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Libanon: Ex-Zentralbankchef Salameh verhaftet – Politik

by Marko Florentino
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Riad Salameh hatte wohl nicht mit seiner Verhaftung gerechnet, so wie wohl fast niemand in Libanon damit gerechnet hatte, dass jemand aus der korrupten Elite zur Verantwortung gezogen werden würde. Dass irgendeiner von denen bestraft wird, die das Land 2019 in eine der schlimmsten Wirtschaftskrisen der globalen Finanzgeschichte stürzten, in der zwei Drittel des Landes verarmten und Hunderttausende all ihre Ersparnisse verloren. Seit etwa zwei Jahren ermittelte die libanesische Justiz mehr oder weniger intensiv, am Dienstag sollte Riad Salameh aussagen, der 30 Jahre lang der Chef der Zentralbank war. Er kam als Zeuge, ohne seinen Anwalt, und wurde dann verhaftet, zu seiner eigenen Überraschung – und der des ganzen Landes. Im Netz zirkulieren verwackelte Handybilder, die Salameh zeigen, wie er im weißen Hemd und Krawatte eine Treppe hinuntergeführt wird, über den gefalteten Händen liegt sein Jackett, wahrscheinlich, um die Handschellen zu verbergen.

„Ist das das Ende der Straflosigkeit?“, fragte sich Beiruts Tageszeitung L’Orient-Le Jour. Gegen Salameh wird seit seinem Rücktritt 2023 in sieben europäischen Ländern ermittelt, Interpol hat ihn zur Fahndung ausgeschrieben, das US-Finanzministerium setzte ihn auf die Sanktionsliste. „Salameh hat seine Machtposition missbraucht und wahrscheinlich gegen libanesisches Recht verstoßen, um sich und seine Partner zu bereichern, indem er Hunderte Millionen Dollar über Briefkastenfirmen in europäische Immobilien investiert hat“, teilte die US-Finanzbehörde mit. Doch das ist längst nicht alles: Auch an die Familie sollen Hunderte Millionen geflossen sein, während der Großteil der Libanesen verarmte.

Salameh war unantastbar, eng verflochten mit der libanesischen Elite

Am Flughafen von Beirut fragte ein mutiger Zöllner Salameh vor ein paar Jahren einmal, wie viel Bargeld er mit sich führte. 15 000 Euro, sagte der Zentralbankchef, in seinem Gepäck fanden sich dann knapp 100 000 Euro. Ups, sagte Salameh damals sinngemäß; er war unantastbar, eng verflochten mit der libanesischen Elite, den Familien und Sekten, die das Land kontrollieren.

Seit Jahren ermittelt die libanesische Justiz vor sich hin. Manchmal gab es mutige Ermittler, die dann aber von ihren Vorgesetzten zurückgepfiffen wurden. Es war wie so oft in Libanon: Die da oben kamen davon. So wie bis heute kein einziger der Verantwortlichen der Hafenexplosion 2020 zur Rechenschaft gezogen wurde. Die Verhaftung von Salameh kam daher überraschend. Wurde er fallen gelassen von jenen, die so lange mit ihm gemeinsame Sache machten?

Zuletzt hatte er sich immer öfter beschwert, dass er zum alleinigen Sündenbock gemacht wurde. Ganz falsch ist das nicht, das ganze Land lebte unter seiner Ägide über seine Verhältnisse.

Salameh war zwei Jahrzehnte lang Berater bei der Großbank Merrill Lynch und verantwortete dort das Portfolio des ultrareichen libanesischen Geschäftsmannes Rafiq al-Hariri. Als der nach dem Ende des libanesischen Bürgerkriegs Ministerpräsident des Landes wurde, machte er Salameh zum Chef der Zentralbank. Beide wollten sie die Wirtschaft des zerstörten Landes ankurbeln, das bis heute fast nichts produziert und fast alles importieren muss. Dafür braucht es eine stabile Währung – was Salameh veranlasste, den Kurs des libanesischen Pfunds an den Dollar zu koppeln.

Libanon produziert kaum etwas selbst und muss fast alles importieren

Das funktionierte so lange, wie die Golfstaaten und die vielen reichen Libanesen in der Diaspora ihre Milliarden ins Land fließen ließen, um dort ihre Geschäfte zu machen, vor allem in Immobilien.

Mit dem Libanonkrieg 2006 versiegten die Ströme, Salameh fehlten die Devisen, um die Währung zu stützen, die völlig überbewertet war. Er begann, was viele heute ein Schneeballsystem nennen. Damals ließ sich Salameh von der Finanzwelt für sein „Financial Engineering“ feiern. Er bot den lokalen Banken zehn bis zwölf Prozent Zinsen, wenn sie ihre US-Dollar bei der Notenbank einlegten, die Banken wiederum gaben um die acht bis zehn Prozent an ihre Kunden weiter. Jeder wollte mitmachen und reich werden, zumindest gut verdienen. Alte Schulden wurden von Salameh mit neuen beglichen.

Im Jahr 2019 brach das System zusammen, die Währung stürzte gegenüber dem Dollar extrem ab, heute ist sie nur noch knapp ein Prozent so viel wert wie vor der Krise. Hunderttausende Sparer verloren all ihr Erspartes. Nur die Elite traf es nicht, Salameh flog mit dem Privatjet um die Welt, sein Sohn feierte pompöse Hochzeiten. Daheim nahmen verzweifelte Libanesen Geiseln in den Banken, um an ihr Geld zu kommen, um Medikamente für todkranke Verwandten zu bezahlen.

Salameh störte all das offenkundig wenig. Ob er wirklich zur Verantwortung gezogen wird, ist weiter offen. Ende der Woche soll ein Richter entscheiden, ob er in Haft bleibt.



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