In Magdeburg hat ein Mann bei einem mutmaßlichen Anschlag auf den Weihnachtsmarkt mindestens zwei Menschen getötet und 60 weitere verletzt, einige davon schwer. Das teilte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff mit. Die beiden Verstorbenen seien ein Erwachsener und ein Kleinkind. Er schloss nicht aus, dass die Zahl der Toten noch steigt. Die Polizei sprach von 15 Schwerstverletzten.
Der 50-Jährige sei mit einem Auto in eine Menschenmenge gefahren, teilten die Behörden mit, anschließend sei er festgenommen worden. Das Geschehen könne „noch nicht abschließend klassifiziert“ werden, teilte die Polizei mit. „Wir kennen noch keine Hintergründe zur Tat, wir ziehen alles in Betracht“, sagte eine Sprecherin der Polizei auf Nachfrage. Der Regierungssprecher von Sachsen-Anhalt, Matthias Schuppe, sagte der Süddeutschen Zeitung, es sei „wahrscheinlich ein Attentat“ gewesen. Laut Stadtsprecher Michael Reif handelte es sich nach erstem Stand um einen „Anschlag auf den Weihnachtsmarkt“.
Der mutmaßliche Attentäter stamme aus Saudi-Arabien, sagte Haseloff. Er habe in Bernburg in Sachsen-Anhalt, einer 32 000-Einwohner-Stadt zwischen Halle und Magdeburg, gelebt und als Arzt gearbeitet. Den Behörden sei er bislang nicht als Islamist bekannt. Man gehe davon aus, dass er ein Einzeltäter sei und keine weitere Gefahr bestünde. Hinweise, nach denen ein zweites, möglicherweise tatrelevantes Auto in der Innenstadt gesichtet wurde, hätten sich nicht bestätigt, teilte die Polizei auf X mit. Die Einsatzmaßnahmen dauerten an, es würden unter anderem Durchsuchungen durchgeführt, hieß es weiter. Eine Sprecherin sagte, es laufe eine Durchsuchung in Bernburg.
Nach SZ-Informationen wurde Taleb A. im Juli 2016 als Flüchtling anerkannt, seit 2006 ist er laut Landesinnenministerin Tamara Zieschang in Deutschland. Der Mann hat einen unbefristeten Aufenthaltstitel und arbeitet als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Wie die Nachrichtenagentur Reuters in Berufung auf einen Insider berichtet, habe Saudi-Arabien die deutschen Behörden vor dem Angreifer gewarnt, da der Angreifer extremistische Ansichten auf seinem X-Konto gepostet habe.
Der „Spiegel“ stieß bei seinen Recherchen ebenfalls auf extremistische Äußerungen des Mannes auf X. Dem Magazin zufolge soll der Arzt über Jahre hinweg aktivistisch tätig gewesen sein, vor allem soll er Frauen aus Saudi-Arabien bei deren Fluchtvorhaben unterstützt haben. Zuletzt habe sich sein Engagement allerdings verlagert. Der Mann habe sich öffentlich als AfD-Sympathisant gezeigt und von einem gemeinsamen Projekt geträumt: einer Akademie für Ex-Muslime. Er soll sich vor Kurzem auch in einem Video ausschweifend islamfeindlich geäußert haben.
Der MDR zitiert einen Polizeisprecher, dass der mutmaßliche Täter mit dem Auto „mindestens 400 Meter über den Weihnachtsmarkt“ gerast sei. Ein Video, das in den sozialen Netzwerken vielfach geteilt wird und den Anschlag zeigen soll, zeigt ein schwarzes Auto, das in hoher Geschwindigkeit durch eine Menschenmenge rast. Zudem verbreitet sich ein Handyvideo, das offenbar die Festnahme des Verdächtigen zeigt. In dem Clip ist zu sehen, wie ein Polizist seine Waffe auf den Verdächtigen richtet und ihm befiehlt, sich hinzulegen, was dieser dann tut. Schließlich kommt Verstärkung, mehrere Polizisten umkreisen den am Boden liegenden Verdächtigen.
