Das Gold an sich wäre eine Petitesse. Es sind zwar immerhin 21 Kilogramm, Marktwert 1,7 Millionen Euro, aber das wäre kein Grund für eine diplomatische Krise. Das Gold, um das es hier geht, lässt sich nicht in Kilogramm bemessen. Es ist Teil eines Kulturguts von kaum schätzbarem Wert, einer der bedeutendsten Kunstschätze aus dem präkolumbischen Südamerika.
122 Objekte umfasst der Quimbaya-Schatz, benannt nach einer antiken Hochkultur Südamerikas. Dort, zwischen den heutigen Städten Medellín und Cali, entstanden einst die kunstvollsten Edelmetall- und Keramik-Objekte, darunter ausdrucksstarke menschliche Figuren, Musikinstrumente, Gefäße und Schmuck. Man kann sie im Madrider Museo de América bewundern. Und genau hier beginnt das Problem: Kolumbien will nun alles zurückhaben.
Seit mehreren Jahren schon äußert die Regierung des südamerikanischen Landes Interesse an der Rückgabe des Quimbaya-Schatzes. Doch nun wird es ernst. Mit einer ersten Verbalnote wandte sich die Regierung in Bogotá im Mai an Spanien, eine weitere folgte vor wenigen Tagen. Diese diplomatische Eskalation stellt Spaniens Regierung vor ein Problem: Die bisherige Taktik des entschiedenen Abwartens wird nicht mehr funktionieren.
Völkerrechtlich ist die Sache verworren, denn im Jahr 1893 verschenkte der damalige Präsident Kolumbiens, Carlos Holguín, den Schatz an die spanische Krone. Es war der Dank für Spaniens Unterstützung in einem Grenzstreit mit dem Nachbarland Venezuela. Damit gilt er heute nicht als Raubkunst. Holguín habe seinerzeit das Parlament nicht befragt, argumentiert nun die kolumbianische Regierung, daher sei die Schenkung unwirksam.
Sicher ist, dass Spanien eine diplomatische Krise mit Kolumbien vermeiden will. Schwierig genug ist das Verhältnis der sozialistischen Regierung in Madrid mit dem Antisozialisten Milei in Argentinien. Und auch mit dem wichtigen Handelspartner Venezuela hakt es, spätestens seit Spaniens Verteidigungsministerin vor einigen Wochen die dortige Regierung eine Diktatur nannte. Das Verhältnis zu Kolumbien ist im Vergleich gut, in Madrid wie in Bogotá regiert eine linke Partei, und die meisten der Einwanderer in Spanien sind derzeit Kolumbianerinnen und Kolumbianer.
Der Quimbaya-Schatz birgt indes nicht nur international, sondern auch innenpolitisch Sprengstoff. Sollte sich der zuständige Kulturminister Spaniens, Ernest Urtasun, ein Vertreter der links-progressistischen Bewegung Sumar, der offen gegen Stierkampf eintritt und „kolonialen Kontext“ aus staatlichen Museen verbannen will, in Sachen Quimbaya-Schatz nachgiebig zeigen, würden konservative Kreise Sturm laufen. Auf eine Anfrage der SZ reagierte das Ministerium nicht.
Dass der Schatz überhaupt existiert, gleicht einem Wunder. Grabräuber stießen 1890 in der Nähe des heutigen Ortes Filandia auf die Gegenstände. Die Finder durften solche Fundstücke damals behalten und legalerweise auch einschmelzen. Doch die Quimbaya-Figuren faszinierten vermutlich auch ihre Entdecker. Sie gingen durch mehrere Hände und wurden berühmt, „majestätisch“, schrieb die Presse. Präsident Holguín nannte sie die „kompletteste und wertvollste“ Sammlung von Objekten aus dem ursprünglichen Kolumbien, als er sie schließlich Spaniens damaliger Königin María Cristina überließ. Er wollte ein ganz besonderes Geschenk machen.