweierlei Maß messe. „Italien wird oft gebeten, die Tür für Privatisierungen, für die Anwesenheit von Ausländern aufzumachen“, sagte Tajani, andersherum solle das dann nicht gelten. Solche Ausgrenzungen werden in Italien aufmerksam beobachtet und nicht vergessen.

Spätestens seit dem G-7-Gipfel in Apulien ist die Stimmung zwischen Italiens Premierministerin Giorgia Meloni und Kanzler Olaf Scholz (li.) getrübt. (Foto: Michael Kappeler/DPA)

In Italien ist natürlich auch bemerkt worden, dass die Ampelkoalition strauchelt, gelegentlich hört man schon die Frage, ob man überhaupt noch mit grünen Politikern reden müsse, die Regierung sei doch ohnehin bald am Ende. Das speist sich auch aus einer ungewöhnlich ausführlichen Berichterstattung in den italienischen Medien – zuletzt über die deutschen Landtagswahlen. Wer wusste bisher in Italien wirklich, wo Brandenburg liegt? Jetzt weiß man das.

Schwächelt die deutsche Wirtschaft, leidet die italienische sofort auch

In der italienischen Politik und Wirtschaft werden die deutschen Turbulenzen mit gemischten Gefühlen registriert. Einerseits tut es ganz gut, dass der ewige Besserwisser im Norden mal selbst Probleme hat, während die Regierung Meloni ungewöhnlich stabil ist und sogar die Chancen hat, als erste Koalition seit Langem eine ganze Legislaturperiode durchzuhalten. Andererseits sind die beiden Volkswirtschaften stark verwoben: Wenn Deutschland wie jetzt schwächelt, leidet sofort auch die italienische Wirtschaft, die in letzter Zeit sehr ordentliche Zahlen vorgelegt hatte.

Beide Länder sind deshalb vor einem Jahr daran gegangen, ihre Beziehungen zu vertiefen. Ein deutsch-italienischer „Aktionsplan“ soll nach dem Vorbild der deutsch-französischen Beziehungen in eine intensivere Zusammenarbeit als bisher garantieren. In zahlreichen Bereichen sind gemeinsame Projekte geplant. Im Bereich der Industrie sind einige Vorhaben bereits angelaufen. Als besonders wichtig gilt dabei die Zusammenarbeit im Bereich Energie. Gemeinsam mit nordafrikanischen Staaten soll eine Wasserstoffallianz aufgebaut werden. In Berlin machten auch Steinmeier und Mattarella deutlich, wie wichtig diese Wasserstoffallianz für sie ist.

Mattarella traf sich am Freitag auch mit Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundestagspräsidentin Bärbel Bas. Am Samstag reist er mit Steinmeier nach Bonn. Dort besuchen sie das Klimasekretariat der Vereinten Nationen und eine Konferenz zum Klimawandel. Dann geht es mit dem Schiff nach Köln.

Von dort aus wollen die beiden Präsidenten am Sonntag dann gemeinsam nach Italien fliegen, um an einer Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag des Massakers von Marzabotto teilzunehmen. Das Massaker war eines der schwersten Kriegsverbrechen deutscher Soldaten in Italien während des Zweiten Weltkriegs. „Es erfüllt mich mit tiefer Demut und, lieber Sergio, auch mit Dankbarkeit, als deutscher Bundespräsident an der Gedenkveranstaltung für die Opfer des Verbrechens in Marzabotto teilnehmen zu dürfen“, sagte Steinmeier am Freitag bei seiner Pressekonferenz mit Mattarella im Schloss Bellevue.



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