Die ersten zehn bis 20 Patienten würden bereits im Universitätsklinikum Magdeburg versorgt, sagte ein Sprecher der dpa am späten Freitagabend. Man stelle sich jedoch auf deutlich mehr Verletzte ein. „Wir rüsten gerade auf“, sagte der Sprecher. „Intensivbetten stehen bereit.“ Die Uniklinik steht mit anderen Krankenhäusern aus Sachsen-Anhalt in Kontakt, um sich bei der Versorgung der Verletzten abzustimmen. Die Versorgung der Verletzten laufe mit maximalen Kapazitäten und Ressourcen, sagte Haseloff. „Ich muss sagen, das läuft alles wirklich generalstabsmäßig“.
Der Magdeburger Weihnachtsmarkt befindet sich auf dem Alten Markt, direkt am Magdeburger Rathaus in der Nähe der Elbe. In der Nähe ist ein großes Einkaufszentrum. Der Weihnachtsmarkt sei geschlossen, teilte die Polizei mit. Auch der Straßenbahnverkehr wurde eingestellt. In der Gegend sind zahlreiche Rettungskräfte im Einsatz. Sanitäter versorgen die Verletzten, die vor den Marktbuden auf dem Boden liegen, wie eine dpa-Reporterin berichtete. Zur Versorgung der Verletzten wurden Zelte aufgebaut. Überall ist Blaulicht zu sehen.
„Das ist eine Katastrophe für die Stadt Magdeburg und für das Land und auch generell für Deutschland“, sagte Haseloff. Bundeskanzler Olaf Scholz und Innenministerin Nancy Faeser werden am Samstag nach Magdeburg kommen. Es soll eine Gedenkfeier stattfinden. Scholz schrieb auf der Plattform X: „Die Meldungen aus Magdeburg lassen Schlimmes erahnen. Meine Gedanken sind bei den Opfern und ihren Angehörigen. Wir stehen an ihrer Seite und an der Seite der Magdeburgerinnen und Magdeburger. Mein Dank gilt den engagierten Rettungskräften in diesen bangen Stunden.“ Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erklärte, die Vorfreude auf ein friedliches Weihnachtsfest werde durch die Meldungen aus Magdeburg jäh unterbrochen. Vize-Kanzler Robert Habeck drückte in der Nacht ebenfalls sein Beileid aus und forderte: „Jetzt müssen die Hintergründe schnell und umfassend aufgeklärt werden.“
In der Nacht häufen sich auch international die Beileidsbekundungen: Die Vereinten Nationen zeigen sich bestürzt, ebenso wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die auf X schrieb, die Gewalttat müsse „hart geahndet werden“. Der französische Präsident Emmanuel Macron hat Deutschland die Solidarität seines Landes versichert, ebenso Matthew Miller, der Sprecher des US-Außenministeriums. Der designierte US-Vizepräsident J. D. Vance schrieb bei X: „Was für eine entsetzliche Attacke so kurz vor Weihnachten.“ Saudi-Arabien, das Land, aus dem der mutmaßliche Täter stammt, hat die tödliche Attacke ebenfalls verurteilt.
Der Fall löst Erinnerungen an den Anschlag vom Berliner Breitscheidplatz aus. Fast auf den Tag genau vor acht Jahren, am 19. Dezember 2016, hatte der Islamist Anis Amri dort einen Terroranschlag verübt. Amri fuhr damals mit einem gestohlenen LKW in eine Menschenmenge und tötete 13 Personen, 67 weitere Besucher wurden teils schwer verletzt. Die Terrororganisation „Islamischer Staat“ reklamierte die Tat für sich. Amri konnte fliehen und wurde wenige Tage später auf der Flucht in Italien erschossen.